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Ausgabe:

1941

Spalte:

256-257

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schick, Eduard

Titel/Untertitel:

Formgeschichte und Synoptikerexegese 1941

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

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steiit der 4. Ekloge näher als jüdischen Apokalypsen. ! die Ägypter sind den Griechen weithin „keine Men-
Alle typischen Züge der jüdischen Enderwartung fehlen, i sehen", von Makedonenhaß der Griechen ist die ganze
das Reich Gottes ist eine geistige Größe. Wo er sich zu ! Diadochengeschichte voll, und für griechischen Rom- und

jüdischen Vorstellungen äußert, deutet Jesus sie um,
Aber im Ganzen bleibt das Reich ein göttlicher Entwicklungsprozeß
, der in dieser Welt beginnt, freilich
nicht zu Ende kommt. In den religiösen Mittelpunkt
führt dann die Frage nach der Gotteskindschaft. Auch
hier wird die griechische Herkunft deutlich, die Leipoldt
in vielen Einzelheiten verfolgt. Schon in früheren Veröffentlichungen
hatte er gerade hier den Gegensatz zum
Judentum betont; diese werden wesentlich ergänzt. Bei
aller Wahrung eines transzendenten Minimums ist die
Frömmigkeit Jesu immanent bestimmt, und das verbindet
ihn aufs engste mit den Griechen. Im Gebet wird das
wieder besonders deutlich. Das geistige und das sittliche
Moment ist hier vor allem unterstrichen, das freilich auch
originelle Züge Jesu erkennen läßt. Vor allem werden
Zauber und Gebet scharf geschieden. Damit kommen
wir dann schon zur Ethik Jesu. Schon in ihrer einheitlichen
Grundlage ist sie absolut unjüdisch, dafür aber
griechischen ethischen Systemen aufs engste verwandt.
Schön wird das z. B. am Unterschied des Gebrauchs der
goldenen Regel bei Jesus und Hillel gezeigt. Hierher
gehört auch die Ablehnung aller Kasuistik und die Herleitung
der Ethik aus der Gottesnachahmung. Auch in
der konkreten Anwendung des einen großen grundlegenden
Prinzipes der Nächstenliebe zeigt sich wieder im einzelnen
viel dem Griechischen Ähnliches.

In zwei großen abschließenden Abschnitten werden
dann Judenchristentum und Griechenchristentum in ihrem
scharfen Gegensatz gezeigt und ausführlich begründet,
warum das Judenchristentum Abfall von Jesus, das Griechenchristentum
dagegen seine geradlinige Fortsetzung
sei. Schon daß die Juden im allgemeinen Jesus ablehnen
ist Beweis für seine unjüdische Art. Die „Urgemeinde"
fällt dagegen ins Schriftgelehrtentum zurück, ist also gar-
nicht christlich. In ihrer Stellung zu Gesetz und Altem
Testament vernichtet sie geradezu die Lehre Jesu. Das
Verhängnis besteht darin, daß durch das judenchristlich
beeinflußte Matthäusevangelium solche Verfälschungen
Jesu weitergetragen wurden. Erst das Griechenchristentum
hat die Botschaft Jesu wieder befreit und richtig
weitergegeben.

Wenn ich an einigen Stellen einige Fragezeichen anfüge
, so will das Leipoldts Arbeit in keiner Weise auch
nur im geringsten abwerten, sondern nur zur Diskussion
anregen. Methodisch und grundsätzlich ist mein Vertrauen
zur synoptischen Überlieferung geringer als das
Leipoldts, der sogar gelegentlich hinter lukanischen Kindheitsgeschichten
historisch Echtes durchschimmern sieht.

Römerhaß sind genügend Beispiele vorhanden. Auf die
Menschensohnfrage länger einzugehen, ist hier nicht der
Ort, doch muß ich gestehen, daß mich Leipoldt mit der
Ableitung von Ezechiel nicht überzeugt hat; wahrscheinlicher
ist mir eine Ableitung aus einer Urmenschenspekulation
, wie sie ja bereits von Paulus benutzt ist.

Der Ertrag des Buches zwingt zu einer neuen Auffassung
von der frühesten Geschichte des Christentums.
Der vielleicht größte aller Irrwege, den die ne.utesta-
mentliche Forschung jemals gegangen ist, der krampfhafte
Versuch, Jesus von den Rabbinen her zu verstehen,
dürfte nach diesem Buch nun hoffentlich bald überall
verlassen werden.

Königsberg/Pr., z. Zt. im Heeresdienst Carl Schneider

Schick,Dr.theol. Eduard: Formgeschichte und Synoptikerexegese.

Eine kritische Untersuchung über die Möglichkeit und die Grenzen
der formgeschichtlichen Methode. Münster i. W.: Aschendorff 1940.
(XXIII, 280 S.) gr. 80 = Neutestamentliche Abhandlungen XVIII,
Bd., 2.-3. H. RM 14.25.

Schick bietet in ausführlicher Darstellung eine Überprüfung
der formgeschichtlichen Forschungsmethode, sowie
ihrer Anwendbarkeit auf die synoptischen Evangelien
. Der Umfang des Buches erklärt sich vor allem
durch eine sehr eingehende Wiedergabe der Ansichten
der Vertreter der formgeschichtlichen Arbeit, d. h. besonders
von Bultrrrann und Dibelius. Seine Auseinandersetzung
gilt aber vor allem den geschichtlich skeptischen
Urteilen des Erstgenannten. Während er die Grundlagen
der formgeschichtlichen Arbeitsmethode anerkennt und
ihnen weitgehend zustimmt, widerspricht er durchgehend
den historischen Wertungen. „Die Form ist nicht alleiniges
Kriterium der Echtheit, die Formfrage nicht identisch
mit der Echtheitsfrage. Das alte Schlagwort ,Gemeindetheologie
', das der Rationalismus wegen der Leugnung
des Übernatürlichen erfand, kann nicht neu belebt werden
durch formgeschichtliche Betrachtungen. Denn das vorausgesetzte
Kollektivpostulat ist weltanschaulich und zeitlich
bedingt, also nicht mehr rein formgeschichtlich, seine
Geltung im Urchristentum widerspricht dem historischen
Befund" (S. 266). So bedeutet das Werk aufs Ganze gesehen
eine weitgehende Zustimmung zur formgeschichtlichen
Arbeit, wie das auch an einer Reihe von Einzelstellen
beispielhaft vorgeführt wird. Das Besondere ist
die positive historische Wertung des Berichteten.

Schick berührt sich in mancher Hinsicht mit der 1939
erschienenen Schrift von Büch sei, Die Hauptfragen
der Synoptikerkritik (vgl. die Besprechung durch A. Frid-

Es gibt eben doch nicht nur zwei, ein judenchristliches ! richsen in dieser Zeitschrift 1941, Sp. 82—84), die ihm
und ein griechenchristliches Jesusbild in ihnen, sondern ! jedoch noch nicht vorgelegen hat. Das beiden Arbeiten

eine ganze Reihe; nur so erklärt sich ja die ganze Fülle
der Jesusbilder, die uns Leipoldt selbst in einem schönen
Buch, dessen baldige Fortsetzung wir dringend erwarten,
einmal dargestellt hat. Im einzelnen halte ich S. 3 die

Gemeinsame wird sich fraglos immer stärker durchsetzen
: die Zurückführung der formgeschichtlichen Arbeit
zu der ihr eigenen Aufgabe der Berücksichtigung der
Form bezw. der formbildenden Kräfte. Dadurch wird

Rassenmischung im Hellenismus für überschätzt. Er- ! sich jedoch zugleich die Überzeugung ständig verstärken

scheinungen wie die Faijumhellenen zeigen, wie verbreitet i müssen, daß die synoptischen Einzeiperikopen alles eher

und ernst das Halten auf Rassenreinheit gerade unter j sein wollen und sein können, als historische Protokolle.

Griechen gewesen ist. Für die Begründung der ägypti- j Aus den Berichten, wie sie in unseren Evangelien vorlie-

schen Mysterien (S. 6 f.) ist die neuerdings vertretene | gen, leuchtet durchweg der Glaube an Jesus, den Aufer

Hypothese von dem Eumolpiden Timotheos als Schöpfer
einleuchtender. Ähren auf dem Kopf der Demeter (S. 10)
gehen wohl nicht auf ägyptische, sondern auf thrakische
Vorbilder zurück. Vor allem ist dabei an den ganz unägyptischen
Eumenes (Plutarch Eum. 6) zu erinnern. Sy

standenen, den lebendigen Herrn seiner Gemeinde hervor
. Nur unter diesem Gesichtspunkt sind die Geschichten
und Worte Jesu weiter erzählt worden, nur unter
diesem Gesichtspunkt können sie daher auch gedeutet
werden. Ein direkter Übergang von der Überlieferung

nagogeus als Gemeindeleiter ist wohl nicht ursprünglich i der Synoptiker zum historischen Befund ist darum in der

jüdisch, ebensowenig wie der ganze Begriffskreis um
Synagoge (S. 16). Bei den Pythagoreern (S. 42) wäre
doch auch an Speisegebote zu erinnern. Zu S. 56 könnte
man doch stärker betonen, daß der Zauber in den Wundergeschichten
nicht fehlt, aber gerade diese sind doch
griechisch. S. 112 läßt sich vielleicht durch den Hinweis
ergänzen, daß auch der Grieche fremdes Volkstum haßt:

Tat unmöglich, aber ebensowenig ist damit historische
Skepsis am Platz. Die Distanzierung von den skeptischen
Folgerungen der formgeschichtlichen Betrachtungsweise
ist darum durchaus berechtigt. Freilich wäre man dem
Verfasser dankbar gewesen, wenn er über seine Kritik
hinaus und unter Absehung von jeglicher Polemik an den
ausgewählten sehr geeigneten Beispielen das zentrale