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Ausgabe:

1941

Spalte:

251-253

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament 1941

Rezensent:

Weber, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

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vielieicht beide. Ja es erscheint mir durchaus möglich,
sicher zu ermitteln, daß der lateinische Text dieser Hs.
Einflüsse seitens des Ps. Gall. aufweist, wie auch A. annimmt
. Methodisch wäre damit freilich die Stimme von
R überall dort als zum Schweigen gebracht anzusehen,
wo R lat mit Ps. Gall. zusammentrifft, und es bedürfte
anderer Erwägungen und Untersuchungen, namentlich
eines Vergleichs zwischen R und dem Text der augusti-
nischen Enarrationes in psalmos, um über das Maß und
die Herkunft des fremden Einflusses ein sicheres Urteil
zu gewinnen. Diese beiden, im Grund miteinander völlig
identischen Texte ließen sich aneinander ausrichten; der
eine vermag die Wunden, die der andere in der Überlieferung
erlitten, zu heilen. Aber alle derartige Arbeit
will mit geübtem und scharfen Auge, mit behutsamer
Hand und unermüdlicher Geduld getan sein; und peinliche
Sauberkeit ist unerläßliche Voraussetzung.

Diese Vorbedingung fehlt leider unserer Studie, und
damit wird sie stark entwertet. Schon die Kollation der
verschiedenen Texteszeugen in den „Altlateinischen Psal-
terien" war so mangelhaft, daß sie am besten von Neuem
gemacht worden wäre. Darauf aufmerksam gemacht, hat
A. denn auch eine Nachvergleichung vorgenommen; und
die neue Arbeit beweist, daß er dabei eine stattliche Anzahl
von Fehlern zur Strecke gebracht hat. Aber er berichtigt
nur stillschweigend; eine Bemerkung auf S. 14
erweckt gar den Anschein, es handele sich vorwiegend
um Druckfehler, und da gleichzeitig eine Menge falscher
Angaben zu den berichtigten neu hinzugekommen ist, so
ist die Verwirrung jetzt vollständig. Der Benutzer weiß
im Einzelfall nie, ob die alte Kollation oder die neue das
Richtige bringt. Um nur ein Beispiel anzuführen: S. 158
bringt eine Tabelle mit 15 Angaben über R, darin finden
sich nicht weniger als 7 Fehler. Keine einzige unter den
Listen, die nachgeprüft wurden, erwies sich als vollständig
und richtig. Den „Kritikern" wird im Vorwort versichert
, daß die Kirchenväter „nach den neuesten Ausgaben
benützt" sind; doch ist eine Nachvergleichung von
Mignes (vielfach schlecht abgedrucktem) Text offenbar
in zahlreichen Fällen unterblieben. Selbst der nahezu
40 Seiten füllende Abdruck der Epist. 106 nach Hilberg
(S. 24—63) ist reich an Fehlern; dagegen werden de
Bruvne's Besserungsvorschläge (Rev. Bened. 1929, 301;
de Br. nennt den Brief im Wiener Corpus mal editee)
nicht einmal der Ehre einer Erwähnung wert befunden.

Daß A. früher die These aufstellen konnte, das Ps.
Gall. sei im Vergleich mit dem Ps. iuxta Hebraeos die
jüngere und reifere Arbeit, war schwer verständlich; daß
er sie jetzt wiederholt und sein Buch auf sie hin ausrichtet
, bleibt mir unbegreiflich. Wer traut es Hieronymus
im Ernst zu, daß er Ps. 7, 14 den Text sagittas suas ad
comburendum operatus est dem Ps. Romanum zulieb,
das dem Ps. Gall. zwar offenkundig als Vorlage diente,
das aber als Frühwerk des Hieronymus nicht mehr in
Frage kommt, in das sinnlose sagittas suas ardentibus
efi'ecit abgewandelt hätte? Wer hält es für möglich, daß
Hieronymus den guten Text Ps. 26, 4 unum petii a do-
mino, hoc requiram in das unverständliche unam petii
a domino, hanc requiram umgeformt hätte, wo er die
gotischen Priester doch zu belehren weiß: non debemus
sie verbum de verbo exprimere, ut, dum syllabam sequi-
mur, perdamus intellegentiam (Ep. 106,29)? Wer wird
glauben, daß ein Hieronymus, der das Ps. iuxta Hebraeos
gefertigt, später noch in Ps. 13 (14) ein umfangreiches
Stück aus dem Römerbrief nach dem Koinetext
der LXX im Wortlaut des Ps. Romanum unter Obelus
stehen gelassen habe, wo er sich um das Jahr 410 doch
in der Vorrede zum 16. Buch des Isaiaskommentars (M.
24, 547) sehr wohl fähig zeigt, den Tatbestand richtig zu
beurteilen? Unter „erheblichem Fortschritt", den nach
A. das Ps. Gall. über das Ps. iuxta Hebraeos hinaus bedeuten
soll, stellt man sich jedenfalls etwas anderes vor.
Bonn Heinrich Vogels

Kalt, Prof. Dr. Edmund: Werkbuch der Bibel. Erster Band: Das
Alte Testament. Freiburg i. Br.: Herder 1941. (XVI, 583 S., mit

86 Tafelabb. u. entsprechenden Erklärgn. als Beilage) 8°.

RM 9.80; geb. RM 11.80.
Das Werk tritt als völlige Neubearbeitung an die

! Stelle einer sonst notwendig gewordenen Neuauflage (9.)
des „Handbuchs der Biblischen Geschichte" von Schuster
-Holzammer (1. Aufl. 1861). Es ist für die Hand
des Theologen und des kundigeren „Laien" bestimmt
und stellt insofern einen auch für den Protestanten beachtenswerten
Beitrag zu der katholischen Bibelbewegung
unserer Tage dar. Dem Bedürfnis des Theologen will es
dadurch dienen, daß hier eine Art Kurzkommentar zum gesamten
Alten Testament versucht wird. Die Darstellung

I nimmt aber auf die Erfordernisse heutiger katholischer
Bibelarbeit dauernd Rücksicht, vor allem durch Darbietung
reichlichen Materials zu Besprechungen und vertie-

' fenden Studien.

Der Aufbau — er ist selbstverständlich durch die

I katholische Fassung des Kanons bestimmt, steht aber
auch in ersichtlichen Zusammenhängen mit „Herders
Laien-Bibel" — ist dem teils mehr wissenschaftlichen,
teils mehr didaktisch-praktischen Zweck des Buches mit
sehr viel Geschick angepaßt. An der Spitze der Erörterung
steht für jedes Buch ein kurzer allgemeiner Ab-

| schnitt, der historische und systematische Grundgesichts-
punktt bringt. Dann folgt — in insgesamt 156 durchgezählten
Abteilungen — eine Darlegung des Textinhalts,
teils als Nacherzählung, durchweg aber als nachberichtender
Kommentar gefaßt. Hier merkt man auf Schritt und
Tritt die sorgfältige Arbeit des gelehrten Exegeten, des-

; sen Augenmerk sich mit besonderer Liebe den archäologi-

j sehen, topographischen und umweltgeschichtlichen Fragen
zuwendet, freilich ohne daß man ihm in den Ergeb-

j nissen allgemein wird beistimmen können. Zu den einzelnen
Abteilungen werden alsdann Darlegungen geboten,

| die das Nachdenken weiterführen und die Beziehung des
Textes zum Dogma der katholischen Kirche, aber in
gleichem Maße auch zu ihrem Kultus aufweisen wollen.
Die drei verschiedenen Darlegungsgruppen sind drucktechnisch
herausgehoben. Das Interesse des evangcli-
sch :n Theologen wird sich der dritten Gruppe in beson-

! derem Maße zuwenden, und der Exeget wie der Systematiker
wird hier sehr viel lernen können, er wird zu antworten
und zu fragen haben.

Die Darstellung ist trotz ihrer oft stark apologeti-

! sehen Färbung stets von vollendeter Sachlichkeit. Bezugnahmen
auf interkonfessionelle Streitfragen sind äus-

! serst selten und nie aufdringlich. Die zeitgenössische

l evangelische Arbeit am Alten Testament ist oft mit ver-

i wertet, aber fast ausnahmslos nur da, wo der Verfasser
ihren Ergebnissen zustimmt. Die literarkritische For-

j schung wird im Ergebnis nahezu vollständig abgelehnt
und dementsprechend bei der positiv-darstellenden Auf-

I gabenstellung nur selten erwähnt. Auch die religionsgeschichtliche
Forschung bleibt fast unerwähnt.

Das Gesamtbild, das der Verfasser entwirft, ist na-

j turgemäß durch die katholische Fassung der Inspirationslehre
mit ihren lehrgesetzlich festgelegten literarhistorischen
Folgerungen bestimmt (der Pentateuch ein
Werk des Mose, Ablehnung eines üeuterojesaja usw.).
Die Kluft, die den Verfasser hier auch von der vorsichtigsten
evangelischen Forschung der Gegenwart trennt,
wird einem gerade angesichts dieses sorgfältigen, von

I solider Gelehrsamkeit im einzelnen zeugenden Werkes

j besonders hart zum Bewußtsein kommen; sie ist, soweit
sich bis heute sehen läßt, schier unüberbrückbar. Auch
über die typologischen Deutungen, die vorsichtig und
sparsam, aber im Grundsatz entschieden vorgetragen
werden, ist eine Gemeinsamkeit nicht zu erzielen. Leich-

| ter wird es sein, von evangelischer Theologie her in das

I heilsgeschichtliche Schema einzudringen, in das Kalt die
„geschichtlichen" Bücher des Alten Testaments mit
großer Umsicht und mit geschliffenen Formulierungen

j einordnet. Was dagegen fast völlig fehlt (bis auf ge-

j legentliche Andeutungen), ist eine grundsätzliche Wer-

j tung des Alten Testaments auf der Grundlage der bibli-