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Ausgabe:

1941

Spalte:

243-245

Autor/Hrsg.:

Hupfeld, Renatus

Titel/Untertitel:

Zwischen Ende und Beginn des Christentums? 1941

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243

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

244

Zwischen Ende und Beginn des Christentums?1

von Renatus Hupfeld, Heidelberg

Der Titel des Buchs will so verstanden werden, daß an}}k™ Philosophie und Christentum Sie hat zur Folge
Verfasser von der Voraussetzung ausgeht, daß die Epo- i gehabt, daß vor lauter Allgemeinsten, für die man
che der Geltung der Wahrheit des Christentums für die I Yef"""ft_ °der Autoritatsbeweise führte, der zentrale Geheutige
Welt im großen zu Ende ist (das wird im we- ' hualt des Evangeliums nicht mehr in Sicht kam Bei der
seitlichen unter dir Überschrift: „Asche" auseinanderge- christlichen Wahrheit im Sinn des N.T aber handelt es
setzt), daß sich aber in mancher Weise der Beginn einer | sicuh.um die Begegnung mit einer den Einzelnen in Entneuen
Wahrheit ankündigt, deren Grundlinien allerdings i f.c,?eidung stellenden und ihm Leben spendenden Wirk-
noch nicht deutlich zu umgrenzen sind; hier Wegweisung hchkeit, um eine Begegnung nicht auf dem Felde der
zu geben, damit nicht auf brüchigem Grunde gearbeitet j Vernunft sondern des Willens und Gewissens d h des
wird, ist sein Anliegen. Der Kritik der unzureichenden ! personlichen Lebens. Und diese Wirklichkeit offenbart
Versuche ist der zweite Abschnitt: „Strohfeuer" gewid- ! s'ch nicht als glanzvolle Machtherrlichkeit, sondern im
met, dem Aufbau des Neuen die beiden Abschnitte: j Gegenteil als äußerliche Ohnmacht, d. h im Kreuz und
„Flammen" und „Das stille Leuchten". de™ darin sich wirklich erweisenden Gericht und der sich
.... ..... c • . . . . dann anbietenden Gnade. Aber von dieser Beziehung auf

Ich mochte, ehe ich die Fragezeichen, zu denen ich : den eigentlichen christlichen Inhalt ist bei H. wenig zu

mich gezwungen sehe mache, zunächst zum Ausdruck ; charakteristisch ist z. B., daß er die christliche

bringen, daß der Geist der durch das Buch weht außer- , dleichheit aller Menschen vor Gott auf die „christliche"

ordentlich ansprechend ist: es ist ein Geist absoluter . Lenre von der Unsterblichkeit aller Menschen zurück-

Ehrl.chke.t und Sauberkeit Das zeigt sich nicht nur da- : fünrt Von dieser Begründung ist aber in der Bibel über-

rin, daß er alle oberflächlichen Parolen mit Scharfe ab- ! h t nicht die Redes Die Gleichheit wird nicht psycho-

weist: so wie er den Christen die Flucht in das Martyrium, , , . antropologisch begründet, sondern lediglich

von dem man einen neuen Aufschwung erhofft, abschnei- | d(frch die allen' offenstehende Christusbeziehung, die tat-

det, so rechnet er nicht minder mit all denen scharf ab,
die nur allzu leicht mit der Absage an das Christentum
fertig werden. Die innere Leere all der religiösen Neubildungsversuche
auf dem Boden der sog. Glaubensbewe-
gung wird dabei genau so kräftig aufs Korn genommen,
wie das hohle Pathos einer „harten Männlichkeit", die
sich ihrer Liebeleere rühmt oder auch die Einfachheit,
mit der manche meinen, auf dem Wege einer „Selbst

sächlich die schöpfungsmäßig gesetzte Ungleichheit der
Menschen auf völkischem oder sozialem Gebiet nicht aufhebt
. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele spielt
aber auch bei H. an andern Stellen eine entscheidende
Rolle, z. B. auch da, wo er von der christlichen „Verharmlosung
" des Todes spricht. Zweifellos hat im katholischen
Dogma der griechische Unsterblichkeitsglaube
stark nachgewirkt und hat dann auch später vor allem im

entsuhnung" mit der Schuld des Lebens fertig werden zu Bewußtsein der rationalistisch beeinflußten Menschheit,
können. Wir haben im Verfasser einen scharfsinnigen für die ■ die Unsterblichkeit zu den Grunddogmen ge-
Krit.ker der Gegenwartsstromungen vor uns, auf dessen hört auch jene jeden Lebens. und Todesernst verharm-
Stimme zu horchen aller Anlaß besteht. j losende Wirkung gehabt, gegen die Verfasser mit Recht
Die Frage ist nur, ob seine Sicht befriedigt. Zweifel- Sturm läuft. Aber auch hier geht die Bibel (und auch
los wird man sagen müssen, daß seine Beobachtung, daß ; die Reformation) einen völlig anderen Weg. Ihr ist der
die christliche Wahrheitswelt in einem katastrophalen Jod eine Gericht bedeutende Antwort Gottes auf den
Verfall ihres Geltungsbereichs begriffen ist, richtig ist. lediglich sich an das Lebenbegehren klammernden
Aber es ist eigentlich erstaunlich, daß der Verfasser nicht menschlichen Ichwillen. Jede andere Haltung dem Tode
sieht, daß er, indem er aus diesem Tatbestand die Folge- gegenüber, auch die heroische, erscheint von da aus als
rung des „Endes" der christlichen Geltung überhaupt Verharmlosung. Andrerseits aber wird gerade durch die
sieht, von einem ganz äußerlichen Begriff der Geltung christliche Auffassung des Todes auf das Leben selbst
ausgeht, nämlich von der Macht, die sie über die Men- (und zwar mit wirklicher Begründung) eine ungeheure
sehen ausübt. Wenn es richtig ist, daß die Botschaft kei- Verantwortung gelegt. — Leider ist es bei H. so, daß er
nen Glauben mehr findet, muß das notwendig gegen die scheinbar von der biblisch-reformatorischen Linie des
Botschaft sprechen? Könnte das nicht doch darin seinen christlichen Glaubens nur wenig Ahnung hat. Luther
Grund haben, daß in einem ganz unerhörten Maße ober- kennt er fast nur als den Zerstörer der sichtbaren Kirche,
flächlich machende Gewalten mächtig geworden sind, die das Evangelium selbst kommt kaum in Blickweite. Wenn
die heutige Menschheit für das Sehen der Wahrheit un- , man den Versuch machen wollte, aus den Andeutungen
fähig machen? Ist wirklich „Erfolg" oder „Erfolglosig- j des Verfassers zu rekonstruieren, was ihm etwa Christen-
keit" ein Argument? Aber die Gegenfrage muß noch tum ist, so würde man kaum hinauskommen über einige
schärfer gestellt werden: Ist das Bild der christlichen allgemeine Sätze über einen geist- und wissensfeind-
Wahrheit, das H. zeichnet, wirklich zutreffend? Vermut- liehen, leibbekämpfenden, die irdischen Ordnungen rela-
lich hängen manche Sehfehler des Verf. damit zusammen, J tivierenden Jenseits- und Unsterblichkeitsglauben, der
daß er vom Katholizismus herkommt, d. h. im Grunde l sich ethisch als „Eudämonismus" auswirkt, d. h. den
nicht vom biblischen Evangelium, sondern von den Lehr- Menschen durch Furcht vor der Hölle oder durch Aussätzen
der Scholastik. Formal wollte die Scholastik in sieht auf die Seligkeit, die es zu verdienen gilt, zu be-
der Tat den allgemeinen Geltungsanspruch der christ- stimmen sucht. Daß damit aber das Wesen des Evangelichen
Wahrheit begründen und wollte damit den Welt- liums in keiner Weise getroffen wird, liegt für jeden
machtsanspruch der katholischen Kirche geistig unter- Tieferblickenden auf der Hand.

bauen. Versteht man so überhaupt den Sinn des christ- Weniger kann man es dem Verf. zum Vorwurf malichen
Wahrheitsanspruchs, nämlich im Sinn des macht- [ dien, daß das Bild der neuen kommenden Wahrheit für
vollen Geltungsanspruchs, dann ist natürlich die Tatsache i den nichtchristlichen Menschen der Zukunft nicht sehr
des Nachlassens dieser Geltungsmacht ein Gegenargu- konkret umrissen ist. In dieser Hinsicht legt sich der

ment. Aber wird damit wirklich der Sinn des echten
christlichen Wahrheitsanspruchs getroffen? Die scholastische
Kombination entstammt der Synthese zwischen

Verf. absichtlich Zurückhaltung auf, weil es sich ja um
etwas handelt, was erst im Kommen begriffen ist. Immerhin
macht er einige Andeutungen. Er hebt etwa als
Grundzüge der neuen „Gläubigkeit" die leidenschaftliche
l) Hieroniml, Martin: Zwischen Ende und Beginn. Frank- j Bejahung der natürlichen Volksordnung, die tapfere Hinfurt
a. M.: Moritz Diesterweg 1940. (vil, Hl s.) 8". RM 2.70. ' gäbe dafür, ferner die Gestaltung des Lebens in „An-