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Ausgabe:

1941 Nr. 12

Spalte:

10-11

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lyngby, Helge

Titel/Untertitel:

Die Tempel der Fortuna und der Mater Matuta am Forum Boarium in Rom 1941

Rezensent:

Herter, Hans

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g Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 12 10

Phänomenen zuzuordnen und in ihrer religiösen Ge- meinerseits wiederholt hingewiesen habe. v. K. zieht
bundenheit sichtbar zu machen. Das Hauptverdienst eine klare Scheidelinie zwischen dem Sippen- und
seiner Arbeit dürfte darin bestehen, daß er eine klare | dem Stammesfrieden. Abweichend von der allgemein
Scheidung zwischen den blutsgebundenen und den auf i herrschenden rechtsgeschichtlichen Auffassung bestimmt
willensmäßigem Zusammenschluß beruhenden Gemein- er den „Frieden" der politischen Gemeinschaft nicht als
Schaftsformen durchführt und diese auf das religiöse ! Zustand einer ungebrochenen Rechtsordnung, sondern
Gebiet überträgt. Der Aufbau des Buches ist bestimmt als die religiöse Grundlage dieses Zustandes (er kann
durch die drei großen Gruppen: Sippe (als die ver- daher durch Sippenfehden nicht aufgehoben werden),
wandtschaftliche, also bluts- und gefühlsmäßig ver- Eingehend werden die Zusammenhänge zwischen Thing
buudene Gemeinschaftsform), Bund (als die alters- (als dem Organ des Stammeslebens) und Kult behandelt,
klassenmäßige Bindung) und Stamm (als die poli- und aus dem religiösen Charakter des Thingfriedens, der
tisch wirksame Einheit). Im ersten Abschnitt (die sich ebenso wie der Heerfriede letztlich aus dem Stam-
Sippe) werden die religiösen Formen der Eheschließung, tnesfrieden ableitet, der Schluß gezogen, daß der Stamm
ferner Wasserweihe und Namensgebung des Kindes, die i „ei'ne durch den Frieden mit der Gottheit verbundene
Totenklage, Erbmahl, Toten- und Ahnenkult, Ahnengrab Gemeinschaft derer ist, die für sie kämpfen können'-,
und Blutrache behandelt. Die Religion der Sippe sieht Mag diese Formel überspitzt erscheinen, so liegt ihr
Vf. durch den Glauben an die fortdauernde Zugehörig- doch eine Erkenntnis zugrunde, die für die germanische
keit der Toten zu ihr bestimmt. Totenpflegc in ihren ver- Religionsgeschichte von grundsätzlichem Wert ist: düe
schiedenen Formen einschließlich der Blutrache wird als Bindung des Stammes an die Kultgottheit. Im Zusam-
Auswirkung der Beistandspflicht der Verwandten er- menliang mit der Stammesreligiosität behandelt der Verf.
kannt. Grab und Haus (Herd) sind die Stätten sip- ; auch die sakralen Züge des germanischen Königtums,
pischen Totenkults. Stärker und überzeugender als es zieht aber von diesem auch eine Verbindung zur Sippeu-
bisher geschehen ist, wird die Bedeutung des Ahnen- religion, indem er den göttlichen Ahnen des Königsge-
grabes als Kultort herausgearbeitet. Wenn v. K. aller- schlechts aus einem Zusammenschluß von Ahnen- und
dings in diesem Zusammenhang als Beleg für die Bin- ; Götterkult erklärt. Die Verknüpfung von HerrsehertiMi
dung der Sippe an die Ahnen unter Hinweis auf zwei und Thinghügel (Ahnengrab) sieht er durch die Stellung
Steifen der Landnamabok angibt, daß nach Island aus- ; des Königs als Vorstehers der glüickhaftesten Sippe bewandernde
Norweger „Erde vom Grabe der Ahnen mit- ' dingt. Wenn man dem im allgemeinen zustimmen kann,
nahmen" (S. 131), so beruht das auf einem Irrtum; j so begibt sich der Verf. wieder auf das unsichere Gebiet
an beiden Stellen ist vielmehr von Tempelerde bezw. religionsgeschichtlicher Hypothesen, wenn er aus dem
Erde unter dem Altar die Rede. Auch die Verknüpfung : Umzug des Königs in Analogie zu gewissen Gottheits-
der Hochsitzsäulen mit dem Ahnenkult ist nach wie vor Umzügen eine Beziehung des Königtums zu Fruchtbar-
ungesichert. Das Eigentum bezieht von Kienle in den keitskulten herleitet. Beachtenswert ist dagegen der
sLp'pisch-religiösen Bereich ein mittels des Glücksbegriffs, Hinweis auf die enge Berührung der Rechtsformen mit
den er von lirönbech (zu unkritisch) übernimmt (Gut der Welt des Kults. Die strenge Förmlichkeit des Pro-
Ausdruck der Lebenskraft) und sucht von da aus sowohl zeßverfahrens, das sich innerhalb des gehaselten Thing-
die an die Stelle der Rache tretende Buße (als Mittel i gebietes abspielt, hat ihre Parallele in dem Waffengang,
zur Wiederherstellung der durch Kränkung und Tot- j der seinerseits im tiefsten Sinne eine kultische Handlung
schlag verminderten "Lebenskraft der Sippe) als auch ist; der Prozeß wird so als „Kampf mit religiösen
das Brautgeld in religiös-magischem Sinne zu deuten. ; Mitteln zur Wiederherstellung der Ehre" gefaßt. —
In der* starken Betonung des Totenkults geht der I Pfcs*r .kl"r/c Überblick erschöpft nicht den Reichtum
Verf zweifellos über das, was die Quellen sagen, hin- j "er Beziehungen, die der Verf. mit sicherer Beherrschung
aus ' Noch mehr als für den sippischen Bereich gilt 1 a,udl des iterariscben und ramschen Materials zwischen
das' für die im 2. Abschnitt behandelte Religion des i dein rechtlich-politischen und dem religiösen Bezirk aufBundes
Zwar lehnt v. K. mit wohltuender Sachlichkeit a«*t Gewiß ist das von ihm so entworfene Bild
die Hypothesen L. Weisers und Höflers über die Jüng- mancher Seite verbesserungs- und auch ergän/ungs-

lingsweihen und den primären kultischen Charakter der j bedürftig aberim ganzen hat doch diese stark ver-
germanischen Männerbünde ebenso wie die Deutung des j "^h'fs*fte Sei e der germanischen Religion durch seine
OdinsoDfers (Hav 138) im Sinne eines Initiationsritus Arbeit eme sehr eindrucksvolle Belebung und Berei-
mit den, Hinweis ab daß ein Zusammenhan- der cherung erfahren, für die sowohl die rechtsgeschichtli-
Weihungen mit den Bünden nicht erweisbar ist. (Wenn che. wie die religionsgeschichthche Forschung dankbar
sich der Vf. in diesem Zusammenhang gegen die Methode i sei» 'miß. Hervorzuheben ist die Klarheit des Aufbaus
wendet, aus ethnologischen Parallelen Schlüsse auf die "nd ller Darstellung, die das Buch auch dem weiteren
germanische Religion zu ziehen, so verdient diese War- : Krm der an der germanischen Kultur und Religion
nunc angesichts gewisser moderner Hypothesen ernst- Inte.ess.erten als Einführung in die germanische Gesellliche
Beachtung). Trotzdem schließt er sich Höfler in schaftslehrc empfiehlt.

der Auffassung des Totenkults weitgehend an. Obwohl Leipzig Walter Baetke

er selbst dessen einseitige Verwendung brauchtümlichen

Materials der nachgermanischen Zeit als methodisch un- Lyngby, Dr. Helee: Die Tempel der Fortuna und der Maler
zulässig rügt, stützt er die von ihm behauptete Verbin- Matula am Forum Boarium in Rom. Berlin - Ebering 1939
dung der bündischen Totenpflege mit Fruchtbarkeitskul- (XI, 58 S.) gr. 8« = Hist. Stud., hrsg. v. Dr. Oskar Rößler, h. 35s.'
ten sowie Odins Beziehungen zu diesen ausschließlich rm 3__'

auf solches Material und bestimmt den Charakter des ■ Die vorliegende von H. Andersson deutsch geformte
bündischen Odinsglaubens ganz in diesem Sinne. Diesem Arbeit basiert auf einer topographischen Untersuchung
Teil seiner Darstellung haftet denn auch am meisten die den runden und den rechteckigen Tempel an der
hypothetischer Charakter an. Die Einwände, die die Piazza Bocca della Veritä in Rom gemäß Ovid fast VI
Kritik gegen Höfler vorgebracht hat, treffen auch ihn. 477ff. 569 mit den Tempeln der Fortuna und der ivlater
Um so mehr Beachtung verdient das, was v. K- im 3. Matuta am Rindermarkt identifiziert. Lyngby sieht in
Teile über die Religion der politischen Gemeinschaft, den beiden Inhaberinnen einen engverbundenen Verein
des Stammes und seiner Untergliederungen, ausführt. ; einer jungfräulich-bräutlichen Göttin und einer matrona-
Indem er als die Basis der politischen Ordnung den ; len Ammengöttin und spricht aufgrund dessen ein ähn-
„Frieden" bezeichnet und dessen religiösen, auf kul- liebes Tempelpaar in Tivoli mit Hilfe der Statiusstelle
tischer Grundlage ruhenden Charakter betont, rückt er, Silv- I 3,64 ff. einer verwandten, von ihm rekonstruier-
von einem ganz andern Ausgangspunkt herkommend, ten Zweiheit zu, der Stadtnymphe Tiburs und der mit
Zusammenhänge ans Licht, auf deren Bedeutung ich der Mater Matuta geglichenen Albunea. Was er zum Be-