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Ausgabe:

1941

Spalte:

227-229

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Zur Frage von Taufe und Ordination, Amt und Sakrament 1941

Rezensent:

Asmussen, Hans Christian

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

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Mächtigkeit dieser streng gebundenen und gesammelten
Form.

Als Schwäche der Kriegsandachten Bezzels erscheint
von unserer heutigen theologischen Besinnung her der
oft allzu einfache Pragmatismus, durch den das politische
Geschehen des Krieges mit der Geschichte zwischen
Gott und Mensch, Gott und Volk in Gericht und
Gnade verknüpft wird. Es ist ein Unterschied, ob die
Predigt das Kriegsgeschehen als Aufruf zur Beichtfrage
, als Anlaß, sich auf die eigene Sünde und auf
Gottes Gericht zu besinnen, geltend macht oder ob sie
geradezu den Krieg, unbeschadet seiner politischen Gründe
, als Züchtigung für die Volkssünde hinstellt und zutiefst
aus Gottes Strafgerechtigkeit erklären will (z. B.
129. 170). Durfte der Prediger wirklich sagen, was Bez-
zel ausspricht: „Gott hat unser Volk bis auf diesen heutigen
Tag so reichlich begnadet und so mit Seinem Gesetz
und Evangelium gleichermaßen bedacht, daß wenn
es diese Geschichte recht durchlebt hätte, es für alle
Völker zum bleibenden Segen geworden und dem
Kriege gewiß entronnen wäre, der jetzt
durch die Lande zieht?" (177). Hier wird der
Eigengesetzlichkeit des weltlichen, insbes. des politischen
Geschehens nicht ihr Recht. Das gilt auch für die Verheißungen
, die Bezzel gelegentlich gibt. „In der Stunde,
in der wir . . . den Ernst seiner Gebote wieder in uns
aufnehmen, werden wir den Frieden für unser Volk beschleunigen
" (51). Hier macht sich gelegentlich eine alt-
testamentliche Kurzschlüssigkeit geltend, die nicht durch
das Feuer der theologia erweis gegangen ist und vor Luthers
Lehre von den zwei Reichen nicht besteht. Dahin
gehört es auch, wenn „das Eintreffen des Friedefürsten"
(53) als das genannt wird, was die Entscheidung des
Krieges bringt, oder wenn an die Bekehrung unseres
Volkes zu Jesus Christus die Zusage geknüpft wird: „So
wird auch die Hand Gottes unsere Feinde in einem Nu
zerstreuen . . . wird auch über den neuesten Feind triumphieren
" (107 f.), — es handelt sich dabei um Italiens
Eintritt in den Krieg, Mai 1915. Aber diese Trübungen
der Verkündigung bleiben doch vereinzelt und am Rande.
Sie stellen, aufs Ganze gesehen, die evangelische Klarheit
der begnadeten Gebetsstunden Hermann Bezzels,
ihre Vorbildlichkeit und Mächtigkeit auch für unsere
Zeit nicht in Frage.
Erlangen Paul Althaus

Kirche und Amt I. Zur Frage von Taufe und Ordination, Amt und
Sakrament. Theologische Aufsätze von H. Braun, F. Schröter, H.
Bernau u. E. Wolf. München: Ev. Vlg. Albert Lempp [1940]
(102 S.) 8° = Beitr. z. Evangel. Theologie Bd. 2. RM 2.80.
Es muß als dankenswert bezeichnet werden, daß es
in dieser Schrift unternommen wird, in der bewegten
Gegenwart zu Lebensfragen der Kirche Stellung zu nehmen
. Die Schrift enthält vier Beiträge:

1. Braun: Die Begrenzung und die Offenheil der Kirche nach
CA VII und VIII.

2. F. Schröter: Taufe und Kindertaufe in den lutherischen Bekenntnisschriften
.

3. Bernau: Die Bedeutung der Ordination nach den lutherischen
Bekenntnisschriften.

4. Wolf: Zur Verwaltung der Sakramente nach Luther und den
lutherischen Bekenntnisschriften.

Die Verschiedenartigkeilt der Beiträge macht es
schwer, Einheitliches über sie zu sagen, und doch haben
sie mindestens im Formalen einen einheitlichen Zug:
Vergleicht man sie mit Arbeiten, die zur Zeit der lutherischen
Orthodoxie entstanden, dann unterscheiden sie sich
von diesen dadurch, daß überall da, wo die lutherische
Orthodoxie die Autorität der Schrift anruft, diese Beiträge
die lutherischen Bekenntnisschriften ins Feld führen
. Die Beiträge sind „Exegese" der Texte der Bekenntnisschriften
. Bernau spricht selbst von seiner „exegetisch
gegründeten Meinung" (pg. 70, Anm. 65) und
faßt dabei zweifellos eine Exegese der Bekenntnisschriften
ins Auge.

Diese methodische Einheitlichkeit der Beiträge hat
zweifellos eine inhaltliche Bedeutung. Wenn man

| der Überzeugung ist, daß die Bekenntnisschriiften niemals
j mehr sein dürfen als die norma normata, und daß ihre
! autoritative Verwendung immer nur unter Deckung durch
die Hl. Schrift erfolgen darf, dann erschrickt man, wenn
man sieht, wie unkritisch hier die Bekenntnisschriften
um ihre Auskunft angegangen werden. Es soll garnicht
bestritten werden, daß man in einer Reihe von Themen
— allerdings sind deren nicht annähernd so viele wie
, hinsichtlich der Hl. Schrift — an die Bekenntnisschrif-
J ten die Frage richten kann: Was sagt ihr über diesen
j Gegenstand? Aber wenn man dann die Antwort für die
( Gegenwart verbindlich sagen will, also nicht nur eine
I historische Feststellung treffen will, dann kann man auf
eine Prüfung des Ergebnisses an der Heiligen Schrift
nicht verzichten. Leider verzichtet die vorliegende Schrift
I durchgehendst darauf. Man ist geneigt, diesen Verzicht
als gewollt anzusehen. Will etwa eine neue Tradition
werden? Soll es fortan in der lutherischen Kirche eine
J theologische Arbeit geben, die von dem Dogma ausgeht,
„natürlich" seien die Bekenntnisschriften schriftgemäß.
I Dem könnte doch wohl niemand seine Hand leihen, der
I sich an die Bekenntnisschriften gebunden weiß! Übersieht
man nämlich den für die Bekenntnisschriften grund-
l legenden Tatbestand, daß sie immer im Wetter der Prü-
I funig durch die Schrift gefunden werden wollen, dann
verfällt man mit innerer Notwendigkeit theologischen
Krampfzuständen. Man muß dann schon, um diese unechte
Situation aufrecht zu erhalten, darüber hinwegsehen
wollen, daß die verschiedenen Bekenntnisschriften
verschiedenen Gelegenheiten ihre Existenz verdanken,
und daß es also unvermeidlich ist, daß in ihnen Äußerungen
gefunden werden, die sich in dem Augenblick
widersprechen, wo man sie absolut nimmt. Bernau sagt
(pg. 70, Anm. 65): „— daß die Bekenntnisschriften als
certa forma doctrinae e verbo Dei desuinpta — sich finden
müssen (sie!) in einem oonsensus de doctrina evan-
gelii". So darf man nach meiner Erkenntnis nur von der
Heiligen Schrift reden, und das ist die Sorge, die mich
gegenüber den Beiträgen durchgehendist nicht losläßt:
Wird hier nicht das Bekenntnis zur Schrift?

Innerhalb dieser allgemeinen Grenzen ist zu sagen:

1) Der Beitrag „Begrenzung und Offenheit der Kirche
" (Braun) macht jedem Leser viele Freude, der die
gegenwärtigen Aufgaben der Kirche bewußt auf sich
nimmt und auf ihre Beantwortung eben durch die Kirche
in ihrem Lehren und Handeln sehnsüchtig wartet. Einzelheiten
, die man als Kurzschlüsse ansieht, nimmt man
gerne mit in Kauf um der Fragen willen, die der Verfasser
aufwirft.

2) Der Beitrag „Taufe und Kindertaufe" (Schröter)
überrascht, weil der Verfasser nicht zaudert, im Unterschied
von den anderen Verfassern Fragezeichen hinter
grundlegende Sätze der lutherischen Bekenntnisschriften
zu machen. So legt er im Rahmen des Ganzen eine erfreuliche
Freiheit an den Tag. Die Ablehnung der Kindertaufe
, die ich in diesem Beitrage finde, halte ich nicht
für biblisch. Dennoch will es mir gut scheinen, daß
hier einmal ganz unkritisch das Bewußte als Voraussetzung
der Taufe ausgesprochen wird. So macht nämlich
der Verfasser, wenn auch ungewollt, sichtbar, wie
stark sein Denken im Humanen wurzelt. Der Theologe
nämlich, der unter allen Umständeen die geistige Situation
der letzten vier Jahrhunderte aufrechterhalten will,
kann das nie anders tun, als daß er das Humane mit
dem Biblischen verwechselt oder vermischt. Der Platz
würde nicht ausreichen, um Ansätze solcher Verwechslungen
an anderen Stellen auch in den anderen Beiträgen
nachzuweisen.

3) Dem Beitrag von Bernau kann ich nicht voll gerecht
werden. Ich danke dem Verfasser für die eingestreuten
lateinischen Zitate. Diese geben nämlich uns
Laien die beruhigende Gewißheit, immer wieder auf
solche Partien zu stoßen, denen wir leichter folgen
können. Die deutschsprachigen Partien des Beitrags
maße ich mir nicht an, im einzelnen zu exegisieren. Ich
spreche aber den Wunsch aus, die Theologen möchten