Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1941

Spalte:

220-221

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Der Katholizismus der Zukunft 1941

Rezensent:

Stäglich, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

219

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

220

als Wirklichkeits- und Wahrheitserlebnis führt er zum
Bekenntnis. Da er aus dem Worte kommt und nicht
umgekehrt, war Hamaek berechtigt, die „Verordnung
der Wahrheit vor dem Bekenntnis aus der Vorhandenheit
des Schriftwortes" zu behaupten. Er hat dabei den
Satz verteidigt, daß nicht das Symbol den Glauben, sondern
der Glaube das Symbol macht. Wenn der Vf.
(S. 280) daraus den Schluß zieht, daß der Glaube über
das Medium der heiligen Schrift hinausschreitet und es
weit hinter sich läßt, so deutet er den Harnack'schen
Satz nicht richtig. In diesen Zusammenhang reiht sich
der bei der Kritik Marheinekes betonte Gedanke Karowskis
ein, daß ein echtes Bekenntnis nicht ohne die
voraufgegangene Erkenntnis sein kann, wie denn auch
die umgekehrte Weise die Erkenntnis einer Sache die
Tendenz in sich hat, daß der sie Erkennende sich zu
ihrem Erkenntnisgehalt bekenne, d. h. diesen vor anderen
als den seinen bekannt macht. Damit taucht die Frage
auf, ob das individuelle Bekenntnis genügt, ob dieses
nicht durch das Bekenntnis der Gemeinschaft, das allgemeine
Bekenntnis bereichert oder berichtigt werden
muß, eine Frage, die von einigen Autoren angeschnitten
wird. Es wird die Aufgabe des Vf.s sein zu zeigen,
inwiefern das allgemeine, formulierte Bekenntnis mit
dem Bestand und dem Leben der Kirche zusammenhängt.
Er weiß ja, daß „das Glaubensbekenntnis die Mächtigkeit
des innersten Lebens einer Kirchengemeinde anzeigen
kann" (206), eine Erkenntnis, in der er vollständig
mit R. A. Lipsius übereinstimmt. Dem letzteren rechnet
es K. als besonderes Verdienst an, die religiöse
Normativität der Bekenntnisschriften, im Unterschied
von der dogmatischen, und die fundamentale Bedeutung
des Glaubens hervorgehoben haben.

Hinsichtlich des Problemabschnittes: Bekenntnis
und Kirche findet K. einen verheißungsvollen Ansatz
bei Stamm, der die Bedeutung des Bekenntnisses aus
Wesen und Begriff des kirchlichen Organismus ableiten
will. „Das Wesen der Organisierung, an deren Ende der
Organismus steht, ist, daß die von allen gemeinsam erkannten
Anschauungen als bestimmende Norm betrachtet
werden, deren Aufrechterhaltung in die Hände einer
von dem Vertrauen der Gesamtheit getragenen Regierung
als Organ der Gemeinschaft gelegt wird." Dieser
höchst beachtliche Ansatzpunkt ist aber nicht theologisch
ausgewertet worden. Seyler, der die Ideen der Organisierung
von Stamm herü.bergenommen hatte, konnte
der Aufgabe, im zu Bekennenden die gemeinsame Übereinstimmung
mit dem Erkannten auszudrücken, nicht
gerecht werden; dagegen meldet sich bei ihm die Frage
nach der Beziehung von Bekenntnis und Ethos.
Da aber das Bekenntnis eng an die Erkenntnis gekoppelt
ist, will der Verfasser später dem Verhältnis zwischen
Erkenntnis, Bekenntnis und Handlung nachforschen. Haben
die von ihm genannten Autoren die Organismus-
idee in ihrer Verknüpfung mit dem Bekenntnis nicht befriedigend
ausgewertet, wird der Vf. sich an den klassischen
Organismus gedanken Schleiermachers orientieren
müssen, die er merkwürdigerweise nicht erwähnt.
Er rühmt nur an Schleiermacher, daß er als Protestant
die Gefahr einer inneren katholisierenden Tendenz in
der Überschätzung der Bekenntnisschriften gesehen hat.

Im Vordergrund des Interesses steht für Karowski die Frage nacli
den Beziehungen zwischen Bekenntnis und Weltanschauung
. „Trede hat sie erst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
aus der Taufe gehoben." (Ich mache darauf aufmerksam, daß bereits
vor Trede Friedrich Nitzsch in seinem „Grundriß der Dogmengeschichte
" die These aufgestellt hat, das Apostolikum schließe
eine ganze Weltanschauung in sich, die im geraden Gegensatz
steht zu dem moralistischen Subjektivismus der hochgebildeten
Heidenwelt.) Nach Trede hat die „Bekenntniskirche" (dieser Ausdruck
begegnet bei Trede zum ersten Mal) gegen die antichristliche Weltanschauung
eine Bekenntnismauer aufzurichten. Diese negativistische
Stellungnahme genügt aber Karowski nicht. „Weltbilddaten, wie
Rasse, Volk und Führungsindividualität", wollen nicht mit negativen
Denkformen gemessen werden. Das Bekenntnis muß über die Negation
hinaus einen Zugang zu seinen neuen Tatsachen finden und sich
zu ihnen bejahend bekennen." 288f.Bereits 1843 hat Rupp, wie

K. feststellt, die Rassenidee theologie- und geistesgeschichtlich frucht-
i bar zu machen versucht. Darum wendet sich K. gegen die „enge

Auffassung" Marheinekes, der das Verhältnis von Staat und Kirche
[ nur durch das Glaubensbekenntnis bestimmt sehen will. „Die Verant-
I wortung der Kirche verlangt vielmehr in den unabsehbaren Ereignissen

der jeweiligen Gegenwart oft ganz andere Entscheidungen, als wie
j sie in den Symbolen formbar waren.. Allerdings muß das Handeln
| der Kirche seine inhaltliche Bestimmtheit und Ausrichtung an dem
i Geist des Glaubensbekenntnisses erhalten. Dazu aber wird es sich
, das „Wie" der Aussage durch die Fragestellung der Gegenwart vor-
j schreiben lassen."

Es bleibt Karowskis Verdienst, das Bekenntnispro-
; blem von neuem aufgerollt zu haben. Möge es ihm be-
i schieden sein, nach Abschluß der problemgeschichtlichien
1 Analysen eine allseitige systematische Würdigung zu
i geben. Die Treffsicherheit, mit der er das Problem an

seiner Wurzel faßt, sowie sein scharfsinniges Urteil

rechtfertigen die Hoffnung, daß er die Ansätze, die er
; aus der Geschichte herausgreift, entwickeln und in den

Zusammenhang mit der „gelebten Geschichte" bringen

wird.

Wien J, B o h a t e c

Der Katholizismus der Zukunft. Aufbau und kritische Abwehr.
Von katholischen Theologen und Laien. Hrsg. von Hennann Mulert.
Leipzig: Leopold Klotz 1940. (152 S.) gr. 8°. RM 3.60.

Im Jahr 1937 erschien, herausgegeben von Mensch
! ng, das Buch „Der Katholizismus, sein Stirb und
i Werde", in dem eine Reihe von katholischen Gelehrten
, die aber alle in ihrer Kirche bleiben wollen, ihre
J Kritik an der katholischen Kirche und ihre Wünsche
zu einer Reform derselben ausgesprochen haben. Das
i Buch hat weithin großes Aufsehen erregt und ein man-
I nigfaltiges Echo geweckt. Von evangelischer Seite ist
es sehr anerkennend beurteilt worden. Viele katholische
i Laien haben begeistert zugestimmt. Von offizieller katho-
j lischer Seite dagegen ist es energisch und scharf abgelehnt
und auf den Index gesetzt worden. Die katholische
Zeitschrift „Theologie und Glaube" hat sich in
einem besonderen Heft mit ihm auseinandergesetzt. Pa-
derborner Theologen haben eine ganze Reihe von Auf-
j Sätzen zu den einzelnen Fragen veröffentlicht. Professor
! Adam gab in der „Theologischen Quartalsschrift" eine
eingehende Kritik. Von jesuitischer Seite haben drei Gelehrte
, Rahner, Köster und Hoffmann, scharf dagegen
Stellung genommen. Nur Rademacher hat verhältnismäßig
freundlich das Buch besprochen, bezeichnenderweise
in der von Heiler geleiteten Zeitschrift „Eine hei-
1 lige Kirche".

Das vorliegende Buch ist eine Auseinandersetzung
mit all diesen Kritikern und eine nochmalige Ausführung
I der Grundgedanken, welche die Verfasser beseelen. Es
zerfällt in einen aufbauenden und in einen kritischen
Teil. Der letztere, die Antwort auf die Kritik der eben
genannten Theologen, ist gut. Er zeigt, daß die Kritik
nicht das Wesentliche trifft und sich oft in Wortspal-
tereien verliert, ohne die Sache selbst zu klären. Der
aufbauende Teil bietet gegenüber dem ersten Buch nichts
wesentlich Neues. Gegenüber dem Dogmatismus, Sakramentalismus
, Moralismus und Intellektualismus wird
auf Verinnerlichung des Christentums gedrungen. Das
schlichte Evangelium soll gepredigt werden. Der lebendige
Christus muß den Menschen gebracht werden, nicht
ein künstliches System vom Lehren und Riten. Hier
wehrt sich das fromme Herz gegen den äußern Panzer,
1 der um die Frömmigkeit gelegt ist und sie zu ersticken
droht. So kann man nur vielem zustimmen, was in
[ den einzelnen Aufsätzen gesagt ist. Aber auf der an-
| dem Seite tritt auch die Begrenztheit dieser Reformer
i entgegen. Sie sind klar in dem, was sie an der katholij-
j sehen Kirche auszusetzen haben, aber nicht ebenso in
dem, was sie positiv an die Stelle setzen wollen. Von
I der katholischen Kirche, wie sie sich dieselbe decken
, gewinnt man kein klares Bild. Die konkreten Forderungen
, die im 11. Kapitel gestellt werden z. B. gut
I qualifizierte Persönlichkeiten als Pfarrer und Bischöfe,
Altersgrenze für beide, Abschaffung des Zwangszölibets,