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Ausgabe:

1941

Spalte:

215-216

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Stephan, Horst

Titel/Untertitel:

Geschichte der evangelischen Theologie seit dem Deutschen Idealismus 1941

Rezensent:

Markgraf, Bruno

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215

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

eine horizontale und eine vertikale Dimension. Die horizontale
: Das Sein ist nur aufleuchtend im akthaft personalen
Verhalten als Selbst; die vertikale: Das Sein ist
Mitseinkönnen mit dem Sein Gottes. K. setzt der Högeischen
Formel: „reines Sein ist im reinen Denken" die
seine entgegen: reines Sein ist im personalen Verhalten
(S. 71). Dieses aber als Menschsein bedeutet Geist sein
und das heißt frei sein für die Erwirkbarkeit von Sein
(S. 85). Die Schwierigkeit, „die Idealität Gottes in das
faktische Sein des Menschen hineinzubringen" überwindet
K. durch den Hinweis auf Christus, in dem sich das
Ewige als etwas Geschichtliches bestimmt und der damit
allen Menschen das Mit-Sein-Können mit Gott er- !
möglichte (S. 95). Danach würde K- zu dem undenkbaren
Gedanken gelangen, daß Sein oder Nichtsein von
der Entscheidung abhängt, die ich minutlich in Freiheit
zu treffen habe; keine Entscheidung ist schon eine zum
Nichts hin (S. 126). Das Sein ist sowohl das „Ding an
sich" als auch das „Ich an sich", da es nur im personalen
Akt erwirkbar ist. Sein als „Ding an sich" und
„Ich an sich" sind identisch (S. 129). Da das Sein also
mit dem Sinn identisch ist, muß die Entscheidung beständig
wiederholt werden, was indes unmöglich ist. K.
sagt selbst: „Das Christliche zu tun ist Anstrengung,
eine Anstrengung, welche dem Todeskampf gleichkommt"
(S. 140). „Jeden Augenblick ausschließlich in der höchsten
christlichen Vorstellung zu leben, wäre ein Mensch
nicht imstande, so wenig er lediglich vom hl. Abendmahl
leben könnte" (S. 141). K. vollzieht also im Christlichen
eine Identifikation von Sinn und Sein: Sein ist nur, wo
Sinn ist. Die Umkehrung davon ist das Ästhetische,
dessen Grundexistentiale als Unmittelbarkeit, Stimmung,
Phantasie festgestellt werden. Von hieraus sucht Per-
peet die Frage nach einer Ästhetik der Gegenwart zu
lösen und gibt abschließend eine Existenzial-Ästhetik im
Grundriß und im Aufriß, auf die einzugehen der Raum
verbietet, zumal durch das vorstehende Referat klar geworden
sein dürfte, daß es sich bei Perpeets Arbeit um
ein esotherisches Buch für Adepten der Heideggerschen
Philosophie handelt.
Oöttingen E. Rolffs

Stephan, Prof. D. Horst: Geschichte der evangelischen Theologie

seit dem Deutschen Idealismus. Berlin: A. Töpelmann 1938. (XV,
343 S.l gr. 8° = Sammlung Töpelmann (Die Theologie im Abriß:
Bd. 9). RM 6.80; geb. 7.80.

Der Leipziger Dogmatiker und Kiirchenhistoriker unterbreitet
eine ausgereifte Lebensleisitung, den Ertrag
einer wissenschaftlichen Arbeit von langen Jahren. Das
Buch bedeutet aber auch ein außergewöhnliches Wagnis.
Ist es an sich schon ein schwieriges Unternehmen, gerade
eine Geschichte der Theologie zu schreiben, eines
Zweiges der theologischen Wissenschaft, der dauernd
die Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissenschaft
und Gemeindeleben im Auge behalten muß, so
erst recht, wenn sich die Darstellung bis in die jüngste
Zeit erstreckt und eine Periode erfaßt, in der sich die
wissenschaftliche Produktion außerordentlich wandelt,
differenziert, in Gegensätzen aufspaltet und in die Breite
ergießt. Außerdem mußte St. die Schwierigkeit überwinden
, für die Fülle der Erscheinungen einen inneren
Zusammenhang zu finden, einen leitenden Hauptgedanken
: Unbeirrbar in seinem Urteil und Gedankenfoirt-
schritt folgt St. den Begegnungen der evang. Theologie
mit der natürlichen Theologie und der natürlichen
Religion, das wirkt auf den Leser erleichternd
und wohltuend: er wird sicher geführt durch das Getriebe
der ineinander schlingenden Zeitströmungen, das
leicht verwirrend wirken kann.

Der junge Studierende, der sich durch die Fülle des
ebotenen Stoffes nicht abschrecken oder erdrücken läßt,
ann so reichen Gewinn haben; der Leser der älteren [
Generation sieht plötzlich Zusammenhänge in Selbsterlebtem
und Selbstgedachtem, die ihm noch nie entge- !
gengetreten waren. Jeder aber erhält eine zuverlässige |

Orientierung für die Dinge der letzten zwei Jahrhunderte
bis zur Gegenwart, für ihre Wandlungen, ihr Zusammenwirken
und ihr Auseinanderstreben.

Ein besonderer Vorzug: St. weiß große Vorgänge
meisterhaft kurz zu charakterisieren; z. B. „so vollzog
sich die Wendung von der dogmatischen Überlieferung
zur Bibel, von der Metaphysik zu Leben und Geschichte,
das bedeutete die weitere Ermächtigung einerseits des
deutschen Idealismus, anderseits der bloßen Repristiua-
tion in der Theologie" (S. 249). Gleicherweise versteht
es St. meisterhaft, Persönlichkeiten mit wenigen
scharfen Strichen zu zeichnen, wie er auch mit äußerst
feinem Gefühl den treibenden Motiven der Zeiten und
Richtungen nachspürt.

Die Beigabe von 25 trefflichen Bildern berühmter
Theologen ist ein neuer Gedanke, aber recht angenehm.
Verf. bietet auch darin etwas nicht gewöhnliches, daß er
seine Betrachtungen bis an die Schwelle der Gegenwart
führt. Er geht nicht vorbei an dem Problem Volkstum -
Religion, er geht auf das kurz zuvor erschienene umfängliche
Buch „Abendländische Entscheidung" von
Sauer ein.

Alles in allem: eine Tat, ein Wagnis! Man kann nur
wünschen, daß sie gebührend beachtet und benutzt wird.
Nur darf man nicht meinen, daß es hier mit Lesen getan
sei; Stephan will studiert sein!

Markkleeberg Markgraf

Karowski, Lic. Walter: Das Bekenntnis und seine Wertung.

Eine problemgeschichtliche Monographie. Bd. I: Vom 18. bis zum
20. Jahrhundert. Berlin: Verlag Dr. E. Ebering 1939. (308 S.) gr. 8»
= Histor. Stud. hrsg. von Dr. Oskar Rößler, Heft 355. RM 12—.

Die Schrift will eine prohlemgeschiehtliche Monographie
sein; das heißt: sie will „der Geschichte entlang
gehen, um die Weisen, die Motive und Ideen der Behandlung
des Problems, das uns heute besonders bewegt
", zu erfahren. „Das Ringen um die Wertung des
kirchlichen Bekenntnisses gehört ja zu den hervorragendsten
Zügen der modernen Auseinandersetzungen um
Christentum und deutschen Geist schlechthin", wie sie
„sich in den tausenderlei Fragestellungen von Christentum
und Staat, Christentum und Weltanschauung aussprechen
." Die darin zutage tretende rasch subjektive
Wertung pro und contra führt leicht zur Erstarrung
der Fronten; zu einer wahrhaften Begegnung und richtigen
Stellungnahme kann die Historie verhelfen. Das
Buch beginnt mit dem Stadium der Aufklärung des 18.
Jahrhunderts, die „nach der Trägheit der traditionellen
Auffassung" eine Menge Streitschriftenliteratur heraufzog
, und stellt die darauf folgenden Problemstadien bis
zum Beginn des 20. Jahrhunderts dar. Die kritische
Darstellung des Problems im 20. Jahrhundert mit seiner
daran sich anschließenden systematischen! Behandlung
soll im nächsten Band vorgetragen werden.

Der Vf. verfügt über eine staunenswerte Kenntnis des umfangreichen
Materials (vgl. das Verzeichnis S. 294 ff.; da hier der Verfasser
auch einige ausländische Autoren anführt, so härte er die seinerzeit
sehr lebhafte Diskussion über die Bekenntnisfrage in Holland erwähnen
sollen, die teilweise mit eigenartigen Ik-nkmitteln — es sei
nur an Abraham Kuypers Stellungnahme erinnert! — das Bekenntnisproblem
erörtert hatte), aus dem er die hervorragendsten Autoren
herausgreift. Dabei „spaltet er das Bekenntnisproblem auf", indem
er eine Bekenntnishochwertung, eine Bekenntnisabwertung und Bekenntnisindifferenz
unterscheidet und den diesbezüglichen Stoff chronologisch
und nach einzelnen Autoren gruppiert. Diese Methode hat
den Vorzug, daß folgenschwere Einschnitte in das Bekenntnisproblem
allseitig beleuchtet werden können. Das gilt namentlich von dem
Preußischen Religionsedikt vom 9. Juli 1788.

Hier hat der Vf. Wesentliches geleistet. Er weist nach, daß das
Edikt mit seiner ungewöhnlichen Überbetonung der Bedeutung der
symbolischen Bücher in seinem Kern eine stark pointierte Zurückfüh-
rung der Christengemeinde auf die Lehrbcgrifflichkeit der Bekcntitnis-
schriften darstellt, mit stärkster Bindung an alt überliefertes, orthodoxdogmatisches
Material im Sinne der Formula Concordiae (S. 65). Er
untersucht die Beziehungen zwischen dem Edikt und der „Abhandlung
von der Religion" Woellners und findet, im Gegensatz zu Philippsoij