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Ausgabe:

1941

Spalte:

188-189

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Brunner, Gottfried

Titel/Untertitel:

Der Nabuchodonosor des Buches Judith 1941

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

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mit ihrer von den vorausgehenden Heilsverkündigungen so verschiedenen
geistigen Atmosphäre schärfer angefaßt gesehen; auch die Über-
nähme der Deutung der Ebed-Jahve-Lieder auf den Propheten selber
mindert deren Schwächen nicht und wird dem Mysterienton dieser
Lieder nicht gerecht; eine Berücksichtigung der babylonischen Zeugnisse
vom büßenden und leidenden König, die leider ganz fehlt, hätte hier
weiter helfen können. Bei der Erörterung von Sach. 1—8 vermißt
man die Auseinandersetzung mit Prockschs Ausführungen, wie über- j
haupt dessen Erklärung der kleinen Propheten wegen ihres soliden I
theologischen Gehalts und ihrer originellen Lösungsversuche hätte ge- [
nannt werden sollen. Die Entfaltung des Hiobproblems gibt dem Vf. I
wieder Gelegenheit, eine präzise Analyse mit einer inneren Oesamtschau
dieser Bekenntnisdichtung zu verbinden, die der Bedeutung des.
hervorragenden altlest. Glaubenszeugnisses lebendigen Ausdruck zu geben
weiß. Vielleicht hätte die innere Verbindung dieses meist zu isoliert
gesehenen Ringens um die unmittelbare Beziehung zum lebendigen
Gott mit den früheren Glaubenszeugnissen speziell der Propheten noch
stärker zur Anschauung gebracht werden können.

Wenden wir uns von diesen Stichproben, die einen
Eindruck von der Eigenart des Buches vermitteln werden
, wenn sie auch die Fülle der hier gebotenen Anregungen
nur andeuten 'können-, zu dem Gesamtaufbau
des Werkes, so wiederholt sich hiter der Versuch von
Eißfeldt, die literaturgesicbichtlichen Erkenntnisse, die
eigentlich die Bindung an Reihenfolge und Gestalt der
jetzt vorliegenden alttest. Bücher unmöglich machen, mit
der herkömmlichen Analyse der alttest. Schriften so zu
verbinden, daß dieser letzteren 2 Abschnitte über die
Grundlagen und die vorliterarisehe Entwicklung (Formen
und Gattungen) der alttest. Literatur vorangestellt
werden, während die beiden Schlußteile die Sammlung
und Kanonisierung der heiligen Schriften und die Text-
geschichte behandeln. In der Darstellung der Gattungen
ist dabei mit Recht der erste Platz den poetischen Einheiten
eingeräumt, wodurch ungeschickte Vorausnahmen
und Wiederholungen vermieden werden, die bei umgekehrter
Anordnung unvermeidlich sind.

Der Verzicht auf eine gesonderte Behandlung der
literarischen Vorgeschichte der alttest. Bücher, wie sie
Eißfeldt bietet, hat den Vorzug der Vereinfachung, ist
aber gezwungen, die literaturgesichichtlichen Erfordernisse
noch stärker zu beschneiden. Auch sollte durch
häufigere Verweise vom einen zum anderen Teil für die
leichtere Auffindbarkeit der einander ergänzenden Ausführungen
über Rechtsliteratur, religiöse Lyrik u. s. w.
gesorgt werden, damit nicht der literatiirgeschichtliche
Abschnitt im der Luft stehen bleibt. Überhaupt aber legt
sich die Frage nahe, ob dieser doch nicht ganz befriedigende
Ausgleichsversuch verschiedener Prinzipien nicht
besser durch eine Darstellung der verschiedenen Literaturgattungen
(Lyrik, poetische Erzählung, Geschichtsliteratur
, Rechtsliteratur, prophetische Literatur, Weisheitsliteratur
) ersetzt würde, wobei die Analyse der alttest
. Bücher und ihrer literarischen Vorgeschichte meist
ganz von selber als Endergebnis der Gattungsgeschichte
den Schluß der einzelnen Abschnitte bilden würde. Es
wäre dadurch die Verbindung der Literatur mit dem
Volksleben und seiner Geschichte viel leichter anschaulich
zu machen und doch Zusammengehöriges beieinander
belassen, ohne die für den Studenten nun einmal unumgängliche
Kenntnis der heute vorliegenden alttest.
Bücher zu gefährden. Gerade so tüchtigen Leistungen
wie der vorliegenden Einleitung würde man es gönnen,
auf diesem Wege ihre Vorzüge ganz anders zur Geltung
bringen zu können als bei der Bindung an das altüberkommene
Schema.

Und eine zweite Frage hängt sich an das zu Anfang
angedeutete, überaus verdienstliche Bemühen des Vf.s,
das Kerygma der alttest. Schriften stärker zur Geltung
kommen zu lassen. Es will uns scheinen, daß er hier
doch auf halbem Wege stehen geblieben ist, nicht nur
in der sehr unterschiedlichen Ausformung dieses Bemühens
bei den einzelnen Büchern und Schriftstellern (vgl.
das oben über Dtn. und Priesterschrift Gesagte), sondern
vor allem in dem Schlußabschnitt des 2. Teils
§ 55: Das Alte Testament in der christlichen Kirche.
Es sollte in heutiger Zeit unmöglich sein, hier bei der

Frage des äußeren Umfangs des Kanons stehen zu bleiben
und mit 1643 zu schließen, während der Kampf um
die Kanonizität des Alten Testaments in der christlichen
Kirche tobt und schon in seinen Vorstadien sich in den
verschiedenen Phasen der Einleitungswissenschaft deutlich
genug abzeichnete. Hier hätten die da und dort vorhandenen
Linien ausgezeichnet werden müssen, und daß
der Vf. dieser Aufgabe nicht fremd und unberührt gegenübersteht
, hat er durch die tiefschürfenden Aufsätze
über „Glauben im Alten Testament" (Beer-Festschrift
1935) und „Die theologische Aufgabe der alttest. Wissenschaft
" (in Heft 66 der Beihefte zur Zeitschr. für die
alttest. Wissensch.) bewiesen. Man würde dann vermutlich
weniger oft auf das Verlegeniheitswort von der
„Vitalität" der Jahvereligion gestoßen sein, wo doch
ihre lebendige Gottesmacht gemeint ist (so mit Recht
S. 84), und die Ausschaltung so ernsthafter theologischer
Auslegung des Alten Testaments wie derjenigen
von Vischer, Frey, Abramowski u. a. wäre nicht mehr
möglich, dafür aber die vom Vf. selbst aufgestellte Forderung
einer Exegese des Alten Testaments in der Haltung
des Glaubens in konkreter Weise zur Geltung gebracht
.

Basel W. Eichrodt

Brunn er, Dr. Gottfried: Der Nabuchodonosor des Buches Judith
. Berlin: Rudolph Pfau 1940. (V, 236, 4 S.) gr. 8°. RM 6-.

Die vielerlei Rätsel, die das Judithbuch aufgibt, sucht
diese Schrift einer neuen Lösung zuzuführen. Brunner
erarbeitet in mühsamen und fleißigen Untersuchungen
die These, daß der Gebieter des Holofernes, der Nebu-
kadnezar des Judithbuchs jener armenische Usurpator
Arahu (Araka), Sohn des Haldita gewesen sei, der im
Jahre 521 einen bald mißlingenden Aufstand gegen
üarius I. in Dubala in Babylonien unternahm, der sich
als Sohn Naboneds ausgab und als König Nebukadne-
zar nannte (vgl. über ihn Ed. Meyer, GdA III2
[1937] 197; Reallex. der Assyriol. I [ 1932] 129
[Weißbach]). Nachdem Brunner zunächst über
„Die neueren Ansichten über die zeitliche Einordnung
der Judithgeschichte" referiert hat (Kap. 1) und einigermaßen
anfechtbare Thesen „Zur Entstehung des Buches
Judith" vorgetragen hat (Kap. 2: LXX und V repräsentieren
zwei „unabhängig voneinander veranstaltete Auszüge
aus einer ausführlicheren Geschichte, vielleicht einer
zeitgenössischen Chronik" [sie! S. 28]), sucht er in den
folgenden Kapiteln zu beweisen, daß die Judithgeschichte
in die persische Zeit falle, daß aber anderseits der Nebu-
kadnezar der Judithgeschichte kein persischer König
war; damit ist für Brunn er der tragende Unterbau
für die im Kapitel 5 folgende Hauptthese geschaffen:
„Der babylonische Prätendent Arakha ist der Nabuchodonosor
des Judithbuches". Erörterungen über den Feldzug
des Holofernes, — der schwächste Punkt der Arbeit
—, und den Nebukadnezar der Vorgeschichte (soll
heißen den N. des Kapitels 1 des Judithbuchs) und Betrachtungen
über die „weltgeschichtliche und heilsge-
schichtliche Bedeutung der Tat der Judith" machen den
Beschluß des Hauptteils, nachdem kurz über die Frage
makkabäischer Schichten im Judithbuch gehandelt ist.

Leider hat der Verf. große Mühe und nicht geringen
Scharfsinn am falschen Ort eingesetzt. Es liegt dies
zweifellos daran, daß er sich die literarische Struktur
und das traditionsgesichichtliche Problem des Judithbuches
nicht klar gemacht hat. So geht er am wesentlichsten
Punkt vorbei; denn nicht die Identifikation der Namen
oder Personen der Rahmenerzählungen des Judithbuchs
ist die Hauptaufgabe, wenn man die Entstehung
des Buches sich klar machen will, sondern die Erklärung
der Situation der eigentlich tragenden Handlung, der
Holofernes-Judith-Episode vor allem. Und dabei kommt
alles auf das richtige Verständnis der Vorgeschichte der
Erzählungsmotive und Traditionselemente in der Judithsage
an. Darüber hinaus ist gar kein Zweifel, daß die