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Ausgabe:

1940

Spalte:

182-183

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Briggs, George Weston

Titel/Untertitel:

Gorakhnāth and the Kānphata yogīs 1940

Rezensent:

Kirfel, Willibald

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8

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im Geiste erstehen zu lassen. Aus dem überlieferten
großartigen Glaubensgut, aus seinem persönlichen tiefreligiösen
Leben, aus einem gründlich geschulten wissenschaftlichen
Denken heraus, aus einem frommen Geöffnetsein
seiner Seele gegenüber dem Ewigkeitsgehalt
der göttlichen Offenbarung erwuchs Deutinger sein Werk
und die Kraft seiner Lehre. Fels gliedert seine Auswahl
in die Abschnitte: I. Gott; II. Religion, Glaube, Kirche;
III. Die Philosophie; IV. Die Kunst; V. Bilder des Geistes
. In der Wiedergabe hält er sich streng an die Schriften
Deutingers. Seine wohlausgewählte, sorgfältig abgewogene
Gliederung des mitgeteilten Stoffes läßt die
ungemein reiche Geistesgestalt Martin Deutingers lebendig
werden und zeigt zugleich dessen universal-geistige
Natur, die ihren Wesenskern in der Kraft Christi findet.
Ein Schlußabschnitt „Ernte und Erbe" bietet eine umfassende
chronologische Bibliographie von Martin Deutingers
Schrifttum und ferner von den Schriften, die zu
Deutingers schriftstellerischem Werk Stellung nehmen.
Schließlich wird in einem Schlußabschnitt „Verantwortung
vor dem Erbe" ausgeführt, in welcher Weise Deutingers
Geisteswelt dem heutigen Menschen erschlossen
und wahrhaft fruchtbar gemacht werden kann. Namenverzeichnis
und Sachregister vervollständigen Fels' vorzügliche
Arbeit, die vorbildlich geeignet ist, dem großen
katholischen Denker neue Freunde zuzuführen und den
alten Verehrern und Kennern viele Anregungen und neue
Perspektiven zu eröffnen.

Von der Welt systematisch-universaler Geistigkeit,
die sich breit und wirklichkeitsvoll entfaltet, in die Stille
und verantwortungstiefe Innerlichkeit der niederdeutschen
Mystik trägt uns alsdann der folgende Band der
Reihe: Joseph Kuckhoffs Einführung in Leben und
Werk des „Johannes von Ruysbrock". Ruysbrock
, von Thomas von Kempen als die „Geige des
heiligen Geistes" bezeichnet, entwickelte sich in der Zeit
schwerer politischer und kirchlicher Not (babylonisches
Exil der Kirche, Schwarmgeister) zu dem „Doctor ecsta-
ticus", als welcher er, zuletzt Prior des Augustinerklosters
Groenendal, seinen Zeitgenossen ein großer Trost
und ein sicheres Licht in der Finsternis wurde. Wie er
das auch heute durch allen Wandel der Zeiten zu sein
vermag, davon sucht Kuckhoff sein berufener Interpret,
den Beweis zu erbringen, der ihm vollgütig gelingt
Kuckhoff zeichnet zunächst das Jahrhundert, in dem
Ruysbrock lehrte und wirkte, dann dessen Tätigkeit als
Prior, seine Wirksamkeit als Schriftsteller und Dichter,
als Meister der Sprache, der in seiner innigen Liebe zum
Großen wie zum Kleinen Erde und Himmel umfassen
möchte. Kuckhoff hat unter Heranziehung früherer Übersetzungen
und Ausgaben von F. M. Hübner, F. A. Lambert
, W. Verkade u. a. eine neue Übertragung geschaffen,
in der er „vor allem den Klang des Urtextes und den
Farbenton wahren" wollte. Dieses Bestreben wird sehr
glücklich dadurch unterstützt, daß der Übersetzer zugleich
kleinere erwählte Abschnitte und einzelne Wendungen
im Urtext wiedergibt. Der Leser, der sich erst
mit Ruysbrock näher bekannt machen möchte, wird dadurch
so intensiv wie möglich zu den Quellen geführt,
und auch der schon tiefer mit Ruysbrock Bekannte wird
nicht etwa nur bereits von anderen Forschern Gesagtes
vorfinden sondern alles in einem neuen Licht, in der nur
Kuckhoff möglichen Herausstellung und Herausarbei- !
tung, sodaß der selige Meister aus Groenendal uns hiermit
wahrhaft erneut geschenkt wird.

Ebenso rühmlich ist auch der vierte und letztgenannte
Band der Reihe hervorzuheben, der von L. Sertori
u s besorgt wurde, und der dem Werk und Wesen der
heiligen Katharina von Genua gilt, zu dem Prof. I
Albert Lang-München ein liebevolles Geleitwort j
geschrieben hat. Äußerlich betrachtet, ist dieser Band
dem Ruysbroeckschen verwandt, sofern es sich bei der
heiligen Katharina wiederum um eine große Mystlkenn
handelt, und die Zeiten, da beide, der Vlame und die
Genueserin lebten, sich berühren. Doch sind die Welten |

I unendlich verschieden, in denen sie sich bewegen und
! in denen beide Meister der mystischen Schau "sich als
! Charaktere prägen. So ist auch methodisch und inhaltlich
der von Sertorius erarbeitete Band wieder ein No-
vutn für sich. Aufbauend auf Freiherrn von Hügels Forschungen
, ferner die früheren Zeugnisse über Katharina
wie die neueren seit Görres glücklich verwendend, entwirft
Sertorius ein eindrucksmächtiges Bild der Genuescr
Heiligen, das ebenso das Wesentliche ihrer Gestalt wie
! das Typische des mystischen Genies festhält. Sertorius
bietet in kritischer Sichtung die Lebensgeschichte Katharinas
, er charakterisiert ihre Persönlichkeit, ihre Lehre,
ihre Wirkung im Für und Wider der Meinungen, wie sie
geistig als die Künderin der dienenden Liebe sieghaft-
j still durch die Jahrhunderte schreitet. Als Übersetzer der
Schriften, die von der Heiligen bezw. von ihren Biographen
überliefert sind, hat sich Sertorius tief in die Sprache
der Texte eingelebt und hat aus diesem d i e Teile als
Auswahl zusammengetragen, die als besonders lebendig
und konzentriert den heutigen Leser angehen. Der Tra£
I tat vom Fegefeuer wurde dabei vollständig wiederre-
geben. Mit dem von Katharinas Patentochter verfaßfen
„Dialog" hat Sertorius die zweite Hälfte dieses Bandes
gefüllt. Durch entsprechende Kürzungen aller Partien,
die minder echt die Art der Heiligen überliefern, durch
feinfühlige Herausarbeitung all dessen, was wir als „Herzenston
" Katharinas selbst anzusprechen vermögen, hat
der Übersetzer einen so reichen Schatz aus dem Geistesnachlaß
der Mystikerin gehoben, wie er dergestalt in
deutscher Sprache von ihr zuvor noch nicht vorhanden
war.

Möge dem bisher so wertvollen Unternehmen der
Reihe „Gestalten des christlichen Abendlandes" ein nachhaltiger
Erfolg beschieden sein!

Hamburg-Altona Paul Th. Hoff mann

RELIGIONSWISSENSCHAFT

B|riggs, Prof.GeorgeWeston : Gorakhnäth and the Känphata Yogis.

Calcutta: Y. M. C. A. Publ. House; London: Oxford Univ Press
1938. (XIV, 380 S.) 8« = The Religious Life of India. 8 s. 6 d.
Kerne iz, C.: Der Hatha Yoga. München-Planegg: O.W.Barth-
Verlag 1938. (221 S.) kl. 8°. Kart. RM 5— ; geb. RM 6.50.
Stets zieht den Menschengeist das Seltsame und Geheimnisvolle
an, und zu dem Seltsamsten, das die Erde
bietet, gehört auch der indische Yoga. Bekanntlich ist
dieser ein eigenartiges System von Observanzen und
Praktiken, das zu geistiger Konzentration und durch
diese zu außergewöhnlichen Erkenntnissen, ja in seiner
edelsten Form zur unio mystica mit der Gottheit führen
will. In seinem vielgelesenen Buche über die „Jogis"
(Deutsch von Marg. von Bismark, Berlin [1937]) nennt
der englische Schriftsteller Paul Brunton den Yoga u. a.
die älteste Weisheit der Menschheit, und tatsächlich dürfte
sich in ihm ein nicht unbedeutender Kulturrest des
vorarischen Indien erhalten haben, zumal er ausgesprochen
schivaitischen Tendenzen folgt.

Ganz abgesehen davon, daß zwischen Yogin und
Yogin, d. h. zwischen dem üblichen Mendiakenten oder
Gauklern und einem wirklichen Yoga-Weisen ein himmelweiter
Abstand besteht, scheiden sich die Anhänger dieser
Lehre wieder in Sekten oder Schulen. Eine derselben
, und zwar die bedeutendste ist die der Gorakhnäthi's,
d. h. der Anhänger des Gorakhnäth (Goraksanätha),
des traditionellen Stifters ihres Ordens, der um 1200
n. Chr. gelebt haben soll. Nach den übergroßen Ohrringen
, die das charakteristische Merkmal ihres Äußeren
bilden, führen sie auch die Bezeichnung Känphata
d. i. „Schlitzohr". Stellenweise sind sie in Indien noch
unter anderen Namen bekannt. Die Sekte, die sich vornehmlich
den Praktiken des sogenannten Hatha-Yoga
widmet, nimmt auch Frauen in ihre Gemeinschaft auf.

Von den beiden vorliegenden Werken gibt nun das
erstere eine ebenso umfassende wie gediegene Darstel-