Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1940

Spalte:

149-150

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Uckeley, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Kirchenordnungen von Ziegenhain und Kassel 1539 1940

Rezensent:

Clemen, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

141)

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 5/6

J50

Kreisen Verwendung fanden. Leider gibt der erste Teil j
nicht an, in welcher Reihenfolge die Texte der weiteren
Veröffentlichung folgen werden. Wie die Herausgeberin
in der Einleitung betont, war das von ihr in den Archiven
von Budapest, Graz, Wien, Olmütz, Preßburg,
Brünn und Herrnhut aufgefundene Material so reichhaltig
, daß nur eine Auswahl veröffentlicht werden konnte.
Ausgeschieden wurden bereits gedruckte Schriften, die
in anderen Ausgaben erreichbar sind, und Schriften, die
keine selbständigen Gedanken enthalten. Wcitschweifi- !
ge Erörterungen wurden gekürzt. Andererseits waren
einige Texte, die noch Beck und Neuser benutzt haben,
nicht mehr auffindbar. Um so größer ist das Verdienst, j
das sich die Herausgeber mit dieser Veröffentlichung er-
worben haben.

Die aufgenommenen Schriften stellen entweder persönliche
Zeugnisse, biblische Auslegungen oder Erklärungen
des Apostolikums dar. Teilweise sind es auch dogmatische
Zusammenfassungen, Sendbriete an Gemeinden |
und Vermahnungen an „schwache" Brüder. Die entscheidenden
Fragen sind immer die gleichen: Taufe, Abend- |
mahl, Gemeinschaft, übrigkeit und Ehe. Trotz einiger
Differenzen in den Glaubensanschauungen der Hutterer
ist im wesentlichen doch eine starke Übereinstimmung
festzustellen.

Ein neuer Versuch, die zentralen Probleme im gesamten
Täufertum systematisch zu behandeln, liegt in
der Tübinger Dissertation von U. Bergfried vor. Das
Grundmotiv der Täuferbewegung sieht der Vf. in der
Verantwortung des einzelnen gegenüber dem Anspruch
Gottes. Unter diesem Gesichtspunkt führt er seine Untersuchung
durch. Dargestellt werden die Anschauungen
der Hauptvertreter der täuferischen Theologie von der
Gemeinde der Heiligen, vom Sakrament, von der Verwirklichung
des Ideals durch Gütergemeinschaft und von
der Ehe, schließlich vom Verhältnis zur „Welt", insbesondere
zur Obrigkeit. Berücksichtigt werden dabei H.
Denck, H. Hut, L. Hätzer, Balth. Hubmaier, Michael
Sattler, Melchior Hoffmann, Pilgram Marbeck, Bernd
Rothmann, Peter Tasch, Menno Simons, David Joris j
und einige anaere. In der Hauptsache werden damit die i
Kreise von Augsburg, Straßburg und Münster getroffen.

Wenn auch die geschichtlichen Wurzeln des Täufer- j
tums nicht berücksichtigt werden und die Verarbeitung
des Materials ungleichmäßig erscheint, so hat die Beschäftigung
mit primären Quellen der Arbeit ihren Stempel
aufgedrückt. Es werden Einzelzüge und Differenzen
In den Auffassungen verschiedener Täufer herausgearbeitet
, die für die Täuferforschung nicht belanglos sind.
Für den Vf. ist freilich die historische Darstellung nur |
die Unterlage, auf der er seine „synthetisch-kritische"
Darstellung aufbaut. Diese Darstellung ist durch Überlegungen
belastet, die zur Vorarbeit gehören und nicht
in das Buch aufgenommen zu werden brauchten. Wenn I
auch die Arbeit nach Form und Inhalt teilweise unfertig
wirkt, so stellt sie immerhin für eine Erstlingsarbeit eine
erfreuliche Leistung dar.

Potsdam-Babclsberg R. Stupperich

Uckeley, Prof. D. Alfred: Die Kirchenordnungen von Ziegenhain
und Kassel 1539. Marburg: N. G. Elwertschc Verlagsbclihdlg.
1939. (IV, 127 S.) kl. 8°. RM 4—.

Die Durchführung der Reformation in Hessen ist
hauptsächlich unter dem Einfluß Adam Krafts aus Fulda
zustande gekommen. Sie wurde hier weniger durch den
Widerstand der Römlinge, als durch den der Wiedertäufer
erschwert. Kraft erkannte schon, daß ihnen durch
Unterdrückung der Ärgernis gebenden öffentlichen Laster
in den Kirchengemeinden, überhaupt durch sittliche
Besserung und durch Einführung einer Kirchenzucht der
Wind aus den Segeln genommen werden müsse. Landgraf
Philipp sah aber dann doch ein, daß die im Bereich
seines Landes ihm zur Verfügung stehenden Theologen
nicht ausreichten, die Verhandlungen mit den Wiedertäufern
zu einem guten Ende zu führen, und daß er dazu

eine bisher nicht belastete, aber der andern Seite vertrauenswürdige
Persönlichkeit von außen her heranziehen
und in die Verhandlungen einschalten müsse. Er
fand sie in Martin Bucer (S. 18). Seinem Verhandlungsgeschick
, dem weitgehenden Verständnis, das er dem
Hauptanstoß der Wiedertäufer entgegenbrachte, den sie
an dem weltlichen und unchristlichen Tun und' Treiben
in den Gemeinden und dem Fehlen einer straffen Kirchenzucht
nahmen, und der versöhnlichen Art, mit der er
riet, die Wiedertäufer allmählich herüberzuziehen,
gelang zunächst die Bekehrung einiger der „Fürsteher".
Bucer ging über Kraft hauptsächlich in dem Punkte hinaus
, daß er die Ausübung der Kirchenzucht nicht ausschließlich
den Pfarramtsträgern zuweisen, sondern dafür
„das Laienelement in der Form der Ältesteneinrichtung
der evangelischen Gemeinde aktivieren" (S. 26) wollte und
daß er unter Kirchenzucht nicht nur die Handhabung des
Bannes, sondern auch positiv der Seelsorge der Gemeindeglieder
unter einander verstand. Auf Grund einer Niederschrift
von ihm wurde auf einer Zusammenkunft von
hessischen Theologen und landgräflichen Räten (es war
aber auch ein Wiedertäuferführer dabei) zu Ziegenhain
zwischen dem 25. u. 30. Nov. 1538 eine Kirchenzuchtsordnung
aufgestellt. Landgrat Philipp hatte einige Bedenken
, die ihm aber z. T. Bucer oder einer seiner Theologen
und Räte genommen zu haben scheint. Wenigstens
sind in dem Druck der Ziegenhainer Ordnung nur
einzelne berücksichtigt. Bucer hat dann auch noch mit
den Kasseler Theologen, besonders dem Superintendenten
Joh. Kymäus, eine Ordnung ausgearbeitet, die betreffs
der Kirchenzucht einfach auf die Ziegenhainer verweist
, aber auf die übrigen „Kirchenübungen", Predigt,
Katechismusunterricht, Taufe, Abendmahl u. s. w., eingeht
. Sie wurde am 8. Dez. von Kymäus und Bucer dem
Landgrafen zu Spangenberg überreicht, vorgelesen, von
diesem durch Unterschrift approbiert und mit Gesetzeskraft
versehen. Ihre Erstpublikation erfolgte Im Jan.
1539 in einem Druck von Christian Egenolff in Marburg
, in dem sie einem bereits ein wenig früher hergestellten
Drucke der Ziegenhainer Ordnung unter Voran-
stellung eines beide Ordnungen zusammenfassenden Titelblatts
angedruckt wurde. Dieser schon von A. v. Dom-
mer, Die ältesten Drucke aus Marburg in Hessen 1527
bis 1566, Marburg 1892, S. 63 vermutete Sachverhalt ergibt
sich aus der ganzen Druckausstattung, den mehrfachen
Titelblättern, dem doppelten Impressum und den
Signaturen. Meiner Meinung nach wäre es richtiger gewesen
, das Darmstädter Exemplar im Ganzen zu faesi-
tnilteren und nicht die Ziegenhainer Ordnung nach dem
Marburger zu wiederholen. Ob dieses Exemplar einen
selbständigen Erstdruck der Ziegenhainer Ordnung darstellt
, ist mir nicht ganz sicher. Im Anhang bietet Ucke-
ley die Zusätze aus der 2. Auflage der beiden Ordnungen
, die noch im Laufe des [ahres 1539 der Verleger
Colman Engeil zu Kassel bei Melchior Sachse in Erfurt
! hat drucken lassen. An der Einleitung wäre vielleicht zu
I beanstanden, daß die Auseinandersetzung mit den Wiedertäufern
vornehmlich nach Hoch hu th und nicht nach
dem S. 79 erst nachträglich erwähnten Buche von P.
Wapplcr dargestellt ist. Im übrigen ist aber diese von
! dem Landeskirchenausschuß und dem Landeskirchenamt
der Kurhessisch-Waldeckischen Landeskirche zu Kassel
: subventionierte schöne Neuausgabe aufs wärmste zu be-
i grüßen. Möge besonders die alle Bedürfnisse befriedigende
Form der Darbietung: sauberer Facsimilieneu-
j druck mit erschöpfender Einleitung immer mehr üblich
! werden!

Zwickau i. Sa. O. C 1 e m e n

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. Herausgegeben
im Auftrage des Vereins für Brandenburgisclie Kirchenge-
schichte von Lic. Walter Wendland, Pfarrer in Berlin. 34.
Jhrg. Berlin: Martin Warneck in Komm. lg39. (176 S.) gr.8°. RM 4-.