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Ausgabe:

1940

Spalte:

143-145

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Kurt Dietrich

Titel/Untertitel:

Die Bekehrung der Ostgermanen zum Christentum 1940

Rezensent:

Dörries, Hermann

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143 Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 5/6 144

rum orientalium") ist es wohl seit vielen Jahren der be- I als die Vertreter der im h Kap. vorgeführten weltan-
deutendste Beitrag zur theologiegesch^hthchen Error- > schaulichen Publizisten; die Erörterung ihrer Ansichten
schung des byzantinischen Mittelalters. Der erste literar- w desha,b gehr vid iebi Drei Betrachtungswei-
historische Hauptteil stellt fast eine problemknüsche ; sen werden unterschieden, die natur-mythologische (Elard
Ubersicht über die gesamte byzantinische Theologie dar. H M er) die anthropologisch-philosophische (Hans
Zahlreiche einzelne in ihrer Gesamtheit wichtige Neuer- , N^mann u^'d B. Kumm'er |er eigentlich schon unter
kenntnisse finden sich dann, die die Bescheidenheit des den pubiizisten ausreichend behandelt war) und die kul-
Verfassers als solche anzumerken unterlassen hat. Be- , tisch-religiöse (Höfler, Ninck, W. Baetke). Die eigene
sonders wichtig sind vor allem die quellenkritischen Fest- i Darstellung schließt sich wesentlich an Baetke an. Dabei
s eilungen über Abhängigkeiten, Wert und geistige Selb- t werden M| } Zaub Dämonenglaube, die ganze sog.
standigkeit der einzelnen Autoren. Der zweite systema- , njedere Religiosität von der Übersicht über die germanische
Haupt eil gibt nicht nur die erste ziisammenfas- | gche Religk* getrennt und unter der „Kultur" initbehan-
sende Darstellung der byzantinischen Vorsehungstheolo- delt hier werfen sonst eine Reihe von bemerkenswerten
gie, sondern steuert von da aus auch beachtliche neue : Zü z. B. aus dem Rechtsleben, zusammengestellt, die
Beobachtungen und Erkenntnisse zum Verständnis der j ^ für das Verständnis der Bekehrungsgeschichte von
byzantinischen Weltanschauung bei. Als ein Verdienst 1 Wichtigkeit sind

ist auch die Klärung der einschlägigen Terminologie zu j DiegS£ selbst wird mit der eindringlichen Erinnerung

nennen.

eröffnet, daß die Reichskirche ihre Missionspflieht ver-
Wichtig sind vor allem einige grundsätzliche Er- I saumt hMe und also dje Qermanen genötigt waren, nun
kenntnisse die zwar nicht ganzlich neu sind die aber zu jhr zu komm _ m Einbruch itfdie römische Welt!
hier doch klarer und vielseitiger herausgearbeitet wer- , Der anfechtbare Eingangssatz: „Die Christianisierung
den. So vor allem das zahe und unbedingte Pesthalten ; der Germaneia ist . . b ein Teilvorgang im Rahmen der
der byzantinischen Theologie an der menschlichen Wil- , B u der Germanen mit der Antike" bleibt doch
lensfreiheit. Dann die oben ebenfalls schon hervorgehe- i imVeiteren Verlauf ohne nachteilige Folgen; der Vrf.
^eneu/Ae?,tstelluJlg X?" .der unvergleich,lcntn geistigen unterscheidet vielmehr selbst deutlich zwischen dem Kul-
Machtstellung der Theologie im byzantinischen Geistes- I turerlebnis und der Begegnung mit der christlichen Botleben
. Noch wichtiger erscheint aber eine andere grund- | schaft vermeidet also die häufige Verquickung ebenso
satzhche Feststellung auf die mit allem Nachdruck hin- , wje meistens die Germänenmissionare sie vergewiesen
werden muß. Der Verf. hat an dem Beispiel j p^jg^r, haben!

der Vorsehungstheologie gezeigt, wie irrig das seit lati- | Der Band-ist dem Arianismus" der Germanen ge-

gem kritiklos weitergeschleppce Urteil über die angeb- : widmet schließt mithin sinnvoll das sachlich Zusammen-

iche geistige Unselbständigkeit der byzantinischen Theo- ( gehörige aus drei Jahrhunderten zusammen. Das Band,

logie ist. Und zu der notwendigen Berichtigung des ; ^as dfe hier geschilderten Ereignisse verknüpft, wird

überkommenen Fehlurteils hat er selbst einen großen 1

Beitrag geleistet. — Zu zwei Einzelheiten seien hier noch
kritische Bemerkungen gegeben: Das apologetische Werk
des Niketas Choniates wird bald als 6-r)aav()6? opdoSo^ou;,
bald als dr)<jauoös tP]c oo<lo8o'eiac bezeichnet. — Man

noch enger, wenn man der bemerkenswerten These des
Buches zustimmt, für die in der Tat beachtliche Gründe
geltend gemacht werden- Danach sind nämlich fast alle
diese arianischen Stammeskirchen Gründungen der sog.
Kleingoten, der Exulantengemeinde Wulfilas. Trifft die

fragt sich erstaunt, weshalb eigentlich das große auf An- XIieseszu 'so gewinnen wir eine schöne und geschichtlich

regung des Kaisers Manuel . Komnenos verfaßte apo- | bedeutsame Bestätigung der ältesten christlichen Erfah-

logetische Werk des And,ronikos Kamateros Iep« &t^o- j m daß ^sp^engung Verbreitung wirkt! In der

n,rai { u- F Waftensammlung) nicht behandelt wird. Tatsleuchtet es ein, daß das leidenerprobte Bekenntnis

Dieses bisher noch unveröffentlichte Werk (vgl- K. ; der erstgewonnenen Goten, die im Bruch mit ihrem Volk

Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Littera- j bewähren mußten, was ihnen ihr Glaube bedeutete, eine

v? VT^UsmAl™ bo zaum, EndeMdes ,OStr0Sn'ec Kei- j größere Werbekraft entfaltet haben wird, als die halb-

ches (527-1453). 2. Auflage. München 1897, S. 90) Erstandenen Massentaufen der beim übertritt auf röini-

ware dem Verf. leicht erreichbar gewesen da es in einer sches Qebiet nachf0lgenden Volksmehrheit.

Munchener Handschrift (cod. Mon. gr. 229) vorliegt. Bestimmen aber die Wulfila-Goten über den „Aria-

Le'Pz'£ Georg Stadtmüller nismus" der Germanen, so haben weder sie noch ihr

Führer zunächst eine konfessionelle Entscheidung tref

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

fen wollen. Erst allmählich hat besonders Wulfila sich
tiefer in die „homdische" Lehrweise eingelebt, um dann
freilich zuletzt zu immer schrofferer Bestimmtheit zu gelangen
. Die eigene Auffassung Wulfilas, die weithin von

Schmidt, Kurt Dietrich : Die Bekehrung der Ostgermanen zum

Christentum. Der ostgermanische Arianismus. Göttingen: Van- j germanischen Voraussetzungen aus zu verstellen ist, ver-

denhoeck u. Ruprecht 1939. (IX, 442 S.) gr. 8° = Bekehrg. d. wendet doch m. E. mehr, als der Vrf. zugestehen will,

Germ. z. Christen!, Bd. l. RM 15—; geb. rm 17.80. j auch wirklich arianische Argumente, ohne daß allerdings

War die erste Lieferung (vgl. ThLZ. 1936, Sp. 229)
ganz von der Auseinandersetzung mit modernen antichristlichen
Geschichtsdeutungen erfüllt, so tritt zwar

das hebt der Vrf. hervor — von einem eigentlichen
„Arianismus" bei ihm und seinen Schülern gesprochen
werden darf. Bei diesen, aber erst recht von den er-

auch im Fortgang die gleiche Front bisweilen in Er- ! sten gotischen Christen, wird gelten, was Prokop über
scheinung, aber ihr wird mit Recht immer weniger Raum i die Krimgoten berichtet, daß sie zu einfachen Geistes
gegönnt: die beste Widerlegung ist die sichere Begrün- | waren, um den Unterschied der Bekenntnisse zu begrei-
dung der eigenen Position. Dagegen wächst der Anteil, | fen. Nimmt man hinzu, daß die gleichen Namen goti-
mit dem das Buch an der geschichtlichen Forschung sich j scher Märtyrer auf katholischen wie arianischen Kalen-
beteiligt, durch selbständige Quelleninterpretation und | dern begegnen, so wird man bedenklich gegen eine kon-
-kombination, gewinnt es darum immer mehr an wissen- | fessionell gesonderte Darstellung schon der christlichen
schaftlichem Rang. Anfänge unter den Goten, wie der Vrf. sie gibt, seiner

Nun ist auch das kritische Referat über die verschie- berechtigten Absicht entgegen, den germanischen „Aria-
denen Deutungen, die Religion und Kultur der Germanen ! nismus" gerade nicht als Ergebnis einer konfessionellen

in der neueren Literatur erfahren haben, keineswegs
wertlos. Beschränkt sich das 2. Kap. der „Grundlagen"
(damit setzt die 2. Lieferung ein) begreiflich auf die
Herausstellung einiger Typen und ihrer wichtigsten Repräsentanten
, so sind diese ungleich ernster zu nehmen

Entscheidung, zu der den allermeisten die theologischen
Voraussetzungen fehlten, erscheinen zu lassen!

Ist es richtig, Wulfilas Volkserziehung von einer in
der Alten Kirche doch nur vermeintlich weitverbreiteten
pazifistischen Stimmung beeinflußt sein zu lassen? Man