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Ausgabe: | 1940 |
Spalte: | 138-143 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Autor/Hrsg.: | Beck, Hildebrand |
Titel/Untertitel: | Vorsehung und Vorherbestimmung in der theologischen Literatur der Byzantiner 1940 |
Rezensent: | Stadtmüller, Georg |
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Theologische Literaturzeituug 1940 Nr. 5/6
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Augustitl finden, so ist das nur insofern richtig, als
Augustin neben der souveränen Beherrschung des Ver-
giltextes auch eine ausgebreitete Kenntnis der Grammatiker
und Exegeten aufweist und ihre Arbeiten für seine
Zwecke nutzbar zu machen weiß.
Augustin hat die abgenutzten Argumente der christlichen
Apologetik durch1 die Heranziehung des römischsten
aller Dichter entschieden belebt und den Kampf mit j
römischen Argumenten gegen Römer ausgefochten. Daß j
man trotz aller grundsätzlichen Feindschaft gegen das j
irdische imperiuni Romanum Augustin das römische
Empfinden nicht ganz absprechen darf, hat Sch. des |
öfteren mit Recht betont (vgl. jedoch H. Fuchs, Der
geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt J
1938, 22ff.; 90ff.). Besonders deutlich zeigt sich diese |
römische Haltung bei Augustin nach den furchtbaren Ereignissen
des Jahres 410. Er hat damals den Glauben
an Rom nicht verloren und zitiert mit tiefer Leidenschaft j
Vcrgils Worte von des römischen Reiches Ewigkeit, die
er auf die civitas caelestis umdeutet; er bestätigt damals [
auch die terrena gloria excellentissimi imperii (civ.
5,15). Freilich wird dieses römische Empfinden überschattet
von seinem Kampf gegen die Römer, die I
den Christen die Schuld am Unglück von 410 ga- j
ben. Da ist es Augustin, der die damals wohl i
zum geflügelten Wort gewordenen Verse Vergils !
(Aen. 2, 351 f.) mit anderen Vergilworten, aus denen die j
Ohnmacht der heidnischen Götter hervorgehen soll, be- |
kämpft, ebenso wie er in diesen Jahren Orosius veran- I
laßt, einen Geschichtsabriß zu verfassen, der sich die |
Widerlegung dieser heidnischen Ansicht von der Schuld I
der Christen am Unglück des Reichs zum Ziel setzt.
Oftmals wird Vergil zuerkannt, daß er sich bereits auf
einer Stufe geläuterten heidnischen Glaubens befinde.
Deshalb fällt es Augustin auch nicht schwer, den römischen
Dichter christlich zu deuten: die Worte von der
Allmacht Juppiters (Aen. 10,100) werden für die Allmacht
des Christengottes zitiert (enchir. 3,11), die ver- ,
gilischen Tierschilderungen (Lamm, Ameise, Biene, Wolf) i
für die christliche Symbolik benutzt. Am klarsten zeigt
sich diese interpretatio christiana in der Ausdeutung der
4. Ecloge (Sch. S. 16—22): Augustin sieht in der Sibylle
von Cumae eine Prophetin Christi, Vergil ist nur
der Künder ihrer Prophetie.
Die Frage, ob sich eine Entwicklung im Verhältnis
Augustins zu Vergil feststellen lasse, hat Sch. nur nebenbei
behandelt. Er konstatiert einen „unvermittelten
Bruch" nach der Berufung zum Presbyter in Hippo
Regius (im Jahre 391); Augustin selbst hat in den Con-
fessiones seine Bekehrung zum Christentum als plötzlichen
Bruch mit der heidnischen Vergangenheit dargestellt
. Die Zeugnisse selbst rechtfertigen eine so klare i
Scheidung nicht; wir werden eher eine stetige Entwicklung
, die von Vergil wegführt, bei Augustin feststellen
können. Der junge Augustin hat den heidnischen Dichter j
oft und gern zitiert, aus Freude an Vergil, aus Freude
am Zitat- Die Bibel steht dem 20 und 30 jährigen noch
ziemlich fern; das zeigen z. B. die zahlreichen Vergil-
zitate gegenüber einem einzigen aus der Bibel in der
Schrift" contra academicos. Am nachhaltigsten ist wohl
die Beschäftigung mit Vergil in dem kurzen Intervall
zwischen Bekehrung und Taufe (Herbst 386 bis Ostern
387), das Augustin mit einigen Freunden auf dem Landgut
in Cassiciacum verbringt. In den Schriften dieser
Zeit (contra academicos und de ordine) spürt man die |
starken Wirkungen der ausgedehnten Vergillektüre (Sch1.
hat leider die allgemeinen, überaus charakteristischen j
Äußerungen Augustins über Vergil zu wenig berücksich- .
t'gt; die Beschränkung auf wörtliche Zitate und klar erkennbare
Reminiszenzen wirkt sich hier nachteilig aus).
Damals ist Vergil poeta noster (contra acad. 3, 4, 9), !
ebenso heißt es damals Cicero noster. Aber von dieser
inneren Anteilnahme sucht sich Augustin nach seiner Belehrung
und Priesterweihe loszureißen: ganz freimachen j
konnte er sich freilich nie. Aber jedes überflüssige/, ]
schmückende Vergilzitat, das sich häufig in den frühen
Schriften findet, wird später vermieden. Die nostrae
Utterae sind nun die Bibel (enchir. 13, 44 aus dem Jahre
421), deren Autorität für Augustin eindeutig feststeht;
sie findet seine alleinige Billigung, wenn sie in Widerspruch
zu Vergil steht (lehrreich de cura pro montuis
2,3 und dazu Sch, S. 118). Vergil bleibt für Augustin
jedoch der maßgebende Vertreter heidnischen Römer-
tums, er ist auch später noch der poeta magnus omnium-
que praeclarissitmis atque optimits (civ. 1,3). Die Absage
in den Confessiones (1,13,20 ff.) besitzt für die Gesamtbeurteilung
von Augustins Verhältnis zu Vergil nur
bedingte Gültigkeit; es ist ergreifend, wie in die Worte
des greisen Bischofts, mit denen er seine Jugendliebe zu
dem poeta Romanus verdammt, unmerklich Vergilrenii-
niszenzen einfließen.
München Rudolf Till
Beck, P. Hildebrand, O.S.B.: Vorsehung und Vorherbestimmt!ng
in der theologischen Literatur der Byzantiner. Rom: Pont.
Instit. Orientaliiun Shidiorum 1937. (XXIII, 270 S.) gr. 8° = Orien-
talia Christiana Analecta 114. Lire 60—.
Während in der abendländischen Theologie — von
Augustinus über Luther bis in die Gegenwart — die
Fragen der Willensfreiheit, Gnade, Vorsehung und V xr-
herbestimmung geradezu im Mittelpunkt der Erörterung
stehen, spielen sie in der ostkirchlichen Theologie eme
ungleich geringere Rolle und treten hinter den großen
christologischen Fragen äußerlich ganz zurück. In welchem
Ausmaße aber doch auch die Theologen der Ostkirche
mit diesen Fragen gerungen haben, das zeigt uns
zum ersten Male zusammenfassend diese Arbeit, eine aus
dem Mittel- und neugriechischen Seminar der Universität
München (Prof. Franz Dölger) hervorgegangene Dissertation
, die freilich über die Durchschnittsebene der Dissertation
turmhoch emporragt.
Das Werk gliedert sich in zwei Hauptteile. Der größere I. Hauptteil
ist eine literargeschichtliche Untersuchung (S. 1—178: „Der
literarische Fundort"), der II. Hauptteil gibt eine systematische
theologisch-dogmatische Darstellung (S. 179—2ö2: „Aufgeworfene
Probleme und Lösunge n"). Behandelt ist der
Zeitraum vom Beginn des 8. Jahrhunderts bis zum Ende des hyzan-
tischen Reiches 1453.
Das Problem der Vorsehung und Vorherbestimmung ist in Byzanz
vor allem in der polemischen Auseinandersetzung mit andersartigen
Lehren, die die Willensfreiheit leugneten oder zu leugnen schienen,
erörtert worden. Dazu zwang zuerst die Abwehr der verschiedenen
dualistischen Lehren (Manichäismus, Paulikianismus, Bogo-
milisnuts, Euchitismus), die ein böses Urprinzip annehmen und darauf
— nicht auf die freie Willensentscheidung des Menschen — alles Böse
zurückführen. In der äußerlich umfangreichen und innerlich tiefen
Polemik mit dem I s 1 a m, die bis zum Untergang des byzantinischen
Reiches lebendig blieb, spielen Vorsehung und Vorherbestitnmung
eine große Rolle. Die Byzantiner selbst maßen freilich in ihrer Islampolemik
zwei anderen Kernpunkten eine ungleich größere Bedeutung
bei: der Trinität und der Christologie. Daneben geht diese Polemik
natürlich auch auf das Leben Mohammeds und auf die Widerlegung
des Korans ausführlich ein. Eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung
mit dem Islam spielt auch die Frage, wie sich das Walten
einer göttlichen Vorsehung mit dem zunehmenden Verfall des „gott-
behüteten" byzantinischen Reiches und mit dem machtvollen Aufstieg
der islamischen Welt vereinbaren lasse.
Auch die Auseinandersetzung für und wider die Astrologie
bot hinlänglichen Anlaß, um die Probleme der Willensfreiheit und der
Vorsehung zu erörtern. Das Christentum war der Astrologie zunächst
durchaus feindlich. Die Väter, die kirchlichen Synoden und die kaiserlichen
Verfügungen sprachen sich dagegen aus. In frühbyzantinischer
Zeit scheint die Astrologie auch nicht viel bedeutet zu haben. Erst
mit der Erneuerung des geistigen Lebens zu Ende des 8. Jahrhunderts
scheint auch die Astrologie wieder mehr Beachtung gefunden
zu haben. Etwa seit dem 9. Jahrhundert genießt die Astrologie in
Byzanz geistiges Heimatrecht. Man versucht, die antike Astrologie mit
der christlichen Lehre zu harmonisieren. Unchristliche Stellen in alten
Texten werden ausgemerzt und durch christliche Fassungen ersetzt. Die
Astrologie war im byzantinischen Hochmittelalter eine große geistige
Macht. So war Kaiser Manuel I. Komnenos (1143—1180) der Astrologie
leidenschaftlich ergehen.
Um die Wende zum 14. Jahrhundert erhielten dann die astrologischen
Studien einen ganz neuen Auftrieb, wobei neue Anregungen von