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Ausgabe:

1940

Spalte:

136-138

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schelkle, Karl Hermann

Titel/Untertitel:

Virgil in der Deutung Augustins 1940

Rezensent:

Till, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 5/6

scliematischen Ausrechnung der Zitate gemacht werden, sondern dazu
gehört eine sorgsame Untersuchung des Textes der einzelnen Zitate.
Severus Schatz an yoi'|OEic kommt etwa dem des Timotheus Ailuros
gleich, für den Schwarte jetzt die Untersuchung durch seine Abhandlung
über den Codex Vat. gr. 1431 (Abh. d. Bayer. Akademie 30,6)
erleichtert hat. Auch die Florilegien des Gelasius liegen jetzt in einer
vorzüglichen Ausgabe vor (vgl. Schwarte, Abh. d. Bayer. Akad. N. F.
10, S. 96 ff.). Auch die Frage, woher denn Leontius und Justinian
ihre Väterzitate haben, wird nur im Zusammenhang mit Severus
ernstlich behandelt werden können. Ich verzichte hier darauf näher
einzugehen, da Eduard Schwarte jetzt sowohl eine Ausgabe der theologischen
Schriften Justinians (sie ist das letzte Werk des rastlosen
am 13. 2. 40 an den Folgen einer Bronchitis gestorbenen Meisters
geworden: Drei dogmatische Schriften Justians, Abh. d. Bayer.
Akad. N. F. 18. 1939) als auch der des Leontius erscheinen
läßt. Dann aber wird es Zeit, daß der nunmehr ganz unzureichende
Versuch von Schermann, die dogmatischen Florilegien zusammenzustellen
und zu untersuchen, durch eine neue ganz anders fundamen-
tierte Arbeit abgelöst wird. Es fehlt allerdings besonders dazu eine
Ausgabe des Eranistes des Theodoret, zu dem ich bereits die Handschriften
gesammelt habe, aber vorläufig nicht an eine Ausgabe denken
kann. Auch wäre es längst an der Zeit den Fakundus zu edieren,
eine nicht so schwierige Aufgabe, da, wie ich feststellen konnte, nur
die Veroneser Handschrift einen selbständigen Wert hat.

Vor allem aber möchten wir hier an öffentlicher
Stelle dem Löwener Gelehrten Dank sagen für seine mühevolle
und entsagungsvolle Arbeit an Severus. Wir wünschen
aber, daß seine jahrzehntelange Arbeit bald zum
Abschluß kommt- Sandas Abdruck der syrischen Handschrift
des Philaethes, — eine Ausgabe kann man das
Buch nicht nennen — und auch seine Antijulianistiea I
ersetzen eicht mehr als die nicht jedem zugänglichen
Fotos der Handschriften. Vielleicht wird es sich als
Ergebnis der an der großen Ausgabe der Grammaticus-
schrift gemachten Erfahrungen herausstellen, daß
die literargeschichtlichen Einleitungen etwas fülliger
und erschöpfender gestaltet werden, und daß die
Identifikationen nicht bloß nach Mlgne vorgenommen
werden, so praktisch dieses Verfahren auch sein mag.
Z. B. wünschte ich, daß doch mehr auf die Acta conc.
Rücksicht genommen worden wäre. Lebon selbst hat immerhin
in den meisten seiner Arbeiten schon die interessantestes
Fragmente eindringend und ausführlich in einzelnen
Aufsätzen behandelt. Es ist zu bedauern, daß er in seiner
großen Bescheidenheit diese niemals in den Noten
zitiert. Es handelt sich bei dieser patristischen Arbeit
ja nicht bloß um eine lediglich katalogisierende Bestandesaufnahme
des Materials. Die Theologie der griechischen
Kirche arbeitet seit Cyrill mit den Vätern als
den wesentlichen theologischen Beweisstücken. Wer es
also unternimmt die Florilegien des 5. und 6. Jahrhunderts
auf ihren Bestand, auf das in ihnen verwendete
Material, durchzuarbeiten, wird nicht umhin können, sowohl
die Textgestalt der Väterzitate sorgsam zu prüfen
und die innere Systematik des Väterbeweises aufmerksam
zu untersuchen. Wenn nicht der Anschein trügt, wird
allzu oft übersehem, daß diie innere Struktur der altkirchlichen
Theologie von der Systematisierung der Dicta
probantia der Bibel und der klassischen Väter und Ketzer
abhängig ist. Daher sind die Florilegien anders zu
behandeln als die exegetischen Katenen. Der Väterbeweis
und die von ihm abhängigen Florilegien sind das wesentliche
Instrument der Formulierung der kirchlichen Lehre
, ja des Dogmas. Die Wahrheit der Lehre der Kirche
wird nicht durch freie wissenschaftliche Arbeit gefunden
, ebensowenig wie das Recht, sondern aus der geschichtlichen
Wirklichkeit der Kirche selbst. So hat Severus
in seinen zahlreichen Schriften nichts anderes als
seine theologische Aufgabe angesehen, als die Wahrheit
der Theologie des Cyrill sowohl aus der Bibel, aus den
Väterzeugnisseni, aus den Konzilsbeschlüssen und nicht
zuletzt aus den Verdrehungen und Textfälschungen, die
die Ketzer an Cyrills und der Väter Schriften vorgenommen
haben, zu erweisen. Das Studium der zun™ist für
das Verständnis der Theologie ebenso wichtig wie das
Studium der Rechtsätze, der Canones und Dekretalen für
das Verständnis der Geschichte der Kirche als Institution
des Reiches Gottes auf Erden. Ich darf bekennen,

I daß diese nie zu übersehende Regel für das Studium der
christlichen Theologie und Kirchengeschichte dem Leser
besonders durch die große Schrift des Severus einge-

i prägt wird.

Lebon« hat völliges Neuland durch seine Ausgabe
des Severus erschlossen. Der Dank aber schließt den
Wunsch nach baldigem Abschluß der geplanten Ausgabe
der Werke des Severus ein. Und vor allem ist es
nun möglich eine erschöpfende Monographie über Seve-

j rus zu schreiben, da Lebon und Schwartz die Texte ver-

| mittelt haben. Die Ernte ist übergroß-, mögen die Schnitter
nicht fehlen.

! Wien H.-O. Opitz

1

l Sehe 1 kl e, Karl Hennann: Virgil in der Deutung Augustins.

| Stuttgart: W. Kohlhammer 1939. (XII, 213 S.) gr. 8° = Tübinger
Beitr. z. Altertumswissenschaft, hrsg. von O. Weinreich. XXXII.
Heft. RM 13.50».

Diese Arbeit, die im Jahre 1935 der Tübinger Philosophischen
Fakultät als Dissertation vorgelegen hat,
bemüht sich, die Interpretation Vergils durch Augustin
zu klären. Sie will „die Quellen feststellen, aus denen
Augustins Interpretation fließt, den historischen Ort angeben
, den seine Virgildeutung innehat, und seine Erklärung
einordnen in die größeren geistesgeschichtlichen
Zusammenhänge, ... im ganzen die ,interpretatio chri-
stiana' eines großen Dichters durch einen großen Kirchenvater
aufzeigen" (S. 4). 'Der Verf. spricht zu diesem
Zweck alle Verse der Bucolica, Georgica und Aeneis,
die von Augustin zitiert werden, durch und stellt am
Schluß der Arbeit die gewonnenen Ergebnisse kurz zusammen
(S. 176—201). Mit diesem nüchternen Verfahren
, dessen recht störenden Schematismus er sich freilich
nicht verhehlt, gelangt er zu vertiefteren Ergebnissen
als seine Vorgänger (Bassi, Vasold, van de Wijnpersse),
wie besonders ein Vergleich mit den fleißigen, aber unkritisch
angelegten Sammlungen von Vasold lehrt (Augustinus
, quae hauserit ex Vergilio. Progr. München 1907/9).

Augustin hat in der Schule und später als Lehrer der
Rhetorik in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand sich
eingehend mit Vergil befaßt; er ist auts engste mit dem
Text und seiner antiken Auslegung vertraut; Vergil ist
neben Cicero der von ihm am häufigsten zitierte heidnische
Autor. Von den Bedenken des Hieronymus, sich
mit heidnischen Schriftstellern zu beschäftigen, weiß sich
Augustin frei. Er benutzt Vergil zur sprachlichen Erklärung
des lateinischen Bibeltextes, wobei ihm freilich
verschiedene Mißverständnisse unterlaufen, da er das
Hebräische zu wenig beherrscht. Wenn Vergil und Bibel
im sprachlichen Ausdruck übereinstimmen, erklärt Augustin
das, wie andere in ähnlichen Fällen schon vor ihm,
als Abhängigkeit des Dichters von der Bibel: iinitatus
riamque est poeta ille litteras sacrus (civ. 15, 19). In
dieser sprachlichen und grammatischen Erklärung Vergils
zeigt Augustin starke Abhängigkeit von den römischen
Grammatikern; er bringt nur wenige Erklärungen,
die wir nicht auch in der heute noch vorliegenden Grammatikertradition
nachweisen könnten. Die antike Vergil-
exegese ist Augustin ebenfalls stets gegenwärtig, auch
dort, wo man zunächst vermuten möchte, seine eigene
Deutung zu hören; Hauptquelle scheint der aus der
I Mitte des 4. Jhdts. stammende Vergilkommentar des
Aelius Donatus gewesen zu sein. Auch den neuplatoni-
I sehen Vergilerklärer, den Norden und Bitsch mit Marius
Victorinus identifizieren wollten, hat Augustiri benutzt
I und sich lebhaft mit seinen Deutungen auseinanderge-
i setzt. Ob sich bei ihm bereits Spuren allegorischer Ver-
gildeutung finden, wie wir sie später bei Fulgentius antreffen
, hat Sch. nicht erwähnt; der Nachweis von
Stroux (Philologus 86, 1931, 363ff.), der aus de utili-
tate credendi 7,17 dafür ein wichtiges Zeugnis gewann,
| ist ihm leider entgangen. Wenn Sch. abschließend zu
! dem Ergebnis kommt (S. 190), daß sich nur verhältnis-
I mäßig wenig Vergilzitate und Reminiszenzen, die aus
j eigener Lektüre und Kenntnis des Dichters stammen, bei