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Ausgabe:

1940

Spalte:

130-136

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Severus Antiochenus, Liber contra impium Grammaticum 1940

Rezensent:

Opitz, Hans-Georg

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Jesus nicht gebetet habe „unser Vater",, ist angesichts des Abba, das
sowohl singularischc wie pluralische Bedeutung hat, eine kühne Behauptung
.

Der Abschnitt über Paulus ringt mit dem Problein des Verhältnisses
von Rechtfertigiuigslehrc und Mystik und sucht die Gotleskind-
schaft unter Verwerfung der mystischen Linie als Ergebnis der Rechtfertigung
zu verstehen. Daß Rom. 8, 14 ff. in einer mit 5, 12 ff.
anhebenden Linie steht, deren Sinn die Eingliederung der Menschen
in den 8e6rCQO£ 'AÖüu ist, der in Christus erschienen ist und der
deshalb Prototyp aller zu ihm Gehörigen ist, wie es auch der erste
Adam war — vgl. auch 1. Kor. 15 — und daß deshalb sinnvoll am
Ende steht: IIpocöntrjKV ouiqiöecpouc, Tfjc, eixövoc; xoü uloti autoO,
ei? xo elvai aütöv itnoiTÖxoy.ov ev jtoX/..olc, uösXtpoic;, was aber
rückwirkende Bedeutung hat, kommt dem Verfasser nicht zum Bewußtsein
.

Ein kurzer Abschnitt über den Hebr., Jakobus und 1. Petrus —
das Problem der Urgemeinde wird überhaupt nicht erwähnt — leitet
zu Johannes. Hier wirkt sich die Nichtbeachtung der neueren Forschung
am verhängnisvollsten aus. Weder das eschatologische Problem
bei Johannes in seiner Eigenart noch die ihm eigentümliche Gestaltung
des Sohnesbegriffes in seiner Anwendung auf Jesus finden
«ine Erörterung. Der von ihm verwendete Begriff der „Zeugung von
oben" wird unter dem Hinweis auf den im Rabbinat vorkommenden
Begriff „neue Schöpfung", der aber dort allein rechtliche Bedeutung
hat (vgl. ThWb. z. NT. I 664 ff.), und auf Ez. 26,25 ff. aus dem
Judentum erklärt — und das trotz der überall offensichtlichen Beziehungen
zum hellenistischen Denken. Aber nur so kann der Verf.
seine heilsgeschichtliche Linie retten, die für den vierten Evangelisten
keine Bedeutung hat.

Der Schlußabschnitt faßt die verschiedenen Gesichtspunkte zusammen
und lehnt eine Verbindung der Symbolik des NT. mit dem
Hellenismus ab, wobei so getan wird, als wären die Mysterienreligionen
der Hellenismus. Von Seneca und Epictet und dem ganzen
Kreis der sehr volkstümlichen Stoa und allem, was damit zusammenhängt
, wird überhaupt nicht gesprochen, nachdem es nur eben am Anfang
gestreift war. So ist die Basis für das religionsgeschiclriliche
Urteil nicht tragfähig.

Das Referat hat ergeben, daß in der Arbeit Tw- eine
eigentümliche Einseitigkeit und Blindheit für vorhandene
Tatbestände vorliegt. Sie muß ihre Gründe haben in
dem theologischen Ansatz des Verfassers. Und an dieser
Stelle kommen jene Dinge zur Entscheidung, von denen
aus erst eine fruchtbare Erfassung des ganzen Fragenkomplexes
möglich ist. 1. Will man den religionsgeschichtlichen
Befund wirklich erlassen und aus ihm die
neutestamentliche Verwendung der Symbole verstehen
und sie in ihn einordnen, so ist eine klare Erkenntnis der
geistigen und religiösen Bewegung und Ideenbildung
notwendig. Es handelt sich bei der Ausbildung solcher
religiöser Symbolik, ihrer Gestaltung und wechselseitigen
Berührung mit anderen Bildern um eine Lebensbewegung
, die erfaßt werden muß. Statt jedes Versuches
dazu, der mit einer Vergleichung verschiedener Symbole
und mit der Darstellung vorhandener Beeinflussung und
Wandlung beginnen müßte, hat der Verfasser sofort das
beilsgeschichtliche Schema bereit: die Gotteskindschaft
ist die eschatologische Erfüllung der im AT beginnenden
Heilsgeschichte. Der eschatologische Charakter der Gotteskindschaft
im NT ist unverkennbar. Mit dieser Erkenntnis
ist aber die Bewegung nicht aufgehoben, die in der Geschichte
dieser Symbolik selbst liegt Die Verkennung dieses
Tatbestandes führt zu den ungenügenden und schiefen
religionsgeschichtlichen Urteilen. 2. Mit dieser Haltung
hängt auch das andere Problem zusammen, daß ich kurz
das christologische nennen möchte- Der Verfasser lehnt
ab ein Jesusverständnis, nach dem Jesus „Gott neu erlebt
und erkannt" hätte und nach dem er „in dieses
Gotterleben die Menschen einzuführen" suche. Diesem
Jesusverständnis stellt er entgegen, daß in dem Wort
„Sohn", wie es in Jesu Mund gebraucht werde, „die
ganz besondere Stellung Jesu zu Gott, die schlechthin
einmalig ist, zum Ausdruck kommt. Es ist messiani-
scher Titel." Wiederum sind zwei völlig verschiedene
Ebenen gegeneinander gestellt. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß in dem Wort „Sohn" die Einzigartigkeit
des Gottesverhältnisses Jesu zum Ausdruck kommt
l'nd damit die Besonderheit seiner Stellung. Hebt das
aber auf eine neue Gottesertahrung und Gotteserkenntnis
Jesu? Und hebt das auf eine Verinhaltlichung des

i Sohnesbegriffes aus dieser Erfahrung? Die bereits erwähnte
Versuchungsgeschichte erweist das. Nur im Vorübergehen
sei dabei auf den Irrtum hingewiesen, daß der
Ausdruck „Sohn" Messiastitel sei. Warum untersucht
der Verfasser diese Frage nicht, sondern behauptet einfach
? Mit dem Messiasbegriff, dem der Sohnesbegriff
: untergeordnet und in dem der Mittlerbegriff begründet
| wird, ist im Grunde für Tw. das christologische Pro-
| blem erledigt. Der Sohn vermittelt die Sobnschaft, weil
er der Messias ist. Hingegen müßte es heißen: Der
I Sohn vermittelt die Sohnschaft, die sich in ihm darstellt
| und die in ihm erschienen ist. Er sucht in der Tat an-
j dere in sein Gottesverhältnis einzuführen. Der Sohn
! ist das Urbild der Gotteskindschaft: deshalb sollen die
' Seinen von ihm als seine ua(h|m( lernen (Matth. 11, 29;
| Joh. 13, 1 ff.). Deshalb redet Paulus von dem ou|i|t6o(pov?
xfjS eixovoc, toxi viov xov elq xo elvcti ^qcotÖtohov ev jtoXXoT;
äBeXqpotg. Deshalb entfaltet der vierte Evangelist die
Sohnschaft Jesu und redet von dem Teilbekommen der
; Jünger an der 56|a Jesu, womit seine göttliche Wescns-
I art gemeint ist. Indem der Verfasser an die Stelle des
1 lebendig fortwirkenden Urbildes des Sohnes das abgeschlossene
Heilswerk des Messias setzt, versperrt er sich
l selbst den Zugang zu dem, was im NT die Wirklichkeit
! der Gotteskindschaft ist, eine Wirklichkeit, die ihre Besonderheit
darin hat, daß sie in Jesus Christus anschaubar
und darum allerdings durch ihn vermittelt ist. Und
sie steht, beachtet man den religionsgeschichtlichen Befund
, dann als erfüllende Wirklichkeit noch in anderen
lebenden Zusammenhängen, als in dem einer heilsgeschichtlichen
Konstruktion, denn ihre in Jesus Christus
urbildlich anschaubare und erschienene Wirklichkeit ist
Darstellung des ewigen Sinnes des Menschseins, ist
eschatologische Wirklichkeit erneuerten Menschentums.
Jena Walter G r u n d m a n n

K1RCHENGESCHICHTE: PA TRISTIK

Severus Antiochenus: Liber contra impium Grammaticum

ed. Joseph Lebon. Oratio prima et secunda. Orationis tertiae pars
prior. Orationis tertiae pars posterior. (— Corpus scriptorum chri-
stianorum orientalium editum consilio Universitatis eatholicae Amc-
ricae et Universitatis Catholicae Lovaniensis. Scriptores Syri. Series
quarta. Tomus IV. V. LI.) Parisiis e Typographeo Reipublicae
1929. 1933. 1938.

Es «st für den Patristiker ebenso eine besondere Freude
wie eine schöne Ehre, auf Veranlassung der Fonda-
I tion Universitaire der Löwener Universität dieses per-
[ grande opus des ausgezeichneten Löwener Gelehrten
Lebon hier in Deutschland zum ersten Male anzeigen zu
I können. Wir wollen es gleich zu Beginn sagen, dal! mit
diesem Unternehmen der Wissenschaft eine gegenwärtig
wohl noch garnicht in ihrem Werte voll zu ermessende
Publikation eines bisher nicht bekannten Textes geschenkt
worden ist. Die patristische Wissenschaft hat zu den
| vielen Neuentdeckungen der letzten Jahrzehnte etwas
ganz. Neues und ein in seiner Bedeutung, wie ich wohl
| auf Grund der bisherigen Forschung sagen darf, bisher
! garnicht erkanntes Werk der altchristlichen Theologie er-
j halten. Es handelt sich nicht um ein Stück der kirchlichen
Kleinliteratur wie es etwa die von Carl Schmidt entdeckten
und von ihm mit Schubart herausgegebenen
! Acta Pauli sind, oder Theodors von Mopsuestia beide
| Schriften über die Auslegung des Symbols und Taufkatechesen
, die Mimgana aus fast verschollenen Handschrif-
j ten ans Licht gebracht hat. Nein, hier haben wir es mit
! einem theologischen Hauptwerk der späteren christlichen
j Theologie zu tun. Dieses dickleibige Werk war bekannt.
! Es lag seit fast hundert Jahren wenigstens in dem dritten
I Buche, das zwei Drittel des Ganzen ausmacht, unter den
I berühmten syrischen Handschriften des Britischen Museum
aus dem Marienkloster des Wadi Natron. Wright
< hatte in seiner bekannten Akribie über den Inhalt der
| Volumina in seinem großen Katalog der syrischen Hand-