Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1940

Spalte:

124-126

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Humbert, Prof. Paul

Titel/Untertitel:

Art et Leçon de l'histoire de Ruth 1940

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

123

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 5/6

124

ment von Wahrscheinlichkeit die Rede ist, haben wir in Berl. 2 eine
Handschrift vor uns, die ihre Gestalt einer längeren innergriechischen
Geschichte verdankt.

Bei Ex. 2 3,10—13 + 31,12—13 reichen die |
von Stegm. für eine abweichende hebräische Vorlage bei- (
gebrachten Gründe nicht aus. Toi; ü^jteXofiaiv . . . xoic, J
eä-aioCöiv (23,11) statt töv (iimXüva ... xöv eXaiöWa stellt
eine Angleichung an den sonstigen Sprachgebrauch von
'äsäh le (vgl. z. B. Ex. 14,11; Deut. 22,26; Jes. 5,4)
dar, kann sich also innergriechisch erklären; der Plural
könnte eine freie Übersetzung darstellen, da der Plural
von kaeraem in Verbindung mit einem Singularsuffix in
9JI nie begegnet. Zu beachten wäre freilich hier schon i
gewesen, daß eine Reihe von samaritanischen Handschriften
-pjrrib bieten. OeoI &XX6toioi 23,12 begegnen
gar nicht selten als Übersetzung von 'aelohim 'aherlm:
Deut. 31,18. 20; III. Reg. 9, 9; Hos. 3, 1; Jer. 1,16 u.
ö. in Jer. ysxä Mwuoet 31,12 endlich ist eine dogmatische I
Korrektur, welche den Unterschied des direkten und des |
indirekten Redens Jahves (mit Mose zu dem Volke) unterstreichen
soll. Wohl aber führt eine andere, von
Stegm. nicht hinreichend gewürdigte Abweichung allerdings
auf eine verschiedene Textgrundlage: ävajvWjaeis
statt üvauviiodi'irsEo-fh- bez. ävau.vT|ascröe. &vaivraetq entspricht
genau dem -otn (= Var. Tom) des Samaritanus. Damit
ist die Sonderstellung von Berl. 4 erklärt. Wir haben
ein Stück des sog. 2nuo.oEiTiy.6v, nicht der Septuaginta
vor uns! Ob wir es mit einem Stück einer griechisch-
samaritanischen Bibelhandschrift zu tun haben oder mit
einer Zusammenstellung einander verwandter Texte
(nach Art des Papyrus Nash) kann dahingestellt bleiben.
Der Samaritanus zeigt ja das deutliche Bestreben, einan- j
der verwandte Stellen durch Auffüllung gegenseitig anzugleichen
. Bei der Seltenheit von Fragmenten des
SanaoBitueov ist dieser Papyrus von ganz besonderer Bedeutung
.

Da ich die Besprechung nicht über Gebühr anwachsen lassen
darf, verweise ich nur noch darauf, daß sich Jes. 2 5, 9 das Fehlen
des xai ocöoei i]uüc' ovtoc xunioc iwt8[i8(vtt[iev avzöy als
Ausfall auf Grund von Homoiteleuton in der Vorlage von © erklärt,
wie auch in Ms Ken. 30 die fraglichen Worte fehlen; so schon Lieb-
niann ZAW 23,276. Welchen überragenden Einfluß der Ausfall
durch Homoiteleuton im hebräischen Jesajatext spielt, hoffe ich in
absehbarer Zeit an der Hand umfassenden Materials zeigen zu können.
Im übrigen ist seit dem Erscheinen von Stegm. das Material für Jesaja I
durch das Erscheinen der Göttinger Ausgabe (Ziegler) stark gewachsen
.

Berlin (z. Zt. im Felde). Joh. Hempel

Rudolph, Prof. D. Dr. Wilhelm: Das Buch Ruth übers, und erklärt
. Leipzig: A. Deichert 1939. (IV, 47 S.) gr. 8° = Kommentar
z. AT., unter Mitwirk, von A. Alt u. a. hrsg. von Ernst Sellin.
Band XVI, 2. RM 2.50.

Der vorliegende Kommentar zum Buch Ruth zeichnet I
sich aus durch eine umsichtige Bearbeitung, in der alle j
mit dem Buch verknüpften und in einem Kommentar I
billiger Weise zu erwartenden Fragen Berücksichtigung |
und ausführliche Erörterung finden. Besondere Erwähnung
verdienen die reichhaltigen sprachlichen und textkritischen
Bemerkungen, die — wie der über den Text
handelnde § der Einleitung — den besonderen Kenner
dieser Materie und eine eingehende Beschäftigung mit
Sprache, Text und Textzeugen verraten.

Trotz seines geringen Umfangs bietet das Buch Ruth l
der Forschung noch immer mancherlei Probleme, wie j
jede neue Äußerung der letzten Jahre zu ihm zeigt. So
wie es sich uns heute darbietet, mündet es aus in den j
Stammbaum Davids: die Moabiterin Ruth wird Stamm-
matter des größten israelitischen Königs. Während man |
schon länger den sekundären Charakter des Stammbaums i
4,18—22 fast allgemein zugesteht — auch der vorliegende
Kommentar bekennt sich zu dieser Beobachtung —,
sind manche in der Kritik noch weiter gegangen und ha- |
ben auch in 4,17 eine sekundäre Bearbeitung erkennen |
wollen, durch die erst die Verbindung mit David, mit
dem die Erzählung nach dieser Auffassung von Haus j

aus garnichts zu tun hatte, geschaffen worden sei (so zuletzt
bes. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament,
1934). Demgegenüber hält R., dessen Kommentar überhaupt
einen besonnen konservativen Charakter trägt, an
dem ursprünglichen Zusammenhang mit der davidischen
Familiengeschichte fest, ja sieht gerade darin eine besondere
Pointe: „die Landfremde und Kinderlose wird
Ahnfrau des größten Königs von Israel und damit des
regierenden Herrscherhauses, weil sie sich unter die Fittiche
Jahwes begab." Von dieser mehr literarischen Frage
zu trennen ist ja dann immer noch die Frage der geschichtlichen
Glaubwürdigkeit jener genealogischen
Nachricht. Doch wird man R. zugestehen müssen
, daß es, wenn nicht gerade ausgeschlossen, wie er
meint, so doch unwahrscheinlich ist, „daß man dem
größten und gefeiertsten König von Israel, dem Prototyp
des Messias, eine moabitische Urgroßmutter angedichtet
hätte". Wenn jedoch R. darüber hinaus überhaupt
in dem Buch so viel glaubwürdige Geschichte findet
, „als man von einer solchen Volkserzählung verlangen
kann", so vermag ich ihm darin nicht zu folgen..
Zwar wird der in diesem Zusammenhang häufig vorgebrachte
Hinweis auf den symbolischen Charakter der Namen
der Söhne und Schwiegertöchter von R. stark erschüttert
, indem er die gewöhnliche Deutung der Namen
(Machion — Krankheit; Kiljon — Schwindsucht; Ruth —
Freundin; Orpa — die den Rücken Kehrende) mit beachtlichen
sprachlichen Argumenten ablehnt und in ihnen
wie in den übrigen Namen des Buches echte Namen erblicken
will. Aber damit ist die Geschichtlichkeit noch
nicht bewiesen, gegen die, wie schon Gunkel betonte,
entscheidend die Natur der Erzählung spricht: sie ist
nicht Stoff der Geschichtschreibung, sondern poetische
volkstümliche Sage.

In der Frage der Abfassungszeit kann R. die vielfach
vertretene Ansetzung in nachexilischer Zeit nicht mitmachen
. Die Anschauungen über das Levirat wie der naiv
erzählende Vers 1,4 setzten voraus, daß das Deuterono-
mium zur Zeit der Abfassung noch nicht in Kraft war.
So setzt R. Ruth in die Zeit von 1000—700 und ineint
mit der Zeitbestimmung „spätere Königszeit" annähernd
das Richtige zu treffen.

Schon mit dieser zeitlichen Ansetzung fällt für R. die
früher meist vertretene (doch schon bei Gunkel, Greß-
rnann, Eißfeldt, Jepsen u. a. sich nicht mehr findende)
Auffassung, es handle sich in Ruth um eine Protestschrift
gegen die rigorosen Maßnahmen Esras in der
Frage des Konnubiums. Freilich hält er es auch nicht
mit denen, die es ablehnen, in dem Buch überhaupt eine
Tendenz zu sehen und die meinen, es wolle nur erzählen
und ergötzen oder den Heroismus der Witwen- oder
Frauentreue u. ä. darstellen (wobei allerdings, wie man
an Gunkel sieht, die Rolle des Vorsehungsglaubens nicht
unbemerkt zu bleiben brauchte). Vielmehr: „Ruth will
wie alles alttestamentliche Schrifttum nicht von Menschen
reden, sondern von Gott." „An Ruth soll gezeigt
werden: wer sich unter die Fittiche des Gottes Israels
begibt, der empfängt reichen Lohn von ihm." „Und an
Noomi •.. soll man lernen, wie Jahwe den Kleinglauben beschämt
." „Gerade diese ganz menschliche Erzählung,
in der keine Wunder geschehen und in der nichts von
Kult oder Opfer vorkommt, ist durchzogen von dein
Glauben an Jahwes gütige Vorsehung." Hat aber Verf.
in dieser Betonung des tröstenden und erbaulichen Charakters
des Buches recht — und m. E. ist dies der Fall
—, so wird man auch von hier aus leicht zu einer skeptischeren
Beurteilung in der Frage der geschichtlichen
Glaubwürdigkeit geführt.

Tübingen Ernst Wurth wein

Humbert, Prof. Paul: Art et Lecon de l'histoire de Ruth.

Lausanne: Imprimcrie La Concorde [o. J.|. (32 S.) gr. 8° == Extrait
de la Revue de theologie et de philosophie, nouvelle Serie, tome
XXVI, octobre-decembre 1938.

Es sind in den letzten Jahren bemerkenswerte Arbei-