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Ausgabe:

1940

Spalte:

94-96

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Oltmanns, Käte

Titel/Untertitel:

Meister Eckhart 1940

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeilung 1940 Nr. 3/4

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den ersten Worten an Jacob Burckhardt anknüpft, also
ein sehr hohes Ziel sich setzt, mehr als ein klares und
wirkungsvolles Konstantinbild, nämlich die Geschichte
der Zeitenwende von Decius bis Konstantin. Und das ist
ein besonderer üewinn. Denn wir haben infolge von
Umständen der Wissenschaftsgeschichte, die hier unberührt
bleiben mögen, keine umfassende Darstellung dieser
krisenreichen und entscheidungsvollcn Zeit. Erst
jüngst hat Hans Lietzmann in seiner Kirchengeschichte
Bd. 3 eine Darstellung der politischen und Geistesge-
schichtc dieser Zeit gegeben. Es liegen aber so viele
einzelne Beobachtungen zu diesem Gegenstand vor, daß
es längst einmal an der Zeit war, diese Materialien zusammenzufassen
. Hönn legt keinen Wert darauf, selbst
in den Gang der Einzelforschung einzugreifen. Er will
resümieren und gestalten. Und das ist ihm gelungen.
Den ganzen Reichtum an Quellen- und Literaturkenntnis
enthüllen die 63 Seiten, also fast ein Viertel des Buches,
beanspruchenden Nachweise- Mir ist nichts aufgefallen,
was nicht herangezogen wäre. Diese Material'kammer ist
bis an die Decke angefüllt.

Es bleibt noch übrig, kurz über die Gliederung des
Buches zu berichten; auch hier läßt sich das Vorbild
Burckhardts nicht verleugnen. In einem ersten Kapitel
wird der äußere Zusammenbruch des römischen Reiches
seit der Tausendjahrfeier Roms im Jahre 248 geschildert
; in den beiden folgenden Abschnitten werden uns
die Ursachen des Niederganges in den wirtschaftlichen
und sozialen Krisen des Reiches und in der Ermüdung
des antiken Geistes erklärt. Einen breiten Raum nimmt
die Besprechung des Endes der antiken Religion ein.
Und dann mit dem 5. Kapitel, sorgfältig zu dem zehnten
Schlußkapitel komponiert, beschreibt Hönn die Restau-
rationsversuche der Kaiser Aurelian und Diokletian.
Der zweite Teil hebt mit zwei knappen Kapiteln über
Constantius Chloros und die Jugend Konstantins an, in
denen der neue Stern jäh zum Aufleuchten kommt.
Danach wird in breit ausladender Erzählung der Hauptgegenstand
des Buches, Konstantins steiler Weg zur
Alleinherrschaft, die Zeit seiner unbeschränkten Monarchie
geschildert. Das krönende Kapitel ist dasjenige
über Konstantin und das Christentum, in dem nun klar
die verschiedenen, unter sich völlig unausgeglichenen
Elemente des Willens und des Geistes Konstantins aufgezeigt
werden, ohne daß eigentlich — wie es auch nicht
anders sein kann, eine Formel gegeben würde, auf die
man die weltgeschichtliche Tat Konstantins bringen könnte
. Mit Recht betont H. den Willen Konstantins, eine
neue Gestalt der menschlichen Gemeinschaft zu begründen
. Diese geschichtliche Leistung wäre nicht möglich
gewesen ohne jene dem Genius gegebene Einsicht in die
geistigen Kräfte der Zeit; und diese Einsicht hat ihn
ebenso wie sein alles begreifender Wille zu dem ,Großen'
gemacht.

Zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen. S. 172: woher weiß
H., daß Arius ca. 322/3 aii den Hof des Licinius gerufen wurde? In
dieser Auffassung steckt noch ein Rest der gänzlich verfehlten Interpretation
Seecks. S. 186: woher weiß H., daß Dalmatius zur
Untersuchung gegen Athanasius wegen der Mordsache nach Alexandrien
gesandt wurde? vgl. Äthan, apol. secunda 65 (II 144,4 meiner
Ausgahe und die Noten zur Stelle).

Man begegnet oft dem Raisonnement, das mit einer
unverkennbaren Neigung zu dieser Art des Auffassens
der Geschichte vorgetragen wird. Sicher beruht auf dieser
Eigenart die schriftstellerische Leistung Hönns, die
seinen Konstantin vielen Kreisen zugänglich machen
wird. Das Buch gehört in die Hand des geschichtlich
Interessierten und wird dort die beste Wirkung erzielen,
nämlich zur Bereitschaft für das Verständnis dieser uns
nur äußerlich so entfernt scheinenden Epoche und der
sie beherrschenden Persönlichkeit anleiten. Das ist um
so wünschenswerter als wesentliche Elemente unserer
Existenz in jener Epoche zu finden sind.

Wien H.-O. Opitz

Vogt, Joseph: Kaiser Julian und das Judentum. Studien zum
Weltanschauungskampf der Spätantike. Leipzig: J. C. Hinrichs
Verlag 1939. (IV, 74 S.) 8° = Morgenland. Darstellungen aus

Geschichte und Kultur des Ostens. Heft 30. RM 3_

Diese hervorragende Arbeit untersucht auf Grund"
reichen Quellenmaterials ein bisher stark vernachlässigtes
Problem. Ein einleitender Abschnitt schildert die
geistige Verfassung des Judentums nach 70, insbesondere
den zunehmenden Römer- und Christenhaß der Ju-
j den. Umso unverständlicher ist die judenfreundliche
I Politik der römischen Kaiser des 3. Jhdts., die der Verf.
| mit Recht aus rassischen Gründen erklärt. Gegen das
entstehende Christentum aber kannte das trotz kaiser-
I licher Förderung stagnierende Judentum nur „hinterhältige
Feindschaft und dumpfe Negation". Der zweite
Abschnitt stellt die im allgemeinen bekannten Zeugnisse
des antiken Antisemitismus besonders aus der Philosophie
zusammen, zeigt daneben aber auch die jüdischen
Einflüsse auf eine gewisse philosophische Gattung. Hier
hätte der Verf. aus den schönen Ergebnissen Wechßlers
(Flellas im Evangelium), die er leider nicht zu kennen
scheint, noch viel lernen können. Ausführlich wird vor
allem von V. auf die zwiespältige Haltung des Neupla-
tonismus eingegangen, die sich am schlimmsten bei Por-
I phyrius zeigt. Abschnitt 3 referiert leider zu kurz über
den Kampf des Christentums gegen das Judentum; einiges
weitere Material habe ich in der „Kommenden Kirche
" (1939 Nr. 13 u. 14) kurz zusammengestellt. Richtig
ist das Ergebnis: dem spätantiken Philoseinitismus
steht ein scharfer frühchristlicher Antijudaisnuis gegenüber
. Ausführlicher werden hier allerdings nur Origenes
und Euseb — im letzten Abschnitt noch Chrysostomos
und Ambrosius — besprochen. Der nächste Abschnitt
stellt die judenfeindliche Gesetzgebung der ersten christlichen
Kaiser zusammen. Sie steht in deutlichein Gegensatz
zur judenfreundlichen Gesetzgebung der letzten
heidnischen Kaiser. Auch die kirchliche Gesetzgebung
ist von Anfang an ausgesprochen judenfeindlich: schon
die Synode von Elvira (etwa 300) verbietet schroff
Mischehen von Christen und Juden; schon Konstantin
verbietet den Juden das Halten christlicher Sklaven, seine
Söhne stellen auf Mischehen zwischen Christen und Juden
die Todesstrafe und bestrafen Übertritt zum Judentum
mit Gütereinziehung. Als sich die Juden darauf er-
' heben, werden ihre Zentren dem Boden gleich gemacht.
Die heidnische Reaktion Julians wirkt sich nun, wie die
nächsten Abschnitte zeigen, zu Gunsten der Juden aus,
einmai weil Julian in den Juden die schärfsten Gegner
der Christen erkannte, andrerseits weil er gewisse Züge
der jüdischen Religion bejahte. Hier prüft der Verf. die
Quellen besonders sorgfältig. Julians Plan, den Tempel
von Jerusalem neu zu erbauen, hat drei Motive: seinen
Christenhaß, die Absicht, sich durch ein großes Bauwerk
berühmt zu machen und die Gunst der Juden zu gewinnen
. Die Einstellung des Baues _erfolgte sicher nach
Ammians unvoreingenommenem Bericht auf Grund elementarer
Vorgänge, wahrscheinlich eines Erdbebens oder
Erdrutsches. Eine Reihe von weiteren Berichten bestätigen
diesen Sachverhalt. Die Wirkung des Mißerfolges des
Tempelbames behandelt der letzte Abschnitt wieder auf
Grund zahlreicher, sorgfältig geprüfter Quellen. Er ist zu-
| gleich ein neues Zeugnis für das „Episodenhafte" der
j Kultur- und Religionspolitik Julians. Hinzuweisen ist
I besonders noch auf die gute Analyse des pseudojuliani-
schen Briefes 204, über den nunmehr die Akten geschlossen
sein dürften.
Königsberg-Pr. z. Zt. im Heeresdienst Carl Schneider

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Oltmanns, Käte: Meister Eckhart. Frankfurt a. M.: Vitt. Klostermann
1935. (213 S.) gr. 8° = Philos. Abh. Bd. II.

RM 6.50; geb. RM 8.50.
Warum sollte man nicht auch einmal Meister Eckhart
| statt nach Kant oder nach Hegel philosophisch nach Hei-