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Ausgabe:

1940

Spalte:

91-93

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hönn, Karl

Titel/Untertitel:

Konstantin der Grosse 1940

Rezensent:

Opitz, Hans-Georg

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4

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706) und weiß sich, wo es nicht anders geht, auch zu
bescheiden (S. 476. 528 f. 696. 697); er erliegt nicht,
wie so viele Philologen, der Versuchung, alles deuten und
erklären zu wollen. Aber gerade darum steht das mächtige
Werk in so großartiger Geschlossenheit und Festigkeit
vor uns. Schon der bloße Nachweis, „daß eine
sehr große Zahl der griechischen hagiographischen
Handschriften nichts anderes ist als das Menologium
Symeons des Metaphrasten, das in 693 Handschriften"
— einst waren es Tausende — „nebst 132 oder 134 kleineren
Fragmenten nachgewiesen werden konnte, ... bedeutet
eine sehr beträchtliche hntlastung der hagiographischen
Forschungsarbeit" (S. 660). Ihr sucht der Verf.
in selbstloser Weise mit seinen „Rubriken"listen, Hinweisen
und Handschriftenverzeichnissen, die Wege zu
ebnen und andern unnütze Arbeit zu ersparen; nach allen
Seiten hin öffnet sich gleichzeitig der Blick auf neue
Möglichkeiten und Aufgaben, auf die gelegentlich auch
ausdrücklich hingewiesen wird (vgl. z. B. S. 354 ff. 392.
698. 706). Eine überragt freilich alle anderen an Dringlichkeit
, und ihrer Vorbereitung dient ja auch das vorliegende
Werk in allererster Linie; das ist die kritische Ausgabe
der überlieferten Texte selbst, die von verschwindenden
Ausnahmen abgesehen noch nirgends versucht
worden ist und die in zahlreichen Fällen überhaupt die
erste gedruckte Darbietung des im so vieler Hinsicht
kostbaren Stoffes sein wird.

Wien H. v. Ca m penhausen

Hönn, Karl: Konstantin der Große. Leben einer Zeitenwende.
Leipzig: J. C. Hinrichs Verlag 1939. (VIII, 263 S., 40 Abb. auf
24 Taf.) 8°. RM 6—; geb. RM 7.80.

Die Gestalt Konstantins hat in der deutschen Geschichtsschreibung
keine einheitliche Würdigung erfahren
. Wir besitzen kein im Gemeinbewußtsein verankertes
oder gar von diesem weitergestaltetes Konstantinbild,
wie das etwa für Alexander, Caesar, Augustus, Karl d.
Gr. selbstverständlich ist. Nur im Raum der katholischen
Kirche hat sich so etwas wie ein gültiges Konstantinbild
bilden können, wo der dem Kaiser verliehene
Heiligenschein das Bild erleuchtet oder, wie man will,
auch überschattet. Die geschichtliche Forschung mußte
um die Erkenntnis dieser Gestalt an einer Zeitenwende
so sehr ringen, weil die Quellen so einseitig und auch
spärlich fließen. Es ist hier ein unersetzlicher Verlust,
daß Ammiams Gesehichtswerk gerade für die Komstan-
tinische Zeit für immer verloren ist. Es hat nun einer
äußerst mühevollen Arbeit bedurft, um aus den Inschriften
, den Papyri und den Resten der Religionsgeschichte
die Steine für ein Mosaikbild zu sammeln. Für die Plastik
und Architektur ist das Nötige erst in den letzten
Jahren durch Delbrück, L'Orange und Schönebeck getan
worden. Und doch liegen einige bedeutsame Versuche
vor, der zerflatternden Überlieferung über Konstantin
Herr zu werden und aus ihr ein Verständnis der
geschichtlichen Bedeutung Konstantins zu erheben. Voran
steht das noch heute als Leistung unvergleichliche Buch
von Jacob Burckhardt von 1853, dem auf lange Zeit
nichts Ähnliches folgte. Erst 1911 legte Eduard Schwartz
.als Frucht seiner jahrzehntelangen Arbeit auf dem Gelbiet
der spätantiken Geschichte seinen inzwischen klassisch
gewordenen Konstantin vor, der übrigens mehr enthält
als eine bloße Darstellung des Verhältnisses Konstantins
zur christlichen Kirche; hier liegt sowohl ein
Entwurf der Geschichte der christlichen Kirche als auch
des Imperiums in seiner kritischen Zeit vor. Der Konstantin
Jacob Burckhardts war der Despot jenseits der
klassischen Zeit der Antike, dem nichts galt als der
eigne Wille. Im Grunde hat Schwartz den Kaiser auch
so gezeichnet, wenn gleich sehr klare Modifikationen
gerade in der 2. Auflage des Buches nicht zu verkennen
sind. Aber bei Schwartz löst sich infolge einer weit eindringenden
Kenntnis sowohl der Überlieferung des Imperiums
und der Ekklesia deutlicher die ganze folgenschwere
, wenn auch für die vielen Zeitgenossen schmerzliche
neue Epoche der Geschichte aus den Taten Kon-
I stantins heraus. Schwartz ist es noch mehr als Burck-
; Hardt gelungen, die Gewalttätigkeit geschichtlicher
I Macht, die sich in dem einen Manne, dem Feldherren
und Herrscher, einmalig nach Augustus
verdichtet hat, uns vor die Augen zu rücken. Der Leser
lernt Konstantin mit den Augen sehen, die uns selbst
für die Auffassung geschichtlicher Größe gegeben sind.
I Nicht umsonst hat Schwartz der 2. Auflage seines Buches
die in ihrer Monumentalität den Beschauer schier
erdrückende Iinperatorengeste der Kolossalbüste aus der
Apsis der Konstantinsbasilika vorangestellt. Der deutsche
Geschichtsfreund ist seit jeher gewohnt gewesen,
Konstantin in dieser Attitüde zu sehen. L'Orange hat
bei der Beschreibung der Büste bereits gesagt: „Gegenüber
der früheren Konstantinischen Zeit ganz andere
Härte in der linearen Schematisierung der Naturformeu,
neue ikonenhafte Stimmung des Ausdrucks, die wesentlich
durch die Behandlung der weit aufgesperrten, ornamental
herausgehobenen Augen bewirkt wird." In der
Tat, wir haben in diesem Konstantin den Konstantin vor
uns, wie er sich uns aus den christlichen Urkunden darstellt
. Die Gelehrten in Frankreich und England haben
immer einen anderen Konstantin gesehen. Ich denke an
Maurice, Baynes, Piganiol. Hier lernen wir Konstantin
als Begründer der abendländisch-christlichen Zivilisation
kennen. Besonders das Buch von Maurice ist ein einziges
Manifest für die Ideale der westeuropäischen Zivilisation
, die sich in Konstantin zum ersten Male in der
Geschichte geformt haben. Übrigens kann man nicht
übersehen, wie sehr diese bedeutenden Gelehrten ihr
Konstantinbild mit dem gleichen Kolor versehen, der
dem der katholischen Kirche eigentümlich ist. Der deutschen
Geschichtschreibung ist dieser Konstantin aus Einsicht
in die Quellen und wohl nicht zuletzt empfiindungs-
mäßig fremd. Und doch wird der Kenner der Quellen
zugeben müssen, daß uns aus den Monumenten der Plastik
und der großen Publizistik vor allem Eusebs
noch eine Ergänzung dieser beiden Typen des Konstantin
entgegentritt. Wir dürfen ihn den Alexander- und
Augustustyp nennen.

Auf dem Umschlag des Buches von Hönn tritt
wie -mit einprägender Gebärde der Kopf eines Berliner
Konstantin entgegen, der ihn nach dem Vorbild
des Augustus als Erretter des Staates darstellt. Nicht
von ungefähr kommt Hönn zu dieser Auffassung.
Er ist als Verfasser eines bekannten und geschätzten
Augustusbuches bekannt geworden. Gewiß kann es einen
Augustuskenner wie Hönn reizen, nun den Endpunkt der
früheren Geschichte des römischen Imperiums in Konstantin
zu bezeichnen. Er wird sich auf Konstantin gewiesen
wissen, weil hier nicht nur die große Epoche des
römischen Imperium ihr Ende erreicht, sondern sich zugleich
der Wille zu einem neuen Abschnitt der Weltgeschichte
durchringt. Man darf dem Verfasser durchaus
bezeugen, daß ihm das aus seiner bewundernswerten Belesenheit
und Kenntnis der vielen verstreuten gelehrten
Untersuchungen der letzten Zeit vollauf gelungen ist.
Konstantin erhält einen Schimmer von Alexander und
Augustus. So haben ja den Kaiser die Zeitgenossen gesehen
, so können wir ihn auf den Münzen und durch die
Plastik dargestellt finden. Man könnte nämlich aus Eu-
seb einen vollen Kommentar zu den figürlichen Darstellungen
Konstantins geben — leider haben sich weithin
die Neueren das entgehen lassen. Das Apollinische
seines Wesens hebt nicht nur die heidnische Überlieferung
an Konstantin heraus, sondern vielleicht noch einprägsamer
die theologische Spekulation Eiisebs- Und
dieser Konstantin wird von Hönn nun einmal uns zu
vermitteln gesucht. Man kann schwer sagen, ob in dem
Buche ein Fortschritt etwa gegenüber Schwartz erreicht
ist. Ein jeder muß zusehen, wie er es treibe. Unbedingt
einen Gewinn bedeutet es, daß wir jetzt einen Konstantin
, mit den Augen der Zeitgenossen gesehen, erhalten
haben. Aber darüber hinaus bietet das Buch, das mit