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Ausgabe:

1940

Spalte:

85-88

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Allberry, C.R.C.

Titel/Untertitel:

A Manichaean Psalm-Book 1940

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4

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druckten NT-Ausgaben! Und schließlich: wozu diese Einteilung in §§
von bis zu anderthalb Zeilen Kürze? Besser wäre eine Zusammenfassung
größerer Einheiten gewesen, die zwar auch nicht fehlt, aber
die die kurzen Einheiten einfach hätte aufheben können. Das Buch
enthällt 440 §§! —

Und nun zum eigentlichen Thema, dem Gedanken
der ßaotXefa bei Paulus- Hier nimmt der Vf. eine wenig
glückliche Teilung vor. Er scheidet nämlich genauestens
— und meint damit des Paulus eigene Scheidung herausgefunden
zu haben — zwischen der ßcioitata toö tteoü und
der faunteia fteoO. Erstere Bezeichnung gelte der gegenwärtigen
Oottesherrschaft, letztere der zukünftigen. Daß
diese These undurchführbar ist, zeigt ein erster Blick in
die Konkordanz. Ich verzichte daher auf eine Begründung
meiner Ablehnung, und verweise nur auf § 4b, die
Behandlung von 2. Thess. 1,5, wo der Vf. wegen des
Artikels die üegenwärtigkeit der ßaoiXeCa herauslesen
muß! Oanz unmöglich ist in meinen Augen darum auch
die Konstatierung einer allmählichen Entwicklung im
Sprachgebrauch des Paulus betr. ßaoiXefa, wie sie z. B.
§ 49 vorgenommen wird: vom Eschatologischen zunn Gegenwärtigen
. —

Auf weitere Einzelheiten verzichte ich. Einen Beitrag
zur Paulusforschung vermag ich in diesem Buch nicht
zu erblicken.

Berlin H. Seesemann

KIRCHENGESCHICHTE: SPÄTANTIKE

AI 1 b e rry , C. R. C.: A Manichaean Psalm - Book ed. with a
contrib. by H. Ibscher. Stuttgart: Kohlhaminer 1938. (XXIII, 234/48
S.) gr. 8° = Manichaean manuscripts in the ehester Beatty Col-
lection vol. II. RM 52—; geb. RM 56—.

Band I der Ausgabe der „Mankhäischen Handschriften
der Sammlung A. ehester Beatty" ist 1934 erschienen
und wurde in der ThLZ. CO, 1935, Sp. 357—59 an- 1
gezeigt. Der damalige Herausgeber H. J. Polotsky ist
jetzt durch C. K. C. Allberry ersetzt und damit zugleich
an Stelle der deutschen Sprache die englische getreten.
H. Ibscher, der auch diesmal wieder einleitend über
die Handschrift und seine Arbeit an ihr berichtet, bedient
sich der deutschen Sprache.

Hatte der 1. Band Mamichäische Homilien enthalten,
so empfangen wir jetzt Mamichäische Psalmen. Der berühmte
Fund verschollener Mami-Literatur umfaßte als
einen seiner Hauptbestandteile ein Psalmenbuch, das ]
den Liederschatz der mamichäisehen Gemeinden in Ägypten
barg (vgl. C.Schmidt Ein Mani-Funa in Ägypten: S.
d. Preuß. Akad.d. W. 1933 I 30 ff.). Der hier angezeigte
Band legt den zweiten Teil dieses Gesangbuches vor.
Das erklärt sich daraus, daß die 120 aufeinanderfolgenden
Blätter, die seinen Inhalt ausmachen, von Ibscher
zunächst in gebrauchsfähigen Zustand versetzt worden
waren.

Das Psalunenbuch, oder wenigstens der vorliegende
Teil, ist fast ganz von einer Hand geschrieben. Das bindert
nicht, daß mehrere Verfasser dazu beigesteuert haben
. Herakleides, einer der zwölf Apostel Manis (S. 97,
14 und mehrfach im Index der Psalmen am Schluß
S. 229ff.), der gleichfalls als Manijünger bekannte Thomas
(203,1) und ein Syrus (14,19. 27,16. 231 b, 26)
werden als Dichter namhaft gemacht. Allberry setzt die
Fertigstellung der Sammlung in die Zeit um 340 (S. XX).

Sie bestand — laut Index — aus 289 numerierten
Psalmen und verschiedenartigen Gruppen unnumerierter
Psalmen. Unsere Hälfte veröffentlicht die letzteren ganz
und von dcn gezählten die Stücke 219—289. Auch sie
zerfallen in verschiedene Unterabteilungen. Nr. 219—241
sind Hymnen zum Bfin«-Fest, das zur Erinnerung an
Manis Tod gefeiert wurde und ungefähr mit dem Osterfest
zusammenfiel. Andere Gruppen bieten Psalmen
des Herakleides (Nr. 277—286; dazu die nichtnumerier-
ten auf S. 187—202) oder des Thomas (S. 203—227).
Letztere unterscheiden sich von dem Rest sowohl in halt-

lieh als auch durch die Form. Alle übrigen nämlich laufen
in eine Doxologie aus, in der Ehre gezollt wird
, Gott, Jesus, Mani, dem Auserwählten und einer Anzahl
von Manichäern, vermutlich Märtyrern. Die vorkommenden
Namen sind originalägyptisch oder gehören doch
dem gräzisierten Ägypten an. Das weist deutlich auf den
Ursprung hin.

Die Psalmen waren für den Wechselgesang bestimmt.
! Einem Sänger antwortet die feiernde Gemeinde. Vieles
i ist lückenhaft, manches bis zur Unverständlichkeit. An-
i deres ist so gut erhalten, daß der Sinn ganz deutlich
I wird und" wir durchaus einen Eindruck von der religiö-
i sen Poesie der Manichäer gewinnen.

Die Ausgabe stellt dem koptischen Text die englische
Übersetzung gegenüber und fügt unter dem Strich
eine Anzahl Noten bei, die keinerlei Anspruch auf Voll-
; ständigkeit erheben, am Schluß endlich Indices von Wör-
i tern, Namen, maniehäischen Fachausdrucken und Bibelstellen
. Deutliche neutestamentliche Berührungen kommen
allerdings erheblich häufiger vor, als Apparat und
: Liste vermuten lassen.

Besonders lehrreich und für die Bestimmung von
j Zeit, Ort und Art nicht gleichgiltig ist der Umstand, daß
i auch die Welt der neutestamentlichen Apokryphen sehr
deutlich spürbar wird. Dafür daß die Manichäer apokryphe
Apostelakten hochgeschätzt haben, gibt es Zeug-
I nisse genug (vgl. z. B. A. Harnack, Geschichte der alt-
christl. Literatur I, 1, 1893, S. 116ff.). Sie beschritten
damit einen Weg, den vor ihnen die Anhänger des Bar-
desanes gegangen waren, und bezeugten überhaupt ihre
enge Verbundenheit mit der Gnosis.

Dreimal werden Apostel und Jüngerinnen aufgezählt
und mehr oder weniger gekennzeichnet: S. 142,17—143,
14. 192,5—193,3. 194,7—22. Vieles ist wohlbekannt,
anderes eigenartig. Petrus wurde mit dein Kopf nach unten
gekreuzigt (S. 142,18 f.), Andreas samt seinen Jüngern
gekreuzigt (142,201), nachdem man zuvor Feuer
an sein Haus gelegt hatte. Der letztere Zug findet sich
in dein äthiopischen Certamen apostolorum (ed. S. C
Malam 1871, 112—17. Vgl. R. A. Lipsius, Apokryphe
Apostelgeschichten I 622). Wenn Andreas dann weiterhin
(S. 194,8) „das erste heilige Standbild" heißt, so
muß sich das auf die, von Epiphanius Monachus (um
800) mitgeteilte, Geschichte beziehen von dein, noch in
seiner Gegenwart vorhandenen, Bethaus bei Sinope mit
der Marmorstatue des Andreas aus dessen Lebenszeit
(Epiph. ed Dressel S. 47,24. 50,23. Vgl. Lipsius I
570. 576).

Johannes, die Jungfrau (so auch 192,7), „trinkt den
Kelch" 142,22—24. Aber während die Legende in der
Hegel die Weissagung Mi 20, 23 = Mk-10, 39 durch einen
Gifttrunk oder ein Ölmartyrium erfüllt sieht, vernehmen
wir hier, man habe ihn 14 Tage lang eingekerkert, um
ihn verhungern zu lassen. 143, 11 f. wiederholt sich das
bei Drusiana, der Jüngerin des Johannes, die „14 Tage
hindurch eingekerkert war wie ihr Meister". Das ruft
Act. Jo. Kap. 103 ins Gedächtnis, wo es lautet: „Gott,
der in Kerkern, Banden, Gefängnissen u. s. w. zugegen
ist..., der alle Leidenden, die ihn anrufen, erhört..., erhört
jetzt eben mich und Drusiana als der Eingekerkerten
Gott und bringt uns Hilfe durch seine Barmherzigkeit".
In den erhaltenen griechischen Akten ist freilich weder
vorher eine Gefangensetzung des Johannes und der Drusiana
berichtet worden, noch folgt weiterhin eine Befreiung
, sondern Kap. 105 gehen beide ohne weiteres
ungehemmt fort.

Jakobus der Zebedaide findet den Tod durch Steinigung
(142,25 f. 192,9), während er sonst immer, auch
in den koptischen Akten des Jakobus (Lipsius II 2,212),
im Anschluß an AG 12,2 enthauptet wird. Ob hier eine
Verwechslung mit dem Herrnbruder vorliegt, bei dessen
Martyrium ja seit Hegesipp (auch Joseph., ant. 20, 200)
die Steinigung eine gewisse Rolle spielt? 194,14 wird
der Herrnbruder freilich mit dem „anderen Jakobus" aus
dem Zwölferkreis gleichgesetzt.