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Ausgabe:

1940

Spalte:

84-85

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Westerink, Hendrik Jan

Titel/Untertitel:

Het Koninkrijk Gods bij Paulus 1940

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4

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Rückkehr aus dem Exil, sondern die Umkehr zu Jahwe erfleht ist.
Eine „babylonische" Überarbeitung der Kap. lehnt R. ab. Ausführlich
wird dargetan, wie es dazu kommen konnte, Jeremia als Verfasser
der Klagelieder anzusehen, und ebenso eingehend wird bewiesen, daß
diese Annahme nicht möglich ist.

Die Anlage des Kommentars ist mustergiltig. Der
wortphilologische Teil ist streng für sich gesondert, so
daß die inhaltliche Erklärung ein fließendes Ganzes ist.
Der wortphiilologische Teil ist eine wahre Fundgrube
grammatikalischer, lexikographischer, textkritischer und
einzelexegetischer Mitteilungen; die umfassende sprachliche
Bildung Rudolphs und die Zuverlässigkeit seiner
Forschung treten lebhaft zu tag. Wir hören wichtige Urteile
über Charakter und Wert der hebräischen und griechischen
Handschriften und der Versionen, die Tragweite
der Textkritik wird z. B. an der Bemerkung zu 3,31
deutlich (Ersatz von mm durch iym in M. schon etwa
130v.Chr.). Überraschend und völlig einleuchtend ist
die durch den sonstigen jüdischen Gebrauch belegte Vermutung
zu 1,12: DDr3N tob als Glosse = „euch triffts
nicht"; wir sind zugleich dadurch berechtigt, ähnliche
Randbemerkungen auch sonst im hebräischen Text anzunehmen
. Bei 5, 9 frage ich, oh Jod nicht mater lectionis
ist ( 1 = Vokal e), ein Beispiel für die Notwendigkeif,
dem Problem der matres lectionis gründlich nachzugehen
. Die sekundäre Literatur, auch die alte und ausländische
hat R. mit größtem Fleiß berücksichtigt. Calvin
wird namentlich in der Auslegung immer wieder beigezogen
.

Die alphabetische Ordnung erklärt R. gewiß richtig als Hilfsmittel
des Gedächtnisses; er gibt dabei Auskunft über die antiken
Heimatorte alphabetischer Dichtung und über das bisherige Fehlen
von Parallelfunden im alten Orient. Für die Metrik sind Threrii das
gegebene Versuchsfeld. R. findet mit Recht die Kina in beweglicher
Form (nicht in der starren der 3 -)- 2 Hebungen). Erneut stelle ich
die Frage, ob nicht das accentuierende System mit dem quanti-
tierenden verbunden war, zumal da die Lieder ursprünglich
gesprochen und vorgetragen wurden. In 1,2 b 1,6 a z. B. sieht
man deutlich, daß das Sprech gewicht der ersten Hälfte größer
ist als das der zweiten, so daß man zwar nicht 3 —(— 2 Hebungen,
aber längere -|- kürzere Hälfte finden kann (Rudolph
beidemal 2 -f- 2 Hebungen).

Der theologische Gehalt der Klagelieder wird im
Kommentar immer wieder betont- R. gibt ihn schon in
den Überschriften, die die Kapitel trefflich kennzeichnen
und als sachliche und künstlerische Einheit zusammenfassen
. Echt prophetisch redet der Dichter ständig von
der Begründung des Unglücks als gerechter Strafe, von
der Erkenntnis der selbstverschuldeten Gottesferne und
vom göttlichen Zorn, die Überschrift von Kp. 2: „Jahwe
hat's getan" bringt das Ganze auf die theozentrische
Formel. Besonders fein ist die Bemerkung zu 3, 29 von
dem durchaus prophetischen „Vielleicht", durch das die
göttliche Souveränität gewahrt wird. Ob die Auslegung
von 5,22 richtig ist, möchte ich bezweifeln. R. meint
(wie Calvin), der Dichter argumentiere hier vom Unmöglichen
aus, weil er des Gegenteils gewiß sei. Die
natürlichere Erklärung ist doch wohl, daß sich der Dichter
hier zum Schluß ganz demütig und ergeben unter
den Ratschluß Gottes beugen will (ähnlich wie bei dem
vorhin genannten „Vielleicht"). Die Deutung von 1,19
auf den Adel Jerusalems halte ich nicht für wahrscheinlich
, und ob man angesichts Jer. 40,7—12 von einer
Gewaltherrschaft der Babylonier in Palästina unmittelbar
nach 587 sprechen kann, ist mir fraglich. Wäre es nicht
möglich, Verse wie 5,10 ff. und andere auf die Zeit
während der Belagerung und unmittelbar bei der Eroberung
Jerusalems zu deuten, so daß die Kapitel nicht bloß
den Zustand nach 587, sondern das gesamte Elend
von 58 7 beschreiben würden?

Alles in allem bedeutet der Kommentar Rudolphs
einen wesentlichen Fortschritt in der Auslegung der
Klagelieder und ist ein Musterbeispiel der Vereinigung
von theologischer Forschung und streng philologischer
Gelehrsamkeit.
Tübingen p, V o 1 z

NEUES TESTAMENT

j Sass, Gerhard: Apostelamt und Kirche. Eine theologisch-exegetische
| Untersuchung des paulinischen Apostelbegriffs. München: Chr.
| Kaiser 1939. (142 S.) 8° = Forschg. z. Geschichte u. Lehre d.
Protestantismus, Neunte Reihe, Bd. II. RM 4.20.

Obwohl das Buch selbst an einigen Stellen mit reichlichem
Pathos betont, daß es notwendig eine Lücke aus-

j fülle, habe ich nichts in ihm gefunden, was über die
zahlreichen bisherigen Untersuchungen zum Apostelbegriff
wirklich fördernd hinausführt. Nach Wiederholung

j einiger bekannter philologischer Dinge müht sich der
Verf. in einer nicht immer wissenschaftlich klaren Ter-

! minologie um die „e sc h a t o lo g i s c h e Bestimmt-

I heit" des paulinischen Apostelbegriffs. Nachdem dies
nicht mehr ganz neue Zauberwort mit einem Ausrufezeichen
versehen ist (S. 37) werden in systematischer Anordnung
die paulinischen Apostolosstellen theologisch
besprochen. Aber auch hier ist meist nur Bekanntes zusammengetragen
. Über die Schwierigkeit der historischen
Problematik wird gelegentlich allzu naiv hinweggegangen
(S. 44/9). Urteile wie die über die religionsgesehicht-

i liehe Arbeit Hans Windischs (S. 70 A. 198) sollten in

( einem so wenig religionsgeschichtlich fundierten Buch
lieber unterbleiben. Im übrigen aber darf man den Fleiß

j des Verf. immerhin anerkennen, mit dem er auf jede

j Stelle eingeht.

Der zweite Teil müht sich um drei Teilfragen: Paulus
und die anderen Apostel, die Kollekte und Apostolat
und Mission. Hier wird sehr umfangreich aus der bisherigen
theologischen Literatur referiert. Aber bei den
— nicht sehr zahlreichen — Ergebnissen überwiegt wieder
die theologische Spekulation über die historische Tatsächlichkeit
. Mit Sätzen wie: „Wir vermögen dieser Auslegung
nicht zu folgen" werden andere Auffassungen
einfach abgetan. Die Kollektenfrage liegt viel schwieriger
, als S. sieht, wenn er auch richtig auf Nichtannahme
der Kollekte durch Jerusalem hinauskommt — allerdings
ohne den Urheber dieser Theorie, Barnikol, zu zitieren
(S. 124 f.). Am interessantesten ist die Übertragung der
Lohmeyerschen Auffassung von einer Doppelüberlieferung
(Jerusalem-Galiläa) auf "1. Kor. 15, 3/8 (S. 100.
132/42). Auch der Versuch einer genetischen Entwicklung
des Apostelbewußtseins bei Paulus am Ende ist
recht glücklich, wenn er auch Gal. 1,1 zu stark von
dem übrigen paulinischen Schrifttum isoliert.

Königsberg-Pr., z. Zt. im Heeresdienst Carl Schneider

j Westerink, Hendrik Jan: Het Koninkrijk Gods bij Paulus.

Academisch Proefschrift. Vrije Universiteit te Amsterdam. Hilver-
sum: Schipper jr. 1937. (238 S.) gr. 8°.

Das Buch ist eine academisch Proefschrift der freien
I Universität Amsterdam; als Lehrer, dem sich der Vf. be-
I sonders verpflichtet weiß, ist Grosheide genannt.

Vf. behandelt in größter Umständlichkeit und pedantischer Sorgfalt
alle Fragen, die irgendwie mit dem Begriff ßaoiXeCa zusammenhängen
. Da die Verkündigung von der Herrschaft Gottes zu-
j gleich Zentrum der Predigt des Paulus ist, so berührt der Vf. fast
! dessen gesamte Theologie. Es ist der eine Nachteil des Buches, daß
' es so viel behandelt, bis in die Besonderheiten der Niederländischen
Theologie hinein. Dadurch kommt das Eigentliche: eine Untersuchung
über den Begriff ßaaiXefol zu kurz. Der Vf. redet über un-
; endlich vieles, aber eigentlich in die Tiefe führt er nirgends. Dazu
I scheint mir auch die Art der Behandlung nicht glücklich: Vf. bringt
j zu viel von dem, was zur eigenen Vorarbeit gehört, und zu wenig
selbst Erarbeitetes, wenn dieses auch keineswegs fehlt. Dieser Vor-
J wurf gilt besonders für den historischen Teil, wo wir einen Überblick
über den Reich-Gottes-Gedanken in der Geschichte der Kirche
erhalten; hier gibt der Vf., wie er auch getreu anführt, nur Gedanken
I aus Arbeiten anderer Gelehrter wieder. Und wozu soll dieser Überblick
j überhaupt dienen? Erstaunlicher Weise kehrt er gegen Ende des
! Buches in verkürzter Form noch einmal wieder (§ 424). Sehr wenig
glücklich erscheint mir ferner die Art der Behandlung der „Indirecte
gegevens", die von der ßaaitai« handeln. Da geht der Vf. nicht
nach einem festen Gedankensystem vor, sondern nimmt die Stellen
nach der Reihenfolge der paulinischen Briefe durch, dazu nicht einmal
nach der chronologischen, sondern nach der Reihenfolge unserer ge-