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Ausgabe:

1940

Spalte:

81-82

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Abramowski, Rudolf

Titel/Untertitel:

Das Buch des betenden Gottesknechts 1940

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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8!

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4

82

Stück ist unecht oder an seinem Ort später hinzugefügt. Für ein
hohes Alter des Buches spricht ihm außer andern Gründen „die gewaltige
Sprache unseres Dichters, die vor allem für die nachexilische Zeit,
in die man modern unser Buch versetzen möchte, nicht in Betracht
kommt". Eine Bereicherung der Hiohforschung vermag ich in alledem
nicht zu erkennen.

Auch mit diesem Werk über Hiob also ist Wutz kein
guter Anwalt für die Richtigkeit und Fruchtbarkeit seiner
„systematischen Wege von der Septuaginta zum hebräischen
Urtext". Ich möchte aber diese Anzeige nicht
schließen, ohne der Meinung Ausdruck gegeben zu haben
, daß die Lebensarbeit von Franz Wutz nicht vergeblich
und nicht ertraglos gewesen sein wird, und der
Hoffnung, daß aus seinen Positionen sich doch bleibend
wertvolle Anregungen für die alttestamentliche Textkritik
ergeben möchten.

Münster (Westf.) Johannes Herrmann

Abramowski, Rudolf: Das Buch des betenden Volkes. Der

Psalmen erster Teil. Für Freunde und Verächter der Bibel ausgelegt
. Stuttgart: Calwer Vereinsbuchhandlung 1938. (243 S.) 8° =
Die Botschaft des Alten Testaments, Erläuterungen atl. Schriften,
Bd. 14. KM 4—; geb. RM 4.80.

Das Buch ist kein Kommentar, wie es andere sind.
Mit Bewußtsein werden die historischen, formgeschichtlichen
, literaturgcschichtlichen Fragen zurückgestellt, obwohl
der Vf. durchaus um sie weiß. Es ist aber auch
keine erbauliche Auslegung, welche Einzelheiten oder
auch ganze Psalmen „praktisch" nutzbar zu machen
sucht. Das Buch geht aus von der Erkenntnis, daß wir
im Psalter die „schönste Schule des Gebetes" haben;
„wir lauschen hier dem üespräch der Menschen mit
Gott und vernehmen ein Reden Gottes mit den Menschen
" (S. 11). Doch soll nicht die „Vorbildlichkeit"
der betenden Psalmisten, sondern „ihre Gleichheit
mit uns" gesehen werden. Damit ist eine pharisäische
Haltung unsererseits von vornherein abgewehrt. Selbst
gegenüber den Rachepsal.nen gebührt uns nicht der „billige
Protest"; denn „Gott versteht es auch, wenn auf
diese Weise mit ihm geredet wird" (S. 171). Darum
liegt es A. daran, „die Botschaft des Psalters ganz deutlich
zu machen; und zwar die Botschaft für uns als
Christen, deren Gebetsleben krankt". „Unser Ziel soll
sein, das Gebet der Psalmen recht zu hören, damit es
unser Gebet werde und unser Gebet mit ihm gehe"
(S. 13).

Des näheren handelt es sich um die öffentlichen
Gebete; daher der Titel „Das Buch des betenden Volkes
". Fast die Hälfte der Psalmen wird ausgelegt. Die
Gebete des Einzelnen sind einem zweiten Bande vorbehalten
. Die Anordnung ist systematisch-theologisch. Es
sind vier große Teile: Gott der Herr (2 Kapitel: Das
Lob Gottes, Der Schöpfer und Erhalter), Gottes üna-
denwahl (3 Kapitel: Der Führer seines Volkes, Der König
Gottes, Gottes heiliger Ort), Der Fall der Auserwählten
(3 Kapitel: Der Ausgang der Gnadenwahl,
Gottes Forderung und Anklage, Die Hoffnung auf Wiederaufbau
), Der Sieg und die Herrschaft Gottes (3 Kapitel
: Der Sieger Gott, Gottes Königtum, Das neue Lied).
Die Kapitel werden meist durch eine kurze theologische
Besinnung ein- und ausgeleitet; diese Abschnitte sind besonders
bezeichnend für das Buch und stellen in reifer
und feiner Weise die Psalmen in das Gesamtlebeh der
biblischen Theologie. Besonders gelungen sind die Stücke
über die „Erwählung", „Gott in der Geschichte" und
„Das Messiiasgcheiiuniis" sowie die das Ganze abschliessende
Betrachtung „Vom betenden Volk zur betenden
Gemeinde", die zugleich den Übergang zum zweiten Band
der Psalmen darstellen dürfte. Die Ubersetzung ist gut
verständlich und dem Urtext angemessen. Konjekturen
werden in beschränktem Ausmaß vorgenommen; textliche
Schwierigkeiten werden ebensowenig verheimlicht
wie sachliche. Die Erklärungen der Texte sind im Sinne
der vorher genannten Grundlinien gehalten, manchmal
recht kurz, meist sehr treffend. In allen Teilen des Buches
wird starker Gebrauch von Bibelstellen verwandten
Inhalts gemacht.

Das Buch ist ungemein gegenwartsnah; man sieht:
nostra res agitur. Das betrifft eine Reihe von Einzelheiten
, vor allem aber die Grundzüge des Ganzen. Wir haben
hier ein praktisches Beispiel dafür, wie der Christ
das AT lesen und auslegen soll. A. ist sich darüber klar,
daß die historisch-kritische Methode es nicht vermocht
hat, „den ungeheuren Überschuß der alttestamentlichen
I Botschaft über das alttestamentliche Geschehen auch nur
| annähernd zu klären" (S. 122). Eben darum ist der
| Erklärer geradezu gezwungen, das NT mitsprechen zu
j lassen. „Die Psalmen dürfen nicht an sich, sondern nur
im Zeichen des Kreuzes gelesen werden" (S. 206). Da-
j bei werden die Psalmen keineswegs überhöht, verneu-
testamentlicht oder wie man es nennen will. Sie reden
j ihre Sprache. Aber recht hören wird diese Sprache nur
j der, der — vom NT her — ihre Schranke und ihr
| Offensein nach der Erfüllung kennt. Auf diese Weise
| werden uns die Psalmen „von neuem gegeben", „daß
[ wir mit ihnen, an ihnen und gegen sie das rechte Beten
lernen" (S. 243).

Das Buch ist ein würdiges Gegenstück zu den Frcy-
I sehen Arbeiten der Reihe „Die Botschaft des AT". Wä-
I ren solche Bücher früher geschrieben worden, hätte
j sich mancher Streit um das AT erübrigt.
I Hofgeismar (Marburg) H.W. Hertzberg

j Rudolph, D. Dr. Wilhelm: Die Klagelieder übersetzt u. erklart
Leipzig: A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung 1939. (III, 74 S.)
gr. 8° = Kommentar z. Alten Testament, hrsg. von E. Sellin,
Bd. XVI, 3. RM 3.50.

Auf dem Orientalistentag in Bonn 1938 hatte R. die
These vertreten, daß Thr. 1 nicht, wie man gewöhnlich
annimmt, nach 587, sondern vielmehr nach der ersten
! Wegführung 598 gedichtet wurde, und die Gründe, die
j er jetzt im Kommentar ausführlicher darbietet (Fehlen
j jeder Klage über Zerstörung von Stadt und Tempel, Be-
j teiligung der Nachbarn am Kampf, Kampf nur in der
Landschaft Juda, in der Hauptstadt nur Schilderung des
Hungers) scheinen mir überzeugend zu sein. Das zweite
J bemerkenswerte Ergebnis des Koinimentars ist die Auffassung
von Kp. 3. R. gibt ihm die Überschrift „das
Vorbild Jeremia's"; das Volksschicksal steht zwar auch
in diesem Gedicht im Mittelpunkt und die Teile, die die
j Leidens- und Heilserfahrungen des Propheten behandeln
, haben nur dienende Bedeutung. Aber doch ist dies
eben der charakteristische Unterschied des Kap. von den
I andern, daß hier am Beispiel J e r e in i a's gezeigt
I wird, wie der Druck des göttlichen Zorns durch die Ge-
' vvißheit der göttlichen Gnade gelindert wird. R. widerlegt
die Meinung, daß Kp. 3 micht vom gleichen Verfasser
sei wie die übrigen; das Kap. stimme nicht bloß
im Äußeren, sondern auch im Sinngehalt und in der Ge-
dankenführung mit den andern überein, vor allem in der
Beurteilung des nationalen Unglücks als verdienter Strafe
und in dem Appell von dein zürnenden an den gnädi-
! gen Gott. Nachdem der Dichter Kap. 5 geschrieben
hatte, griff er noch einmal zur Feder, und weil er in
Kap. 2 den Zorn Gottes am stärksten in den Vordergrund
gerückt hatte, knüpft er an dieses Kap. an, um
am Vorbild des Jeremia den Appell vom zürnenden an
den gnädigen Gott (2,18 f.) noch positiver herauszustellen
.

Sämtliche Kapitel gruppieren sich also um die Ereignisse von
598 u. 587, geschrieben von einem einzigen Verfasser und Augen-
' zeugen, jedes Kapitel ein in sich geschlossenes Ganzes, Kp. 1 unmittelbar
nach 598, Kp. 2 u. 4 unmittelbar nach 587, wobei Kp. 2
vor allem die Vernichtung der politischen und kulturellen Werte beklagt
, Kp. 4 das Schicksal der einzelnen Volksgenossen. Kp. 3 u. 5
schildern die Verhältnisse nach 587 am Anfang der babylonischen
Gewaltherrschaft. Der Verfasser ist ein Gesinnungsgenosse der Propheten
, aber selbst nicht Prophet und nicht Priester; allem nach stand
er in politischem oder militärischem Dienst, da er nach 4, 19 die
Flucht Zedekias mitgemacht hat. Entstehungsort sämtlicher Kapitel
ist Palästina, auch 5,21 widerspricht dem nicht, da hier nicht die