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Ausgabe:

1940

Spalte:

79-81

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wutz, Franz

Titel/Untertitel:

Das Buch Job 1940

Rezensent:

Herrmann, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4

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benen Gestalt einfach entlehnt hätten (im Falle Typhons
also ein schlangengestaltiges Ungeheuer, s. S. 85 f. 97 f.
135 f.), wird schwer nachzuweisen sein.
November 1939 im Felde Hans Hertcr

ALTES TESTAMENT

Wutz, Prof. Franz: Das Buch Job. Stuttgart: Kohlhammer 1939.
(IX, 206 S.) gr. 8°. RM 6 — .

„Die vorliegende Ausgabe des Buches Job verfolgt
nicht den Zweck, die Zahl der „Kommentare" zu inen-
ren, an denen ja wirklich keim Mangel besteht, sie soll
vielmehr eine Reihe von Textausgaben eröffnen, die in
systematischer Weise den Urtext herauszuarbeiten suchen
. Die Richtlinien der systematischen Wiederherstellung
der Lesungen sind der in den „Systematischen Wegen
von der Septuaginta zum hebräischen Urtext" (I,
1937) gebotenen Methode entnommen. Den Ausgangspunkt
bildet der Grundtext der ältesten griechischen Version
(Septuaginta), ein Text, der mittels einer gesicherten
Patäographie eruiert werden muß und kann. Die
dabei zutage tretende Etymologie spielt eine wichtige
Rolle; denn sie läßt den Wert der Septuaginta-Über-
setzung erst voll in die Erscheinung treten, insofern sie
über den uns geläufigen bibl. hebräischen Wortschatz,
der unmöglich erschöpfend erhalten sein kann, weit
hinausführt. Dabei bedeutet diese Erweiterung unserer
sprachlichen Erkenntnisse eine wesentliche Erleichterung
in der Eruierung sonstiger schwieriger Partien, sei es
in Job oder andern biblischen Büchern. Die freie Übersetzungstechnik
bringt es mit sich, daß manche alte Etymologie
von LXX ganz richtig gesehen wurde, aber nur
überdeckt erscheint, so daß man sie nicht erkannt hat.
Da LXX an vielen Stellen selbst nicht mehr den Urtext
vor sich hatte, so ist bei der Wiederherstellung der alten
Lesung die Feststellung der Zwischenstationen von grosser
Wichtigkeit; zwar handelt es sich im vorliegenden
Falle dann um Fehletymologien, aber sie erweisen sich
anderwärts vielfach als echt altes biblisches Sprachgut.
Weiterhin ist jede Fehletyinologie, ja jede Abweichung
in der Etymologie überhaupt ein sicheres Zeichen der
Textverderbnis, verlangt also Textkorrektur. Eine derartige
systematische Behandlung des Textes hat zur Folge
, daß die paläographisch zutreffende Textkritik an
Stelle der „Exegese" die sinngemäße Lesung des alten
Originals zu bieten hat, und daß eine sachlich brauchbare
Kritik nur hier einsetzen kann, und zwar dadurch,
daß sie den verworrenen Text mit gleicher, grundsätzlich
richtiger Technik zu meistern versteht".

Diese Sätze des Vorworts charakterisieren mit des
Verfassers eigenen Worten das Buch in seiner Eigenart.
Ihn darüber selbst zu Worte kommen zu lassen, erscheint
um so billiger, als Franz Wutz leider schon am 19. März
1938 aus seinem arbeitsreichen, der unermüdlichen Forschung
am A. T. gewidmeten Leben abgerufen worden
ist. Sein Lebenswerk ist stark umstritten. Wutz hat seinerzeit
der Septuagintaarbeit m. E. sehr starke Anregungen
gegeben. Als er seine grundsätzlichen Anschauungen
über Entstehung und textgeschichtliche Bedeutung
der Septuaginta auf die textkritische Behandlung größerer
alttestamentlicher Texte anwandte, so in großem
Maßstabe zuerst in seinem Psalmenikommentar, verstärkten
sich die Bedenken der Fachgenossen, vor allem der
katholischen. Er hat dann zuletzt (1937) seine textkri-
' tische Methode in dem ersten Band seines Werkes „Systematische
Wege von der Septuaginta zum hebräischen
Urtext" an der Hand von zahllosen Beispielen auf mehr
als 1000 Seiten dargestellt; in einem zweiten Bande soll
ein Lexikon folgen. Die Beurteilung des vorliegenden
Hiobkommentares ist, wie ja auch Wutz selbst auf jenes
Werk verweist, von derjenigen der „Systematischen Wege
" nicht zu trennen. Letztere aber würde den Rahmen
dieser Anzeige sprengen, die sich also darauf beschränken
muß, anzudeuten, was für das Buch Hiob herauskommt
, jedoch ist auch das schwierig. Denn Wutz wird

j eben durch die Methode seiner Textkritik (er selbst hebt
j die etymologischen Kombinationen besonders hervor)
zu lauter abweichenden Übersetzungen geführt. Wutz ist
davon überzeugt, daß es mit einer an der Septuaginta
orientierten kombinatorischen Technik mit Hilfe zu vergleichender
Wörter oder Wortbedeutungen aus irgend
welchen andern semitischen Sprachen möglich ist, den
! im hebräischen Text überlieferten hebräischen Wort-
j schätz außerordentlich zu vermehren. Wenn nun Wutz
I glaubt allein aus dem Wortschatz des Buches Hiob das
| hebräische Lexikon um nicht weniger als 826 neue Vokabeln
bereichern zu können, so wird es kaum jemanden
geben, der angesichts dieses Resultates der Methode Zutrauen
entgegenbringen wird.

Wie sich die Methode auswirkt, mag Iiier wenigstens an einem
Beispiel gezeigt werden.

Hiob 27,23—28,1 übersetzt Wutz:

„(27, 23) Er klatscht in die Hände über sein Bestreben und höhnt
; über ihn wegen seines Heißhungers;

(28, 1) denn es besteht ein Dürsten nach Silber und ein Heißhunger
nach Gold, das man seiht."

Wer den hebräischen Text nachsieht, wird sich vergeblich fragen, wie
j diese Übersetzung zustande kommt. Erstens liest Wutz 'ul iammö
j kappmim. iammö soll suffigierte Form von iam sein, einem Wort, das
Wutz schon in den Syst. Wegen häufig verwendet; es soll „Absichi,
[ Bestreben" heißen, wofür eine arabische Entsprechung angeführt wird.
| Zweitens soll in dem mimm'qimo ein mllqBm stecken, das „Heißhunger
, Hungergier" heißen soll und das Wutz ebenso in 28, 1. 6. 12.
I 20. 23 vorfindet. Es soll von einem Stamm qümatn „gierig verschlingen
" kommen. Wutz meint, daß LXX dieses müqöm gekannt habe,
weil in Jes. 28,8 LXX (in einer Wiedergabe des hebräischen Satzes,
von der wir nicht mehr ahnen können, auf welchem hebr. Text sie
i beruht oder wie sie sonst zustande gekommen ist!) dort, wo unser
j mas. Text bell müqöm hat, ivweev ftXrovc^fac, bietet (so schon Syst.

Wege XIII); übrigens ist der mas. Text von Jes. 28,8 vollständig
I einwandfrei. Drittens liest Wutz in 28,1, ein übrigens auch nicht belegtes
snmö' für völlig einwandfreies (der ganze Vers- ist im mas.

Text völlig einwandfrei!), mas. mösa'. Aus dem so konstruierten
| Text folgert Wutz nun, indem er vor allem von jenem sechsmal vor-
j kommenden und von ihm immer mit „Heißhunger" übersetzten mfiqom

aus ein ganz anderes Verständnis von Kap. 28 vorträgt, daß dieses
! eng an Kap. 27 anschließt; er sagt darüber (S. 93): „Kap. 28 gilt
J als selbständiges Gedicht über die Unerreichbarkeit der Weisheit. In
i Wirklichkeit war es eine wohldurchdachte Fortführung von Kap. 27,

die nur durch die Mißdeutung von mäqöm „Heißhunger" zerrissen
j wurde: Die Habgier nach Silber und Gold hat dazu geführt, Eisen
, aus dem Staube zu holen, Steine zu Erz umzuschmelzcn und das Qc-
I stein der Finsternis zu durchforschen" (usw.) Es ist m. E. auch beim
| besten Willen nicht möglich, in dem Dargelegten eine Förderung sei

es der Textkritik, sei es der Exegese, sei es der Analyse des Buches
I Hiob zu erblicken. Dabei handelt es sich nicht um ein unfreundlich
I herausgesuchtes, abwegiges Beispiel, sondern um eine Stelle, die Wutz
I selbst offenbar als vortrefflich und überzeugend und als ein sprechen-
I des Beispiel der Fruchtbarkeit seiner Methode ansieht. Leider wüßte

ich dem negativen Beispiel keine positiven gegenüberzustellen, was

natürlich nicht ausschließen soll, daß es solche geben wird.

Zeigte sich an dem vorgeführten Beispiel die enge
Verbindung von Wutz' Textkritik mit seiner Auslegung
und literarischen Analyse, so auch sonst- Hierbei tritt
überall das grundsätzlich im Gegensatz zu einer For-
| schung, die oft zu rasch zur Preisgabe des überlieferten
Textes bereit war, zu begrüßende Bestreben zutage,
möglichst viel von dem überlieferten Text (allerdings
I bei Wutz mit Hilfe von etymologischen und semasiologi-
I methodisch so nicht haltbar ist) zu halten, was freilich
bei Wutzmit Hilfe von etymologischen und semasiologi-
schen Kombinationen geschieht, die auch nicht überzeugen
können.

Die bekannten Probleme der Komposition und literarischen Ana-
! lyse des Hiobbuches lösen sich für Wutz alle auf. So ist ihm, wie
wir sahen, Kap. 28 die wohldurchte Fortführung von Kap. 27; die
i daran anschließende weitere Rede Hiobs schließt nach Wutz' Textgc-
j staltung des Schlusses von Kap. 31 überhaupt nicht mit der Herausforderung
Gottes und blickt so nicht auf Kap. 38 ff. als Fortsetzung;
die Probleme der Elihurcdcn, die inhaltlichen wie die formalen, bestehen
für Wutz nicht zu Recht; Kap. 38—41 empfindet er keine
Schwierigkeiten der Komposition; das ganze Buch einschließlich des
Prologs und Epilogs ist ihm eine einheitliche Komposition, kein