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Ausgabe: | 1940 |
Spalte: | 77-79 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Seippel, Gerhard |
Titel/Untertitel: | Der Typhonmythos 1940 |
Rezensent: | Herter, Hans |
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77 Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 3/4 78
nicht mehr sterben zu brauchen. Die Seelen der Verstorbenen kehrten Die vorliegende Schrift, eine VOI1 Franz Dornseiff
aber nicht mehr zurück, nachdem eine Frau in Arger darüber, daß allgeregte Qreifswaldei" Dissertation, SUCht TypllOn als
die Seele ihres verstorbenen Mannes einen Tag später tintraf, einen ejnen kriegerischen Wettergort Und auf dieser Grundlage
Maisstrunk nach der heimkehrenden Seele warf. at,s „Äquivalent" von Seth und anderen orientalischen
Die Totenfeier bestand darin, daß l B die Frau des Verstor- Qöttcrn m erweisen. Der Verf. denkt sich die Sache SO,
benen bei Sonnenaufgang nach Yaruhm dem Dort dt* t^h-s^nm« Griechen Typhon bereits im 2. Jahrtausend aus
(aus dem der Tote stammte.'') mit Clncha und Speisen ging unü war- . Ji f
tete bis die Seele in Gestalt von zwei bis drei großen Fliegen kam Syrien entlehnt hatten wo am Berge Kasion Baal-Zaphon
und sich auf die mitgebrachten Speisen niederließ. Sobald die Fliegen l verehrt wurde, der Gegner des auch von Jahwe be-
weggeflogen waren, kehrte sie in ihr Dorf heim, brachte aber ein kämpften Drachen Liwjatan; Zaplion Seinerseits sei
Sternchen 1 mit „als ob sie sagen wollte: das ist er". Das Haus wur- | schon damals mit dem ägyptischen Seth vermengt ge-
de nun gereinigt und man gab dem Toten zu essen und zu trinken, wesen, der erst als Favorit der HyksOS Und der Rames-
und die Leute aßen mit. Die anwesenden Vertreter der Sippen sangen j sjden u,n(j U|,ter dem Ehrfklß der Osirissage seinen aUS-
„fünfmal auf klagende Weise", worauf man den von der Frau mitge- gesprochen bösen Charakter erhalten habe (S. 32 ff.
brachten Stein ^'^'f^^^ 83f. 125. 140). In dieselbe Linie stellt Seippel den
— wir aber wollen nur ja noch nicht sterben'. Am gleichen lag !-,„., -r ' i____ i Ty ? ■. ■ "9 • .
noch pflegte man durch Maskentanz zu erkunden, weshalb jener icttltischen Teschup, dessen Kampf mit der Schlange
Mensch gestorben war. Wurde ermittelt, daß Pariacaca oder ein IllUjailkaS er nach dem Kasion verlegt, Ulld auch den ba-
anderer Huak'a zürnte, so suchte man den betreffenden mit Meer- ' byloilischeil Marduk, den Gegner der Tiamat, Sowie den
schweinchen oder anderen Opfern zufrieden zu stellen (28. Kapitel).6 persischen Ormuzd, den Besieger des Ahriman (Zusam-
Am Allerseelcntage, der einem ähnlichen Fest für die Toten der menhang des alttest. Seth mit dem ägyptischen S. 31ft.).
Indianer entsprach, wurde die vorangehende Nacht auf die Toten d;csc Herleitung Typhons aus dem Orient ruht vornehmlich auf
des letzten Jahres geklagt und für sie Speise und Trank bereitgestellt. der zuletzt von Dornseiff erneuerten Identifikation der Arimcr, in
Dabei schlachtete man ein ganz junges Lama, dessen Herz beschaut j deren Land Horn. II. II 781 ff. ihn lokalisiert, mit den Aramäern:
wurde. Daraus zog man Schlüsse, ob Pariacaca dem Toten zürne ; darnjt gelangt Seippel in die Gegend des Kasion und stützt sich nun
(S. lJ6).b : weiter auf die schon von Movers u. a. vertretene Gleichung Typhon
Aus dem reichen Gehalt der 31 Kapitel konnte hier natürlich nur = Zaphon im Sinne einer volksetymologischen Umbildung des fremden
weniges herausgegriffen werden, um einen ungefähren Eindruck von | Namens seitens der Griechen, doch wird es ihm selber nicht recht
den Göttern- und Dämonen-Gestalten, von den Phantasien und dem : wohl dabei (S. 25 f. 137 f.); zudem kompliziert sich die Sache dadurch
symbolischen Ausdruck, von den Hypothesen über die Zusammenhänge ) njcnt unbedenklich, daß Typhon, der Widersacher des Zeus in seiner
von Natur und Verhalten der Menschen, von den Opfern und Hand- | ganzen Art weniger dem Zaphon als dem Liwjatan u. a.' „Typhon-
lungen und auch von der Moral der Bevölkerung eines kleinen Teiles tieren" entspricht (S. 22 ff. 135 ff.). Wieweit das Zusammentreffen
des früheren Inka-Reiches zu geben. J von griechischem und orientalischem Mythos in Einzelmotiven (z. B.
Bemerkenswert ist die wiederholte Bezugnahme auf das Auftreten j listige Hilfe anderer Götter im Kampf gegen das Ungeheuer) für
des Christentums (S. KW, III, 121, 125). Die Darstellung ist sicher | ejnen genetischen Zusammenhang beweisend ist, werden die verschiedc-
nicht erschöpfend und vieles ist vom Standpunkt des katholischen j nen Gelehrten verschieden beurteilen; wo aber zweifellos Kongruenzen
Priesters des 16. und 17. Jahrhunderts aus gesehen und gedeutet. Eine njc|lt zufälliger Art festzustellen sind, wird man energischer, als Seir
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Beschwörungsszene zur Vertreibung des indianischen Erdbebendämon
Llojllaihuancupa, der als Sohn Pariacacas gilt, und schließlich als
Eule das Haus verläßt, sowie die Schilderung eines Traumes, zeigt
im 20. und 21. Kapitel die inneren Kämpfe eines Indianers bei diesen
pel tut, danach fragen, ob es sich nicht um sekundäre Beziehungen
handelt. So ist die Flucht der Götter vor dem brüllenden Typhon,
die sich als solche nur durch lockere Bande mit den orientalischen
Mythen (und Dcscensusvorstellungen) verknüpfen läßt, mit Hilfe des
religiösen Auseinandersetzungen. i Motivs der Verwandlungen der Götter (z. B. des Hermes in einen
Überblickt man die mitgeteilten Mythen, SO gewahrt ; Ibis) mit ägyptischen Vorstellungen verbrämt worden; diese Geschichte
man zwar verschiedene Sagengestalten, denen besondere j schreibt Seippel in ihrer ausgebildeten Form schon dem Pindar fr. 91
Wirksamkeit und eigene Begebenheiten und Erlebnisse I (s- 77, mld einer ePUcnen CHgantomachle aus der Zeit vor 650
zugeschrieben werden, doch ist die Bedeutung dieser Ge- j zu,..a,u£f.Ld'e e,r mit DdnwHI den Bericht Ps.-Apoiiod. bibi. i 3g ff.
stalten nicht, oder nur sehr wenig, in Wechselbeziehung ! Zmu J T^ 7" dfs '^'si^"^ Kolo"t wirklich schon
, ' * , ... . ,. 8' . . . fa so alt ist, so gibt die Episode doch keinen Anhalt für d e Bestim-
zu einander und zur Übereinstimmung in ein System ge- | mmg der Herkunft des ganzen Typhonmythos,
bracht worden. Die Doppelnamen einiger Huak'a weisen , Es scheint mir vieimeilr der Name TwpdW (u. ä.)
darauf hin, daß verschiedene Stämme die wesentlich , maßgebend, dessen griechischen Ursprung zu bezweifeln
gleichen Vorstellungen ausgebildet haben, sie nur mit (S. 129; 123) schwerlich genügender Grund vorlieaen
anderen Bezeichnungen ihrer Konkretisierung belegten. durfte. Dem Gebrauche des Appellativiims xwqwiv Int-
Diese Huak'a stellen eine über den Menschen gelagerte sprcchend gehen den Dämon von vorneherein Winde
aristokratische Schicht dar die teilweise nach morali- (Hesiod. Theog. 307?, s. S. 117ff.), gleichzeitig aber
sehen Grundsätzen, durch Betonung ihrer Bescheiden- ( wk Seip , s. 127ff richti betont 6 auch ErBdbeben
heit, Forderung von unterschiedsloser Gastfreundschaft und vuilkanische Erscheinungen an, diese letzteren im
lMKLgU£2 Mamerc"- '." Leben der Menschen ein- Unterschied von den orientalischen Parallelgöttern, wäh-
greift. Einzelne unter ihnen treten wohl starker hervor, rend er aixdcrei.seits „icht in dem Sinne als Krieger an-
ohne daß aber dte uberragende Persönlichkeit eines zusprechen ist wie etwa Seth nach ältester Auffassung.
„Hochgottes' entstanden wäre. Dieser Umstand zeigt, Dk Vorstellung der Griechen von Typhon muß ablr
daß die Einherrschaft der Inka noch nicht das mythische durch die Kunde aus dem Lanide der Xrimer, die sclion
Spiegelbild gewonnen hat. Der üotteraristokratie die für Honier ^überliefert scheint, bereichert worden sein
„schöpferisch' wirkt fehlt auch ein überragender Scliop- doch scheint es mir m weit m h sejne Q t
fer. Man findet vielmehr Schopfungss ufen, also etwa nun gäozBch mit j. Tej j (T phocf fabula alis us
eine zivilisatorische Staffelung der „Schöpfung ' in der ad Pindari ct Aeschyli aetatem fuerit, Auszug Diss. Mün-
Zcitenfolge. Das in der Übersetzung mit Schöpfung ' ster 1922) Von den kleinasiatischen Griechen oder mit
oder schöpferisch" w.edergegebene Wort der Ketschua- Seippcl und scinen Vorgängern Movers, Gruppe u. a.
Sprache enthält zweifellos die Bedeutung des „außeror- von deil orjentalcn herzuleiten; auch Johannes Schmidt
deutlich Wirkungsvollen" „Übermächtigen", eines Ma- dcssen Typhonartikel in Roschers Lexikon die materielle
"j1 ■ Allenthalben drangt sich die Bedeutung der Zahl QrundiagC fur die Arbeit des Verf. bildet, hat diese
„fünf" auf, die andere vorkommende Zahlen an Wichtig- /weitc Hypothese stark in Betracht gezogen (dazu eine
it u»erragt. mir augenblicklich unzugängliche Arbeit von W. Ljung-
Bcriin R. Thumwald man, s. S. 147). Allerdiiiiigs kann angesichts des bildlichen
Materials niemand leugnen, daß solche Ungeheuer-
Seip pel, Gerhard: Der Typhonmythos. Greifswald: H. Dallmeyer Fj8uren oft. ^nug ihre Beziehungen zum Orient haben,
l(J39. (155 s.) 8» = Grcifsw. Beitr. z. Liter.- u. Stilforschung, ;'ber geiiicmhun ist es doch so, daß die Griechen die
lirsg. von f. Dornseiff, B. Liljegren, H. Petriconi, 24. rm 4—. wundersamen Gebilde der orientalischen Phantasie eige-
.-- nen Sagenfigurcn adaptierten (und bald nach ihrem Ge-
i) vgl. Karten a.a.O. (a. f. A.) S. 37 f. schmack ummodelten): daß sie ein bestimmtes, uns durch
5) vgl. Karsten a.a.O. s. 43ff. 6) vgl. Karsten a.a.O. S. 45. Texte bekanntes Fabelwesen des Orients in seiner gege-