Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1940

Spalte:

24-26

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heussi, Karl

Titel/Untertitel:

Neues zur Petrusfrage 1940

Rezensent:

Opitz, Hans-Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

2B Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 1/2 2-1

Bekenntnis der Gemeinde folgt (S. 19-1—217). Mit ihnen „visionär-pneumatisches Erleben" nicht konkret beant-
erscheint ein genuin christlicher Sondertyp der weit ver- wortet. Aus dem Gemeindegottesdienst wären allenfalls
breiteten Offenbarungsrede im Ichstil. Für ihren abso- nur 6,35 Parr. und 15,1. 5 zu verstehen. Jeder klaren
luten, des Prädikatnomens ermangelnden Gebrauch lie- Zuordnung widersetzen sich Abstraktionen wie 11,25
gen außerbiblische Analogien überhaupt nicht vor. We- und 14,6. Sie sind eben keine „Urworte", sondern Tra-
sentliche Differenzen scheiden sie auch sonst von den ditionsmotive. Zum gleichen Ergebnis kommt man von
vorhandenen hellenistisch-orientalischen Parallelen, auf Bultmanns Scheidung der joh. Ichworte in solche, in
die Norden zuerst aufmerksam gemacht hat: Es fehlen denen das iyä Subjekt, und in andere, in denen es Prädi-
ihnen sowohl die konventionellen l itel des Offenbarers kat ist (vgl. Komm. S. 167 Anm. 2). Denn in den lctz-
wie die langen Aufzählungen von dessen doKtai wie die teren bedeutet dann das Bild die längst gehegte Ervvar-
Anhäufung vieler Bildworte. Entscheidend ist ihr soterio- ! tung (vgl. zu 6,35; 8,12; 10,9. 11; 15,1 u. ä.). Schließlogischer
Charakter, der durch die gewöhnlich nachfol- lieh gewinnt man dieselbe Erkenntnis aus der Einsicht,
gende Verheißung und durch partizipial oder mit idv daß die Ichworte durchgängig, wie teils das dort stehen-
vorangestellte Bedingungssätze deutlich hervorgehoben de Adjektiv, teils die Geschichte der benutzten Begriffe
wird (S. 217—226). Ihr Verhältnis zu den Dokumenten zeigt, einem dualistischen Denken entstammen, m.a.W.
der religiösen Umwelt läßt sich dahin beschreiben: In- der Gnosis, über deren Bedeutung für das Ev. K- noch
haltliche Berührungen und sonderlich im A.T. sichtbare nicht das letzte Wort gesprochen haben wird. Damit ist
Ansätze zur johanneischen Stilbildung beweisen dennoch dann allerdings die vorliegende Lösung als nicht haltbar
nichts für eine direkte Abhängigkeit der Offenbarungs- gekennzeichnet.

worte des Ev. Das gilt auch im Blick auf die mandai- | Oelsenkirchen Ernst Käsemann
sehen Texte, deren weitgehende Verwandtschaft, was
Vorstellungsmaterial und Formgebung angeht, ausdrücklich
herausgestellt wird (z.B. zum Stil: Soteriologi- As müssen, P. D. D. Hans: Wahrheit und Liebe. Eine Einfüh-
sche Nachsätze der Ich-Aussagen, einleitende Partizipial- I ru"g in die Johannesbriefe. Berlin: Furche-Verlag [1939]. (152 S.) 8°
konstruktionen, antithetische Negationen vorhergehender ~ Plf cihristl- Botscl,aft- Eine Hnf. i. d. Schriften d. NT, hrsg. von
Worte, Iterationen der Hauptaussage, Kettenbilduugen
Ii. a.). Doch bewegen sich diese Texte auf einer morphologisch
so späten Linie, daß K. von da aus die Ur-
sprungsfrage des joh. Redetypus nicht anzugreifen wagt
(S. 229—268). Seine Lösung geht von der Beobachtung
aus, daß die in visionären Zusammenhängen erscheinenden
t:Y<ü;W|ü-Sätze der Apok. genau die gleichen Strilk- j |jchen Gemeinschaft und das Nein zur Irrlehre," HeibgewIßheM und
turelemente besitzen wie die des Ev., daß aber auch i Heiligung, Rechtgläubigkeit und Frömmigkeit, Gottes Zeugnis an uns

O. Schmitz. RM 3.60 , geb. RM 4.5(1.

Diese Auslegung leistet der christlichen Gemeinde und ihren Predigern
einen wertvollen Dienst. Denn sie stellt beide mit vorbildlicher
Prägnanz, scharfer Heraiiskchrung dei Nüancen und methodischer
Sauberkeit vor die Sache, um die es in den Johannesbriefen
geht: Christi Flcisclnverdung begründet und eint Wahrheit und Liebe,
Sündenbekenntnis und Leben unter der Vergebung, das Ja zur Christ-

sonst im N.T. (vgl. Akta 9,5 Parr: 18,9; Lk. 23,39.
1,19; Mt. 28,20; Mk. 6,50) wie anderswo Himmels-
und Epiphaniereden durch ein ey<o-elui als „Rekoguitions-
oder mystische Offenbarungsformeln" eingeleitet werden
. Wenn sich hier die früher bemerkten al.liehen, ja
sogar indische Parallelen einordnen, so besagt das nur,
da?5 hier ein religiöses Urphänomen in bestimmten Entwicklungsstadien
stets neu und ursprünglich auftaucht.
Im Urchristentum ist auf die erste Etappe der möglichst
getreuen Weitergabe der Worte Jesu und auf die zweite
der Betrachtung von Jesu Werk und Leiden eine dritte
des „pneumatischen Erlebens" gefolgt, in der „Er
selbst", der erhöhte Christus, wie er bereits im üemein-
deleben verehrt wurde, vor die Augen seiner Jünger
trat. Ein hervorragender Charismatiker hat für solche
Schau wohl die Bahn gebrochen und dann bald Nachfolger
gefunden. Dieser Stufe sind die Ichworte des Ev.
wie der Apok. entsprungen. Sie haben im Ev. ihre durch
einen gnostischen Einschlag gekennzeichnete meditative
Bearbeitung gefunden und sich mit Erzählungsmotiven
der Urgemeinde verbunden (S. 268—291).

Die große Konzeption dieser scharfsinnigen und
sorgfältigen Untersuchung mag zunächst bestricken. Ihr
Verdienst wird jedenfalls bleiben, daß sie die Stilkritik
der joh. Reden mit neuen Anregungen und klareren Un- I

terscheidungen vorantreibt. Kritische Fragen erweckt ] Heussi, Prof. D. Dr. Karl: Neues zur Petrusfrage. Jena: From-
jedoch die Lösung der joh. Ichworte aus ihrem Zusam- : mannsche Buchh. W. Biedermann 1939. (31 S.) 8°. RM -90.

menhang. Ist diese auch dann noch möglich, wenn man | Heussi hat zu der neuerlich (vgl. ThLZ. 62 (1937)
mit Bultmann gerade aus stilkritischen Gründen heraus | 439) wieder viel verhandelten Frage, ob Petrus in Rom

und unsere Fürbitte für den Bruder. Begriff für Begriff wird aus
dein lockeren Gefüge des Briefganzen hervorgeholt, auf seine Bedeutung
hin geprüft und in seinen Beziehuiigsziisammenhang eingeordnet.
Zu beanstanden ist das Verständnis von 2,8: Die „Neuheit" der
xam'| JvroXrj meint nicht den Fortschritt im Christenstande. Vielmehr
bleibt das ,,alte Gebot" im cschatologischen Sinne „neu". Vor allem
mag aber noch ein kritisches Fragezeichen an den Rand des Vorwortes
gesetzt werden, in dem A. seinen Weg rechtfertigt, „einzuführen
, indem mau auslegt". Vielleicht ließe sich über den Hintergrund
der Johannesbriefe und ihrer Begrifflichkeit doch noch ein wenig mehr
als bloß „Vermutungen" und über den Verfasser etwas anderes als
die Identität mit dem Jünger, der an Jesu Brust lag, ausmachen. Die
vorausgesetzte Irrlehre möchte dabei ebenso wie die Betonung der
Fleischwerdung Christi und das rätselhafte Ineinandergleiten der joh.
Ausdrücke und Anschauungen noch etwas verständlicher werden. Denn
es fragt sich eben — und diese Frage ist auch heute noch von brennender
Wichtigkeit —, ob mau die „Sachfrage" der Auslegung anders
angemessen stellen und lösen kann als allein auf dem Wege geschichtlicher
Erkenntnis, den A. bei der Untersuchung der ihm vorliegenden
Terminologie ja auch seinerseits, wenngleich in begrenztem
Umfange, immerfort beschreitet.

Gelsenkirchen Ernst Käsemann

KIRCHENGESCHICHTE: SPÄTANTIKE

dem ganzen Redebestand des Ev. eine Vorlage zugrunde -
liegen sieht? K. hätte sich zum mindesten mit dieser
These auseinandersetzen müssen. Überhaupt ist das Fehlen
jeder deutlichen Äußerung zur Literarkritik des
Ev. ebenso verwunderlich wie unmöglich. Denn die S.
226 ff. getroffene Feststellung, die häufigen Redesplitter
seien eine der Eigentümlichkeiten des Ev., kann dafür
doch nicht gelten. — Davon abgesehen, ist den meisten
der S. 217 angeführten joh. Ichworte ein ausreichendes
Eigengewicht für ihre von K. vorausgesetzte Sonderexistenz
zu bestreiten. Bei den etwa in 6,35. 41. 48; 8, 12;
10,9. 11. 14; 11,25; 14,6; 15,1. 5 verbleibenden wird
die Frage nach dem „Sitz im Leben" durch die Formel

gestorben ist, Neues beigesteuert.

1. Da die Acta (auf keinen Fall etwa 62 abgefaßt, sondern nach
Josephus) bei der Schilderung des römischen Aufenthaltes des Paulus
(c. 28) nichts von Petrus verlauten lassen, was sie eigentlich tun müßten
, wenn sie etwas von Petrus in Rom wüßten, steht das Zeugnis
der Acta gegen einen römischen Petrus. Die Acta schließen deshalb
eindeutig aus, „daß nach der Vorstellung des Verfassers Petrus vor
Paulus in Rom gewesen sein könnte; denn dann würde doch Petrus
ebenso, wie es Paulus hier tut, bei der Synagoge angeknüpft haben,
und dann müßten die Synagogenvorsteher Näheres über die christliche
Verkündigung wissen". Man fragt sich, wie H. zu der Tatsache steht,
daß Paulus' Römerbrief eine christliche Gemeinde in Rom, sogar
judaisiereuder Observanz, zur Voraussetzung hat. Man kann doch
nicht die Tatsache hinwegdeuten, daß die den Brief beherrschende