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Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

382

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lansemann, Robert

Titel/Untertitel:

Die Heiligentage 1940

Rezensent:

Stählin, Wilhelm

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 12

382

in die Gespräche, Synodalverhandlungen, Landtagspredigten
, Gewissenskämpfe, Streitschriften, Rechtfertigungen
baltischer Protestanten, eines Bielestein, Ulmann,
Bischof Walter, Schirren u. a. hineinschauen laßt. Hier
spricht die leidgeprüfte und taterprobte Erfahrung verantwortlicher
Führer über die innersten Zusammenhänge
von Sprache und Religion, Nationalgefühl und Glauben,
deutschen Geist und Luthertum. Wenn wir heute eine
Frömmigkeits- und Kirchengeschichte des deutschen Volkes
in seiner Volksdeutschen Weite brauchen, dann dürfen
wir innerhalb und außerhalb der Theologie den
großen Beitrag des Luthertums zur Geistes- und Gewis-
sensgeschichte der deutschen Volkstumspolitik nicht übergehen
. Seine Kenntnis verdanken wir Rudolf Craemer.
Cilli, Jugoslawien Gerhard May

May, Weiner: Warum ich immer noch Pfarrer bin. Konstanz i. B.

Christi. Verlagsanstalt [1939]. (47 S., mit Abb.) 8°. RM —80.
Der Verf. gibt der Gemeinde ein Buch in die Hand, das ihr Aufschluß
gibt über die große und verantwortungsvolle Arbeit des
Pfarrers — und dem Pfarrer ein Buch der Besinnung auf sein großes,
ihm von Gott aufgetragenes Amt. Möge es so seinen Dienst an un-
serm deutschen Volke erfüllen.

Bad Freienvvalde Siegmund Grengel

Dietz, Otto: Matutin- und Vesperbüchlein. Im Auftr. d. Amtes
f. Volksmission in d. Ev.-Luth. Kirche in Bayern hrsg. 2., neu be-
arb. u. erg. Aufl. Neuendettelsau: Freimund-Verlag 1939. (80 S.)
kl. 8° — Freimundhefte, Sonderh. 1. RM —50; geb. RM 1.25.
Das gut ausgestattete und wohlfeile Heft enthält eine vollständige
Ordnung der Matutin (Mette) und der Vesper, als Hilfe für den
Psalmengesang ein Verzeichnis der Psalmtöne und Vorschläge für die
Verteilung der einzelnen Psalmen, eine Reihe von Morgen- und Abendgebeten
und außer der lutherischen Litanei zwei weitere Litaneien.
Dankbar werden wir jede praktische Hilfe begrüßen, die aus der Liebe
zur Kirche und ihrem geordneten Gebet einen Teil des Reichtums, der
einmal in ihr lebendig war, dem Gebrauch der Gemeinden wieder er-
schließt. Doch muß sich jede dargebotene Form heute mehr als je
daraufhin prüfen lassen, ob die uns erschlossenen Einsichten in
das Strukturgesetz bestimmter Oottesdienstc und in den Sinn der einzelnen
Gestalten sorgfältig beachtet und beispielhaft verwirklicht sind.
Das kann leider diesem Heft, das durch das verdienstvolle volksmissionarische
Amt der Bayrischen Landeskirche autorisiert ist, nicht
durchweg nachgerühmt werden. Auch wer keineswegs der Meinung
ist, daß wir uns in allen Einzelheiten an die Formen des 16. Jahrhunderts
binden müssen, wird so willkürlichen Strukturveränderungen,
wie sie in den von Otto Dietz vorgelegten Ordnungen enthalten sind,
entschieden widersprechen: Die Einfügung einer „Beichte" in Matutin
und Vesper, die Verwendung des aus der Messe stammenden Kyrie
für das tägliche Morgen- und Abendgebet, dessen Einfügung in einen
Beichtakt, die Vermengung von Vesper und Komplet: dies sind Beispiele
solcher Änderungen, für die sich kein vernünftiger Grund anführen
läßt, und die hoffentlich keine Nachahmung finden. Dazu
kommt, daß die Sprache den Anforderungen nicht genügt, die heute
selbst in der römisch-katholischen Kirche an einen deutschen liturgischen
Text gestellt werden; neben schwer erträglichen Archaismen
finden sich Stellen, die mehr durch die enge Bindung an die lateinische
Vorlage als durch das deutsche Sprachgefühl bestimmt sind. Am
wenigsten können die musikalischen Vorschläge gutgeheißen werden.
Es geht heute nicht mehr an, die aus dem 19. Jahrhundert stammende
musikalische Tradition beizubehalten, auch da, wo sie offenbar
und unzweifelhaft dem musikalischen Sinn der betreffenden Melodie
zuwider ist. Die vorgeschlagene Form der Psalmtöne zeigt gar keinen
Einfluß der neuen Forschungen und bietet, von einigen überraschenden
Eigentümlichkeiten abgesehen, durchweg die römische Fassung der
Psalmtöne, als ob es nie einen deutschen Choral-Dialekt gegeben und
die Reformation sich nicht gerade darum bemüht hätte. Sowohl in
der Matutin wie in der Vesper wird für den Psalmgcsang eine bestimmte
Antiphon vorgeschlagen, ohne daß mit einer Silbe angedeutet
wird, daß diese Antiphon dem 5. Psalmton angehört, der Psalm danach
also nicht in einem beliebigen Psalmton, sondern eben nur im
5. Ton gesungen werden kann; welche Verwirrung muß entstehen, wo
man das nicht beachtet! Es wäre zu bedauern, wenn diese fehlerhaften
Ordnungen und Formen auch nur in einer einzigen Landeskirche in
den Gebrauch der Gemeinde übergingen und dadurch einer wohl begründeten
gemeinsamen Ordnung dieser Dinge im Wege stünden.
Münster i. W. Wilhelm S t ä h 1 i n

Lansemann, Robert: Die Heiligentage, besonders die Marien-,
Apostel- und Engeltage in der Reformationszeit, betrachtet im Zusammenhang
der reformatorischen Anschauungen von den Zeremonien
, von den Festen, von den Heiligen und von den Engeln.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1939. (209 S.) gr. 8° = Beih.
z. Monatschr. f. Gottesdienst u. kirchl. Kunst (Das Heilige und
die Form) Sondcrbd. 1. RM 9.8Ö.

Der Verfasser ist in einer von dem Referenten angeregten Disser-
j tation der Frage nachgegangen, in welchem Umfang und in welchem
Sinn solche Tage, die man unter dem Namen „proprium sanetorum"
i zusammenfassen könnte, in der Reformationszeit tatsächlich gehalten
i und welche Grundsätze dabei beachtet worden sind. Der ausführliche
J Untertitel bezeichnet ebenso die Umgrenzung wie die Tragweite dieser
: Untersuchung. Der Verfasser hat mit einer vorbildlichen Gründlichkeit
ein bis in alle Einzelheiten und Kleinigkeiten durchgeführtes Bild des
I tatsächlichen Befundes gezeichnet und hat zugleich versucht, überall
| die historischen und theologischen Hintergründe der Stellung aufzu-
j decken, die diesen Heiligentagcn in der Reformationszeit theoretisch
! und praktisch eingeräumt worden ist. Damit liegt die Bedeutung die-
| ser Arbeit auf zwei Gebieten. Sie zeigt zunächst aufgrund eines über-
: reichen Materials, daß es in der Reformaticwiszeit zwar verschiedene
„Typen" des Kirchenjahres gegeben hat, daß aber alle diese Typen
sehr viel konservativer und darum auch sehr viel reicher gewesen sind,
| als es die späteren Restbestände einer Kirchenjahresordnung ahnen
[ lassen. Der Ertrag eines gewissenhaften Sammlerfleißes ist am Schluß
j des Bandes in drei Tabellen niedergelegt, die (1) die Heiligentage
| in den hauptsächlichsten Kirchenordnungen, (2) Luthers Predigten
an Heiligentagen, (3) die Heiligentage in den hauptsächlichsten Postillen
in dem Grad und der Art ihrer Beachtung erkennen lassen.
Durch diese Zusammenstellung, wie sie in dieser Fülle und Vollständigkeit
bisher noch nirgends vorgelegen hat, wird unser Bild von der
Schätzung des Kirchenjahres und seiner einzelnen Feiertage bei den
I Reformatoren in wesentlichen Zügen ergänzt und gegenüber den Und-
| läufigen Vorstellungen berichtigt.

Der Verfasser war aber zugleich bemüht, diese historischen Ein-
| zelfragen in den Zusammenhang der „reformatorischen Anschauunger.
j von den Zeremonien, von den Festen, von den Heiligen und den Engeln
" überhaupt zu stellen. Diese Untersuchung bietet umso mehr
! Neues, als die Lutherforschung sich im allgemeinen mit diesen Fragen
weniger beschäftigt hat. Theologisch besonders fruchtbar ist dabei die
j Frage, wie sich die theoretische ,,Liturgik" der Reformatoren zu
' ihrer liturgischen Praxis verhält. Lansemann kommt zu folgender Ant-
I Wort: Er belegt mit einer Fülle von Zitaten seine These, daß die
theoretischen Äußerungen Luthers aufs stärkste von seinen occamisti-
schen Lehrern beeinflußt sind und deren Begriffe und Werturteile über
die „Zeremonien" weithin übernommen haben. Die tatsächliche Behandlung
der Heiligentage in den Kirchenordnungen und in der gottesdienstlichen
Praxis aber läßt sich weder aus diesen theoretischen
Voraussetzungen noch aus einer bloßen Beharrung in dem überliefer-
I ten Bestand restlos erklären; vielmehr sind hier bestimmte Einsichten
: ganz anderer Art wirksam gewesen, die mit einem starken und unmittelbaren
Empfinden für das schöpfungsmäßige Wesen der Dinge
zusammenhängen. Wenn diese von Lansemann mit vielen Gründen belegte
Gesamtauffassung richtig ist, so wird man ihre Tragweite nicht
leicht überschätzen können.

Leider ist es bisher nicht möglich gewesen, mit dem Text auch
die umfänglichen Anmerkungen zu veröffentlichen; aber erst diese Anmerkungen
mit ihren reichen Belegen aus zum Teil entlegenen Quellen
werden den vollen Wert dieser fleißigen Untersuchung sichtbar machen.
Es ist deswegen dringend zu wünschen und zu hoffen, daß sich nach
dem Krieg ein Weg finden läßt, um auch diesen Teil des Gesamtwerkes
öffentlich zugänglich zu machen.

Münster i. W. Wilhelm S t ä h 1 i n

Infolge technischer Schwierigkeiten hat im Nov.- und Dez.-Heft die
Zeitschriftenschau unterbleiben müssen. Die Schriftleitung hofft jedoch,
sie in der in Kürze folgenden ersten Doppelnummer des neuen Jahrgangs
wieder aufnehmen zu können. Bis dahin muß die oft schon an
j dieser Stelle ausgesprochene Bitte wiederholt werden, daß die Herren
j Verfasser von einschlägigen Aufsätzen, besonders in abgelegeneren Zeitschriften
, gebeten werden, einen Sonderabdruck einzusenden, um die Aufnahme
des Aufsatzes in die Zeitschriftenschau zu sichern. A.

Verantwortlich i.V. :Lic.KurtAl and, Berlin-Steglitz, HolsteinischeStr.45/46.
I — Manuskripte und Rezensionsexemplare sind ausschließlich an den
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! Rezensionsexemplare kann nicht übernommen werden. — J. C. Hinrichs
I Verlag, Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg