Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

376-377

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Delekat, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die heiligen Sakramente und die Ordnungen der Kirche 1940

Rezensent:

Weber, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

375

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 12

376

fügt, die wir Philosophie nennen" (416). Nebel hat wenigstens den
entscheidenden Punkt erkannt, an dem die Kritik gegen Brecht immer
wieder einsetzen muß und auch einsetzen wird. Es handelt sich um
das Problem der geschichtlichen Begegnung und Aneignung, das Br.
im Sinne der Jaspersschen Existenzphilosophie löst. Wie schon angedeutet
, ist seine rein philosophische Auslegung im tiefsten Grunde
zeitlos und geschichtsfremd. Die Begegnung mit Heraklit erfolgt
jenseits der Geschichte und unter Verzicht auf jede Einordnung in den
geschichtlichen Geschehenszusammenhang. Brecht übernimmt Jaspers'
existenzphilosophischen Begriff der Geschichtlichkeit und fällt damit
unter die berechtigte Kritik, die Otto Friedrich Bollnow als Vertreter
der Diltbeysch'ule im ersten Aufsatz seiner feinsinnigen Auseinandersetzung
mit Jaspers („ExistcnzphiJosophie und Geschichte", Bl. f. D.
Ph. Bd. 11, 337 ff.) ausgesprochen hat: „Der existenzphilosophische
Begriff der Geschichtlichkeit entfremdet nämlich den Menschen von
der wirklichen Geschichte als dem größeren umfassenden objektiven
Zusammenhang, in den das einzelne geschichtliche Wesen eingegliedert
ist" (338). Insbesondere treffen Brecht die Worte Bollnows, mit
denen er sich gegen Jaspers' „aneignende Metaphysik" wendet: ,,Es
gibt hier für Jaspers nicht die Fragen des geschichtlichen Abstandcs,
der größeren oder kleineren geschichtlichen Nähe oder Ferne und damit
zusammenhängende Fragen. Zwar werden auch die großen Gestalten
der Geschichte nicht schlechthin als Autoritäten hingenommen,
sondern unterliegen einer unerbittlichen Auseinandersetzung, aber
diese Auseinandersetzung erfolgt, unter Überspringung der geschichtlichen
Entfernung, in einer rein zeitlosen Berührung. Alle metaphysischen
und philosophischen Lehren und alle großen Gestalten der
Geschichte treten auf einer einzigen Ebene dem Menschen gegenüber,
wo sie ihm alle gleich nahe und gleich fern sind (355). . . Es handelt
sich auch hier um die geschichtlich zeitlose Bewegung zwischen
den einsamen Verstehenden und den ebenso einsamen angeeigneten
Philosophen. Die Aneignung vollzieht sich also nicht in dem echten
Medium der Geschichte" (358). Damit ist alles Entscheidende gegen
Brecht gesagt. Der Philosophiegeschichtier will ein echtes historisches
Verständnis auf Grund wahrer Hingabe an die geschichtliche
Wirklichkeit. Nur auf diesem Wege kann auch Heraklits Philosophie
das philosophische Denken der Gegenwart befruchten und
maßgeblich zur Erneuerung deutscher Wissenschaft beitragen.

Abgesehen von den vorgebrachten Bedenken enthält
jedoch Brechts Heraklitbuch eine erstaunliche Menge
neuer Anregungen und beeindruckt nicht nur durch den
hinreißenden Schwung der Darstellung und den künstlerischen
Sprachstil, sondern allein schon durch das
kühne Unterfangen einer wirklichen philosophischen Gesamtdarstellung
, die seit Patins wohlgemeintem Versuch
aus dem Jahre 1885 eine dringende Notwendigkeit der
Heraklitforschung war. Aber den wahren und historischen
Heraklit hat uns auch Brecht nicht zu erschließen
vermocht; man wird ihn auch mit einer solchen „philosophischen
" Methode nie ergründen können. Sollte das
rechte Verfahren nicht vielmehr wie so oft in der Mitte
liegen? Der goldne Mittelweg zwischen Gigon und
Brecht scheint mir noch am ehesten zum ersehnten
Ziel zu führen.
Marburg/Lahn Wilhelm Luther

Knittermeyer, Hinrich: Immanuel Kant. Vorlesungen zur
Einführung in die kritische Philosophie. Bremen: Arthur Geist 1939.
(160 S.) gr. 8° = Abh. u. Vortr., hrsg. v. d. Bremer Wiss. Ges., Bd. 12,
H. 4. RM 3.60 ; geb. RM 5—.

Das Kantbuch K. will in die kritische Philosophie
d. h. die Kants nur einführen; insofern ist es für den
Anfänger bestimmt. Der Kenner wird darüber hinaus
dem Vf. dankbar sein für seine wirklich geistvolle Überschau
über die kritische Philosophie. In den Abschnitten
„Anschauung und Denken", „Begriff und Idee",
„Gesetz und Freiheit" und „Kunst und Leben" werden
Probleme und Resultate der drei Kritiken zusammengefaßt
. Der Vf. will nicht zu Kant zurückführen (5)
d. h. doch positiv, daß er im einzelnen oft anders als
Kant denkt. Allein von „kritischen Betrachtungen", wie
sie das noch immer nicht überholte grundlegende Werk
Richard Kroners (von Kant bis Hegel, Bd. I) auszeichnen
, ist bei K. nichts zu spüren, obwohl Ansätze dazu
vorhanden sind (92, 99, 116). Nicht unwichtig ist
der Hinweis auf die deutschen Momente im Philosophieren
Kants. K. rechnet dazu die Einsetzung der Anschauung
neben dem Denken in ihre Würde (65) und
die steile Aufrichtung des Pflichtimperativs (105). Die

Bedeutung des Buches für die Kantforschung beruht im
letzten Abschnitt „Welt, Mensch und Gott", der zeigt,
daß die Kritik in einer Anthropologie endet. Dies
wird erwiesen auf Grund des erst 1938 der Öffentlichkeit
I zugänglich gemachten Opus postumum (Akademieaus-
! gäbe von Kants Werken Bd. XXI und XXII). Wie der
Mensch zwischen Gott und Welt von Kant als Gegenstand
einer Transzendentalphilosophie erfaßt wird, hat
der Vf. an Hand treffend ausgewählter Zitate dargetan
. Die Kantiorschung der Zukunft wird im Zeichen
I der Auswertung des 2 bändigen Nachlaßwerkes stehen.
S Nachdem Gerhard Lehmann die Beziehungen des Opus
postumum zur KrU in einer grundlegenden Analyse herausgestellt
hat (Kants Nachlaßwerk und die Kritik der
J Urteilskraft, Berlin 1939), liegt die erste Monographie
j über „Kants Philosophie des Organischen in den letzten
j Systementwürfen. Untersuchungen aus Anlaß der vollendeten
Herausgabe des Opus postumum" (Bl. f. deutsche
I Phil., 14 Bd., H. 1—2, Bln. 1940, S. 81 — 108) von
; Heinz Heimsoeth vor. Ich selber habe eine Abhandlung
| über Moralphilosophie und Theologie in Kants Opus
j postumum abgeschlossen, die demnächst erscheinen kann.
Berlin Walter Karowski

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Delekat, Prof. Lic. Dr. Friedrich: Die heiligen Sakramente und
die Ordnungen der Kirche. Ein Beitrag zur Lehre von der Sichtbarkeit
der Kirche. Berlin: Furche-Verlag 1040. (212 S.) 8° =
j Furche-Studien, Bd. 22. RM 4.80; geb. RM 5.80.

Dies Buch gehört in die Reihe der heute zahlreicher
werdenden Versuche, den praktisch-theologischen Belang
I der Systematischen bzw. die systematische Bedingtheit
der Praktischen Theologie herauszuarbeiten. Der Untertitel
deutet diese Richtung des Nachdenkens an.

Neben den beiden Sakramenten sind fünf „Ordnungen
" Gegenstand dieser Arbeit, „die in gewissem
j Sinne den restlichen fünf Sakramenten der römisch-
katholischen Kirche entsprechen" (Beichte, Konfirma-
| tion, Trauung, Beerdigung, Ordination). Der Unter-
| schied wird (S. 11) so bestimmt: „In den Sakramenten
j handelt der auferstandene Christus selber an seiner Gemeinde
; in den Ordnungen handelt die Kirche in sei-
: nein Auftrage an den Menschen. Die Sakramente gehen
! der Kirche voraus und bilden zusammen mit dem Worte
j Gottes den Grund, auf dem sie ruht; die Ordnungen
i dagegen sind Einrichtungen der Kirche, die den Zweck
[ haben, das Leben der Menschen in der Gemeinde Jesu
j Christi zu regeln und zu heiligen". Diese Unterschei-
i düng wird klar durchgeführt und bestimmt Aufbau und
I Gehalt des Buches.

Nach einem kurzen Kapitel über die Sakramente
im allgemeinen, das den Unterschied von Wort und
Sakrament als einen solchen von Reden und Handeln
kennzeichnet, wendet sich der Verfasser zunächst der
Taufe zu. Ihr Sinn ist „ganz eindeutig die Bewahrung
der Getauften im Gericht" (S. 37). Auf der an-
; deren Seite ist sie „das Zeichen der Zugehörigkeit
zum erwählten Gottesvolk" (S. 39). Diese doppelte
i Bestimmtheit enthält bei dem Kirchenbegriff des Ver-
; fassers keine Schwierigkeit. Eine „Bewahrung vor dem
: Gericht" ist vornehmlich nicht in Zuständen oder Erlebnissen
des Einzelnen, sondern in seiner Zugehörigkeit
zur Kirche begründet. Von da aus ergibt sich eine
, entsprechende — m. E. nicht völlig klare — Stellungnahme
zu dem vielerörterten Problem der „Taufwie-
] dergeburt", eine Begründung des Rechts der Kinder-
! taufe und eine Erörterung der heutigen Taufproblema-
j tik, in der sich der Verfasser gegen die verbreitete
' Neigung zur Taufverweigerung zur Wehr setzt.

In der nun folgenden Lehre vom Abendmahl vertritt
I Delekat im Ganzen den Standpunkt Luthers, freilich ohne
daß die Auffassung Calvins abgelehnt wird oder sachlich
unmöglich würde. Deutlich und auch einleuchtend