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Ausgabe:

1940

Spalte:

367

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Erasmus, Desiderius

Titel/Untertitel:

Vom freien Willen 1940

Rezensent:

Loewenich, Walther

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Seite 1

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367

Theologische Lileraturzeitung 1940 Nr. 12

368

Gott den Auftrag hat, ihre bedrohten Untertanen zu
schützen. Nur unter des Reiches Panier also kann der
Christ mit gutem Gewissen gegen den Türken kämpfen,
aber nicht unter des Kreuzes Fahne.

Der Wert der Arbeit liegt in der sauberen Heraus- j
arbeitung der Motive, die in der Kreuzzugsidee zusammenwirken
. Ferner wird bei Luthers Überwindung der
einzelnen Motive das spannungsreiche Verhältnis von
Reich Gottes und Weltreich und des Christen Zugehörigkeit
zu beiden vielseitig beleuchtet. Dogmenge-
schichtHch liefert die Arbeit somit einen wertvollen Beitrag
zu Luthers Unterscheidung der beiden Reiche. Da- ,
mit zugleich auch zu der immer wieder zu stellenden
Frage nach dem Verhältnis von Christentum und Politik
.

Berlin Karl O ottschal d

Erasmus von Rotterdam: Vom freien Willen. Verdeutscht |
von Otto Schumacher. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht :
1940. (Q3 S.) gr. 8°. RM 2.80.

O. Schumacher hat sich durch seine 1937 erschienene
Verdeutschung von Luthers De servo arbitrio ein Verdienst
erworben. Nunmehr hat er auch eine Übersetzung
der Diatribe des Erasmus vorgelegt. Dies ist schon aus J
Gründen der Billigkeit zu begrüßen. Es besteht heute |
die Gefahr, daß Erasmus unter dem Eindruck der ge- |
waltigen Gegenschrift Luthers allzu leicht abgetan wird
— vielfach, ohne daß man ihn überhaupt gelesen hat.
Möge die neue Verdeutschung dem „Audiatur et altera
pars" zu seinem Recht verhelfen.

Die zeitgenössischen Übersetzungen von Altdorff,
Cochläus und Emser sind heute nicht mehr zugänglich.
Der Übersetzung Schumachers liegt die textkritische Neuausgabe
der Diatribe von Johannes v. Walter zugrunde.
Von ihr hat Schumacher auch die Einteilung und Bezeichnung
der einzelnen Abschnitte übernommen. Die Übersetzung
ist nicht so frei wie die von Luthers Gegenschrift
. Man wird dem Urteil, daß hier die freiere Gestaltung
weniger angebracht sei, durchaus zustimmen
können. Sie ist auch nicht nötig, die Übersetzung liest
sich trotzdem gut. Das liegt, wie der Übersetzer in
Bescheidenheit, aber sachlich nicht unrichtig bemerkt,
auch an der Diktion des Erasmus selbst. Erasmus wendet
sich an den „sogenannten gesunden Menschenverstand
" und meidet die Abgründe, die Luther in seiner
Schrift aufreißt. Das macht sich auch in seinem Stil
bemerkbar. Über Einzelheiten der Übersetzung kann
man natürlich verschiedener Meinung sein. So würde j
ich z. B. das für Erasmus charakteristische „mihi quidem
in his placet moderatio" (IV, 16, W. S. 90) nicht mit |
„ich wenigstens tue hierbei nicht gerne des Guten zu
viel" (Sch. S. 87) wiedergeben.

Erlangen W. v. L o e w e n i c h j

Pfeiffer-BelH, Dr. Wolfgang: Thomas Murner im Schweizer
Glaubenskampf, hrsg. Münster: Aschendorff 1930. (XXXVIII, 91 S.) I
gr. 8° = Corpus Catholicorum. Werke kath. Schriftsteller im Zeit- j
alter d. Qlaubensspaltung. H. 22. RM 5.70.

Von Thomas Murners „Deutschen Schriften" war seit j
1931 (Sp. 5401) in der ThLZ. nicht mehr die Rede, j
Nun kommt der hervorragende Satiriker zum erstenmal !
auch im „Corpus Catholicorum" zu Wort, und zwar mit
bisher wenig beachteten, hier zum erstenmal neu ge- j
druckten drei Schriften aus seiner Luzerner Zeit (1525/
29). Der Herausgeber ist als Murner-Forscher rühmlich
bekannt (vgl. ThZ 1930, 302f.; 1929, 272). Seine Einleitung
der Textausgabe mit ihrer Zeichnung des Charakterbilds
Murners und seines Eingreifens in den Schwei- !
zer Glaubenskampf beweist Vertrautheit mit Quellen und j
Literatur und überragende Kenntnis der Sache und der
Zeit, der Sprache und des Stils. Die drei deutschen
Schriften, um die es sich handelt, sind Murners „Brief"
an die zu Einsiedeln zusammengetretene „Tagsatzung",
datiert vom 30. April 1526; zweitens Murners „Verantwortung
" auf die Badener Disputation, auf die Anklage
des Züricher Rats wegen des obigen „Briefs" u. a., vom
Juli 1526; drittens Murners Kritik des Berner Disputa-
tions-Ausschreibens („hie würt angezeigt") v. Dez. 1528.
Der Textausgabe ist ein höchst wertvoller Kommentar
mit vielen Wort- und Sacherklärungen, Zitaten-Nachweisen
und Vergleichen mit andern Murner-Schriften beigegeben
. Die wichtigsten Wörter und Zitate aus der Bibel,
aus antiken Autoren, Kirchenvätern und aus dein Corpus
juris civilis sind am Schluß noch in eigenen Verzeichnissen
zusammengefaßt. So erfüllt diese Textausgabe alle
Anforderungen und bedeutet eine sehr dankenswerte
Förderung der Kenntnis des gelehrten, vielseitigen,
fruchtbaren und volkstümlichen Schriftstellers aus dem
Franziskanerorden.
Tettnang (Wttbg.) Wilhelm Koch

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT

(Geissendoerfer, Theodor:] Briefe an August Hermann
Francke. Mit Einleitung und Erläuterungen hrsg. Urbana: University
of Illinois Press 1939. (223 S., 1 Bild) 4° = Illinois Studies in Lan-
guage and Literature Vol. XXV, Nos. 1-2. $ 2.50; geb. $ 3—.
Die Universität Illinois hat 1913 die Bibliothek
des Pädagogen Prof. Aron aus Spandau erworben. In
ihr fanden sich die weitaus meisten Briefe, die von
Geissendoerfer in der vorliegenden Sammlung mit großer
Liebe und Sorgfalt veröffentlicht sind; eine treffliche
Einleitung orientiert über ihre Herkunft und Entstehungszeit
; fortlaufende Anmerkungen geben nach
Möglichkeit Auskunft über die in den Briefen genannten,
am Schluß in einem Register aufgeführten Persönlichkeiten
, die sich allerdings zum großen Teil nicht mehr
identifizieren lassen. Die Sammlung enthält 70 Briefe
von Fr.s Mutter aus der Zeit von 1691 bis 1708, von
denen allerdings nur 21 sich in Illinois befinden, während
35 in der Preuß. Staatsbibliothek und 14 in der
Bibliothek der Franckeschen Stiftungen aufbewahrt werden
. Der Herausgeber hat sich die Mühe nicht verdrießen
lassen, die sämtlichen noch vorhandenen Briefe
von „Anna Franckin" an ihren Sohn zusammenzubringen.
Noch mehr Raum nehmen 60 — warum in der Einleitung
nur 54 gezählt werden, ist mir nicht klar geworden —
Briefe von Joh. Mich. Hempel, einem dankbaren Verehrer
, vom 1709 bis 1721 auch Mitarbeiter Fr.s in
Halle, aus den Jahren 1702—1726 ein, 8 aus Regensburg
, wo der Schreiber die Söhne eines Ratsherrn und
des Preuß. Gesandten beim Reichstag unterrichtete, 4
aus Elbing, wo er an der dortigen Lateinschule tätig war,
39 aus Halle, weil ihm hier offenbar die Gelegenhieit zu
mündlicher Aussprache mit dem vielbeschäftigten Fr.
oftmals fehlte, dieser auch zeitweilig auf Reisen sich
befand und die letzten 9 wieder aus Elbing, wohin
Hempel 1721 an die Lateinschule zurückgekehrt war..
Zwischen beide Gruppen sind 10 von anderen Verwandten
Fr.s eingeschoben. An die Briefe Kumpels
reihen sich solche von einem Heinrich Westphal, gebürtig
aus Bardowieck, der später als Prediger im Stockholm
gewirkt zu haben scheint, ferner von Fr.s Hallischen
Kollegen, dem Mediziner Alberti, einer nebst
einem Tagebuch-Fragment von Christoph Friedrich Mickwitz
aus Petersburg und eben daher 2 von Johann
Loder. Den Schluß bilden 13 einzelne, darunter einer
vou einer Fürstin von Braunschweig-Lüneburg, damaliger
Abtistin von Gandersheim, einem Grafen zu Erbach und
einer aus Moskau.

Aus den Briefen der Mutter, die wegen ihrer unmöglichen
Orthographie und Interpunktion nicht gerade bequem
zu lesen sind, spricht eine einfache fromme Seele.
Sie vermeidet durchaus „die Sprache Kanaans", die
sich in den Briefen der anderen Verwandten stark bemerkbar
macht und auch den anderen Korrespondenten
geläufig ist. Ihre Briefe handeln durchgehends von
ihren Familienangelegenheiten, von ihrem und ihrer mit