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Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

366

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Wiswedel, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Balthasar Hubmaier 1940

Rezensent:

Dress, Walter

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Seite 1

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365 Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 12 366

auf einer gründlichen und mit Liebe eindringenden, dem nur von einer großen Zahl von Einzelergebnissen

Kenntnis des Briefwechsels und gestaltet aus einer fast sprechen. Eben in diesen liegt ihr Sinn und ihre Stärke,

erdrückenden Fülle von Einzelbeobachtungen ein Gesamt- j Aber das üanze rundet sich doch in glücklichster Weise

bild der Beziehungen Bullingers zu den Reformatoren l zu einem Bilde, das die reiche Persönlichkeit des Zür-

der welschen Schweiz und zu Frankreich, wie es leben- ' eher Antistes in klaren Konturen hervortreten läßt. Auch

diger und anziehender kaum gedacht werden könnte. ] das, was wir für die Kenntnis des Theologen Bullinger

Es ist ein Ausschnitt aus dem Lebenswerk Bullingers, | und seine theoliogiegeschichtliche Einordnung aus diiie-

aber ein sehr wesentlicher, und so haben wir hier nicht sem Buche lernen können, ist von erheblichem Belang,

nur eine zusammenfassende Vorarbeit, sondern bereits ; Freilich überwiegt das kirchengescheihtliche Interesse

ein organisches Stück der erwünschten Gesamtdarstel- j und der kirchengeschichtliche Ertrag. Das konnte auch

lung vor uns, das umso dankbarer aufgenommen werden i nicht anders sein.

muß, als naturgemäß dieser Sektor nicht ohne Berück- I Der Verfasser ist zu seiner Verehrung des Zürcher

sichtigung des gesamten Lebenskreises dargestellt werden
konnte. So ist der Ertrag dieser sehr lebendig
geschriebenen Arbeit kirchen- wie theologiegeschichtlich
außerordentlich w e rt v oll.

Nach einer kurzen biographischen Übersicht und
wertvollen Mitteilungen über den Umfang und Bestand
der Korrespondenz BuWingers gibt der Verfasser im ersten
Teil eine eindringende Schilderung der Beziehungen
Bullingers zu den Männern der welschen Schweiz, vor
allem natürlich zu Calvin. Er führt hier die bereits
vorliegenden Untersuchungen von Rüegg und Kolfhaus
(beide 1909) unter leichten Korrekturen im Einzelnen
weiter. Als besonders beachtlich muß die von ihm gegebene
Geschichte des Conseiisus Tigurinus gelten. Aus-
der Zeit nach dem Consensus bietet er aus den in Zürich
bewahrten Schätzen ein ganz rätselhaftes Dokument,
das in den Zusammenhang der bekannten Unionsversuche
Bezas gehört und zu deren Beurteilung in jedem
Falle sehr wichtig sein dürfte: es trägt den — teils
unter-, teils durchstrichenen — Titel Conciliatio Cal-
vinica.

Der zweite Teil ist dem Verkehr Bullingers mit den
französischen Gesandten bei der Eidgenossenschaft gewidmet
, Männern, die zwar für ihre durchgängig bestehende
vornehmste Aufgabe, nämlich die Förderung
französischer Truppenwerbungen in der Schweiz, bei dem
Zürcher keine Hilfe erwarten konnten, aber dennoch
in mannigfaltigen, zum Teil sehr engen Beziehungen zu
ihm gestanden haben, zumal wenn sie selbst den reforma-
torischen Bewegungen ihres Landes nahestanden. Man
sieht hier mit Staunen, wie weit der Gesichtskreis dieses
Mannes gespannt war, wie frei er von jeder Engherzigkeit
und Prinzipienreiterei war. Bouvier hat hier in
weitestem Maße Neuland betreten, und wir haben allen
Grund, ihm für die mühsamen Untersuchungen über
dieses scheinbar so abgelegene Gebiet dankbar zu sein.

Ein dritter Teil beschäftigt sich sodann mit den
Beziehungen Bullingers zu Frankreich selber. In diesem
Zusammenhang geht der Verfasser vor allem auf
die Entstehungsgeschichte der Confessio Helvetica posterior
ein — wobei sich beachtliche Gesichtspunkte auch
für die Vorgeschichte des Heidelberger Katechismus
ergeben —, schildert dann weiter die recht engen Beziehungen
zu Du Moulin, Hotman, Languet und Petrus
Ramus und bietet dann endlich — die Besprechung kann
aus dem großen Stoff nur das Wichtigste herausgreifen
— eine Darstellung der Einwirkung Bullingers auf

Meisters durch seine Teilnahme an der heutigen „ökumenischen
Bewegung" gekommen, wie er selbst gesteht.
Soweit man von einer „Theologie" dieser Bewegung
schon sprechen kann, kann Bouvier, wie namentlich der
Schluß des Buches zeigt, zu ihren Vertretern gerechnet
weiden. Ob er freilich gut daran tut, die von der „ökumenischen
Bewegung" vertretene Ideologie dem Antistes
so weitgehend zu imputieren, das möchte dem Rez.
sehr fraglich erscheinen. Die gelegentlich in die Darstellung
eingestreuten theologischen Reflexionen des
Verfassers nehmen sich neben Bullinger doch recht modern
aus. Erst recht würde man es lieber sehen, wenn
der Verfasser, was ihm ohne Schaden möglich gewesen
wäre, politische Erwägungen im Sinne des in der Schweiz
stark auftretenden Alemannismus und gar gelegentliche
Bezugnahmen auf deutsche kirchliche Verhältnisse der
Gegenwart ausgelassen hätte. Aber es wird auch der,
dem die „ökumenische Bewegung" theologisch so problematisch
erscheint wie dem Rez., ein ungewolltes Verdienst
darin erblicken, daß sie den Verfasser zu dieser
Arbeit angeregt hat, die eine so außerordentlich wertvolle
Bereicherung bedeutet, daß es eine Freude ist,
sie anzuzeigen.
Göttingen Otto Weber

Wiswedel, W.: Balthasar Hubmaier der Vorkämpfer für Glaubens
- und Gewissensfreiheit. Kassel: J. G. Oncken 1939. (71 S.)
8°. RM —60.

Nach einem kurzen einführenden Abschnitt über Leben, Wirken
und Märtyrertod H.'s bringt der Hauptteil „Sein Schrifttum" eine
systematisch geordnete Auswahl aus seinen Werken. Dabei wird deutlich
, wie scharf die Anthropologie H.'s sich von der reformatorischen
unterscheidet. Besonders ausführlich werden der Sache entsprechend
die sog. „Sakramente", Taufe und Hcrrenniahl, berücksichtigt, ferner
die „Stellung des Christen zur Obrigkeit", die ja bei H. eine andere
war als bei den meisten Täufern sonst. Ein kurzes „Schlußwort"
umreißt noch einmal Gestalt und Nachwirkung H.'s. Das Büchlein
erhebt keine wissenschaftlichen Ansprüche, ist aber auf Grund der
Quellen und selbständiger Verwertung der Literatur sorgfältig und gewissenhaft
gearbeitet.

Berlin w. Dreß

Lind, Richard: Luthers Stellung zum Kreuz- und Türkenkrieg.

Gießen: Brühische Universitätsdruckerei 1940. (71 S.) 8°.
Die vorliegende Dissertation behandelt in knapper
und klarer Form das Werden der Kreuzzugsidee und
Luthers Stellungnahme zu ihr im konkreten Fall des
Türkenkriegs.

die ersten französischen Nationalsynoden. Es versteht j in einem 1. Teil werden die aus der mittelalterlichen

sich, daß der zweite und dritte Teil manchmal aus j Frömmigkeit stammenden und zur Kreuzzugsidee führen-

sachlichen Gründen ineinander übergehen: so findet j den Motive zusammengestellt: Verdienstgedanke, Idee

sich z. B. im zweiten Teil wertvolles neues Material j des heiligen Krieges sowie politische, soziale und hierar-

zu der ergreifenden Geschichte der Märtyrer von Lyon I chische Ziele. Im 2. Teil folgt Luthers Stellung zu diesen

und auch — wie dann weiter im dritten — manches ; Motiven von seiner Scheidung der beiden Reiche her.

Interessante über die Bartholomäusnacht. Besonders be- i Der Gedanke eines heiligen Krieges wird abgelehnt, weil

achtlich sind die Mitteilungen über Bullingers Bezichun- er der Vermischung von Gottesreich und Weltreich ent-

gen zu den bekannten Verfechtern des Gedankens der ] springt. Im Gottesreich, wo es das Übel zu erleiden

Volkssouveränität, Hotman und Languet: es wird wahr- 1 gilt, hat der Krieg keinen Raum. Der 3. Teil endlich

scheinlich gemacht, daß ihre Anschauungen von Bul- bringt Luthers positive Weisung zum Türkenkrieg. Der

linger beeinflußt und durch die Struktur der eidge- Verbindung von Teufel und weltlicher Obrigkeit beim

nössischen Stadtstaaten mitgestaltet worden sind. Türken muß auch in einem doppelten Kriege begeg-

Da die Arbeit sachgemäß im Querschnitt angelegt net werden: in der religiösen Überwindung des Türken

ist, so hat sie unvermeidlich etwas Mosaikartiges an durch den Christianus in Buße und Gebet und in seiner

sich, und man kann nicht von „einem" Ergebnis, son- äußeren Überwindung durch die Obrigkeit, die von