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Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

358-361

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Harder, Günther

Titel/Untertitel:

Paulus und das Gebet 1940

Rezensent:

Bornkamm, Günther

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857

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 12

358

testanientliebeu „Vorbereitung auf das Trinitätsgeheim-
nis" gehandelt wird. In diesem Zusammenhang spricht
H. u.a. über den „Engel Jahwes", „die Weisheit" —
mit Ausblicken auf orientalische Weisheitsgötter und
griechische Philosophie; er handelt hier weiter über
den „Geist Gottes", — auch hier werden am Schluß
„ausländische Parallelen" berücksichtigt —, und über
„Wort und Name Gottes". Es ist nicht ganz logisch und
gewiß nicht alttestamentlich gedacht, wenn solche Betrachtungen
vor den tüchtigen ersten Abschnitt des zweiten
Hauptteils, der die „Schöpfung" mit der Besprechung
der „Geistwesen" zu besprechen sich anschickt,
gestellt werden. „Den Bund mit Israel" bringt H. im
ersten Abschnitt („die religiös-sittliichen Pflichten") des
dritten Hauptteils („Lebensführung") unter, und zeigt
sich auch da eher dem Denken seiner Kirche als dein
Selbstverständnis des A.T. verbunden. Ob es glücklich getan
war, „Gebet" und „Segen und Fluch" in den Abschnitt
über „die äußere üottesverehrung" einzuordnen,
ist die Frage. Aber über Einzelheiten wollen wir garnicht
rechten.

Der Index am Schluß des Bandes weist aus, wie reich
die einschlägigen Stellen des A.T. verarbeitet sind. Es
liegt in der Natur der Sache, daß die Auswahl der
Scliliftstellen selber manchem zu manchen Anstößen Anlaß
geben wird. Recht ungleichmäßig scheint mir diese
Auswahl hier und da. Man ist erstaunt, in wie starkem
Maße der Verf. die jüngere und jüngste Weisheitsliteratur
heranzieht, und ist hier und da verwundert, eine
Sirachstelle neben ältesten Hexateuchzitaten zu finden.
Manches muß der grundsätzlich anders urteilende protestantische
Forscher doch wohl beanstanden; aber davon
ganz abgesehen wäre die Frage aufzuwerten, ob der
Verf. nicht besser getan hätte, solche fast kasuistisch
anmutenden Apologetica und Scholastica, wie die Verhandlungen
über das Thema „Gott kennt die bedingt
zukünftigen freien Handlungen" (S. 55f.), oder die nicht
nur im Zusammenhang recht überflüssige, sondern doch
auch wohl reichlich platte Erwägung auf S. 52 über die
Verschiedenartigkeit der Gegenwart Gottes „auch in un-
sern Gotteshäusern" und anderswo zu vermeiden! Nicht
immer werden die Vorurteile und wird das recht voraus-
setzungsvolle Denken des Verf. der so sehr viel primitiveren
Gefühlswelt und Gedankenwelt des A.T. gerecht.
Oftmals möchte man den Vf. schon bitten, doch darauf
Rücksicht zu nehmen, daß er über die Gedanken und
Gefühle eines recht urwüchsigen Volkes des Alten
Orients, nicht über solche moderner katholischer Gläubigen
/u handeln hat.

Die Benutzung der Literatur ist in Heinisch's
neuem Werk mit gewohnter Reichhaltigkeit erfolgt. Niemand
wird mit dem Verf. rechten, weil er hier und da
wichtiges übersah oder absichtlich nicht nannte. Aber
auch das, was zitiert wird, wird nicht immer richtig verstanden
, so hat H. z. B. Alts „Vätergott-These" gründlich
mißgedeutet. Die Arbeiten von Job. H ein pel bucht
der Verf., macht aber leider in der Darstellung selbst
wenig Gebrauch von ihnen. Eine Verhandlung der Thesen
der angeführten Literatur bietet der Verf. überhaupt
nur sehr selten. Daran mag und wird die Aufgabe seines
Buches schuld sein, das als Lehrbuch und Lernbuch gedacht
ist und deswegen die Dinge thetisch hinstellen
darf. Ich glaube aber, daß eine stärkere Einarbeitung der
Forschungsergebnisse etwa von Lorenz Dürr, um nur
einen verdienten katholischen Mitforscher zu nennen,
dem Buch sehr zugute gekommen wäre. Die „religionsgc-
schichtlichcn" Partien des Werkes sind nicht seine H öhepunkte
. Überraschend geringfügig und schlechterdings
nicht ohne Widerspruch zu lassen ist das Wenige, was
der Verf. über die Propheten Israels zu sagen hat. Es
ist doch erstaunlich, daß von den fast 400 Seiten dieses
Büchel den Propheten als solchen und der prophetischen
Bewegung nicht einmal eine ganze Seite zugeteilt wird
(Abschnitt 4 in § 18)! Wogegen über die Gegebenheiten
des „ersten Mcii9chenpaars" drei volle Seiten gefüllt werden
. Was der Verf. im ersten Abschnitt des fünften
Hauptteils („Das Gericht") dann nachträglich über die
„Drohreden der Propheten" und „Drohungen der vorexi-
lischen Propheten" anfügt, wird in gar keiner Weise den
[ Anforderungen des Themas mehr gerecht, so wenig wie
jene über die „Verheißungen der Schriftpropbeten" im
§ 47 ausgeführten Gedankengänge. Hier hat man wenig
den Eindruck, daß der Verf. von den Wirkungskräften
| und Lebensmächten der geistigen Strömungen des A.T.
I — und seiner Umwelt — berührt ist. Oberhaupt ist der
i Hauptfehler des Verf.'s dieser, daß er die verschiedenen
(ieisteswelten, die im A.T. begegnen und die dieses Buch
so reich und so anziehend machen, in ihrer Verschiedenheit
garnkht sieht. Er nivelliert die Dinge zu sehr.
Möge er getrost mit dem Begriffe der „legitimen"
Religion Israels arbeiten, wenn er nur wenigstens
auch die anderen Strömungen sehen würde und vor
allem: wenn er wenigstens die Hauptkräftc der Hoch-
j religion des A.T. wirklich zum Leben erweckt hätte! So
i aber wird alles nivelliert; wobei zu sagen ist, daß das
Niveau, das erreicht wird, ganz gewiß weithin sehr viel
höher steht als das Durchschnittsniveau der Stoffe, die
der Verf. anerkannt; denn es ist meistens die Ebene des
Denkens und Glaubens der dem Verf. nahestehenden
! Kreise. Aber kommt man so dem A.T. selber näher?
| Zu einem historischen Verständnis kommt man auf
diesem Wege nicht.

Dabei spürt man dem umfangreichen Werke überall
die wichtigste und fleißigste Sam-melaibeit ab, und man-
| che Partien scheinen vorbildlich in Form und Inhalt;
I aber es sind oft genug gerade solche Abschnitte, die
| nicht eigentlich zentrale Fragen behandeln. Das reli-
i gionsgeschichtlicihe Material und die reliigionsvergleichen-
den Parallelen stehen dem Verf. vollkommen zur Hand,
aber er macht nur sparsamen Gebrauch von seinen
Schätzen dieser Art. Nur einmal, ganz zum Schluß, im
letzten § 52 widmet er der Religionsvergleichung eine
längere Darlegung (über „Biblische und altorientalische
I Erlösererwartung").

Man hätte gewünscht, daß der Darstellung etwas
mehr Schwung verliehen worden wäre; es fehlt ihr, so
| wie sie ist, jede Durchschlagskraft. Und das ist heute
i auch und gerade bei einem Lehr- und Lernbuch für Stu-
; denten und Laien zu bedauern!

Nichtsdestoweniger wird man das neue Werk Hei-
, nisch's als eine Fundgrube gelehrter und umsichtiger
| Verarbeitung alttestamentlicher Gedankenprägungen und
I Ideengänge und nicht zum wenigsten als eine treffliche
Bibliographie zumal der katholischen Literatur der letzten
Jahre mit großem Dank begrüßen. Wir warten ge-
spannt — wie auf die übrigen vom Verlag noch angekün-
I digten Ergänzungsbände zum Bonner Alttestamentlichen
Kommentar — auf seine Behandlung der „Geschichte des
! A.T.", die hoffentlich bald herauskommen wird.

Göttinnen Kurt M ö h 1 e n b r i n k

NEUES TESTAMENT

Härder, Pfarrer Lic. Dr. Günther: Paulus und das Gebet. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1936. (228 S.) 8° = Neutestamentl. Forschungen.
1. Reihe, 10. Heft. RM 6-,

Der Verf. dieser gründlichen und ergiebigen, unverdient
spät zur Anzeige kommenden Arbeit ist sich der
Grenzen wohl bewußt, die das Gebet der Erforschung
auferlegt. Umso fruchtbarer hat er die Möglichkeiten
akurater Untersuchung genutzt und die Formen und Inhalte
der paulinischen Gebetstexte analysiert. Wenn
auch keines der paulinischen Gebete wörtlich erhalten
ist, so gelingt es dem Verf. doch, auf Grund form- und
motivgeschichtlichen Studiums der alttestamentlicb-jüdi-
schen und hellenistischen Gebetsliteratur eine überraschend
große Zahl paulinischer Texte als Gebetstexte
zu erweisen.