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Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

355-358

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Heinisch, Paul

Titel/Untertitel:

Theologie des Alten Testamentes 1940

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 12

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sonders bei der Behandlung des vielumstrittenen Verhältnisses
von Individualismus und Kollektivismus im
alttest. Gottesverhältnis sowie der Herkunft des alttest.
Auferstehungsglaubens anerkannt werden.

Einzelheiten, in denen wir von Ansichten des Verf.
abweichen, zum Ausdruck zu bringen, ist hier kaum der
Ort, da der Raum zu eingehender Begründung nicht
gegeben ist. Daher mag hier nur die Frage aufgeworfen
werden, ob nicht die centrale Setzung des B u n d c s-
gedankens und der Vorstellung vom Bundes gotte
für die gesamte Theologie des A. T. im ersten Bande,
so wenig die ungeheure Bedeutung dieser Ideen für die
alttest. Religion geleugnet werden kann, doch schon
durch manche Ausführungen des Verf. seihst im 2. wie in
diesem 3. Bande ganz beträchtlich eingeschränkt wird,
und ob nicht Prophetismus und Weisheitslehre zu einer
noch volleren Würdigung gelangt wären, wenn auf jene
verzichtet und einfach der alttest. Gottesglaube nach seinen
sehr verschiedenen Nüancierungen zum Ausgangspunkt
gemacht und in seinen sehr verschiedenen Auswirkungen
auf das Gesamtgebiet der Religion verfolgt
wäre. Der Verf. hat die Gefahr vermeiden wollen, die
alttest. Glaubenswelt einem von der christlichen Dogma-
tik herstammenden Schema zu unterstellen, und sich
an der dem Alten Testament selbst eigenen Dialektik
orientieren wollen (vgl. Bd. 1. S. 6). Ob er darüber
aber nicht in die Gefahr geraten ist, eine bestimmte
Ausprägung der alttest. Glaubenswelt ein wenig über
Gebühr zu Ungunsten anderer in den Vordergrund zu
schieben ?

Im übrigen aber ist zu hoffen, daß das nunmehr
abgeschlossene überaus reichhaltige, feinsinnige und gediegene
Werk an seinem Teile dazu* beitragen wird,
daß die wissenschaftliche Kenntnis und das Verständnis
der alttest. Religion unter unsern Theologen, aber auch
Laien sich heben werde in einer Zeit, zu deren besonderen
Vorzügen jene ja nicht gerade gehören.
Berlin Ernst Sellin

Heinisch, Prof. Dr. Paul: Theologie des Alten Testaments.

Bonn: Peter Hanstein 1940. (XVIII, 383 S.) gr. 8° = Die Hl. Schrift
d. Alten Testaments übers, u. erkl. Erß.-Bd. I. RM 12 - ; geb. RM 14.20.
Immer noch und gerade heute sind Begriff und
Methode der Disziplin der Alttestamentlichen Wissenschaft
, die wir seit Georg Lorenz Bauer „Theologie
des Alten Testaments" zu nennen pflegen, stark
umstritten. Mit gutem Recht klagt Ludwig Köhler
: „Dem Arbeitsgebiet der alttestamentlichen Theologie
gebricht es stark an einer einheitlichen Fragestellung,
welche alle Bemühungen auf sich vereinigt, und nicht
bloß die Ansichten der Darlegungen, sondern auch die
Anliegen fahren weiter auseinander, als der wissenschaftlichen
Haltung zuträglich ist" (Th Rdsch. N. F. 7
[ 1935] 256). Nachdem Ei ehr od t in ZAW 1929, 8 3 ff.
zweifelnd fragte „hat die Alttestamentliche Theologie
noch selbständige Bedeutung innerhalb der alttestamentlichen
Wissenschaft?" ist R. Gyllenberg neuerdings
soweit gegangen „die Unmöglichkeit einer Theologie des
A. T." dartun zu wollen (Abh. der Herder-üescilseliaft
und des Herder-Instituts zu Riga 6 [ 1938 J 3,64—68).
Ein Vergleich der Zielsetzungen der drei letzterschienenen
„Alttestamentlichen Theologien" protestantischer
Forscher deutscher Sprache kann am besten zeigen,
wie sehr L. Köhlers Klage zu Recht besteht: Sellin
stellt sich die Aufgabe, „systematisch die religiöse
Lehre und den Glauben" zu schildern, „die sich in der
jüdischen Gemeinde auf Grund der im 5- bis 2. vorchristlichen
Jahrhundert gesammelten und für heilig
erklärten Schriften gebildet haben, aber nur soweit sie
Jesus Christus und seine Apostel als Voraussetzung
und Grundlage ihres Evangeliums, als Offenbarung . . .
anerkannt haben" (Theol. des A.T. [ 1933] 1); Eichrodt
will die historisierende Betrachtungsweise überwinden
und „die alttestamentliche Glaubenswelt in ihrer
strukturellen Einheit zu begreifen" lehren (Theol. des

A.T., I [ 1933] 5); L. Köhler selber will eine „in
; den richtigen Zusammenhang gebrachte Zusammenstellung
derjenigen Anschauungen, Gedanken und Begriffe
! des A. T." geben, „welche theologisch erheblich sind oder
j es sein könnten" (Theol. des A.T. [1936) V). Soviel
i Arbeiten, soviel verschiedene Zielsetzungen! Immerhin
wird man sagen müssen, daß der Alttestamentier überfordert
wird, wenn man von ihm die Aufwerfung der
{ Wahrheitsfrage den religiösen Aussagen des A. T. ge-
'■ genüber verlangt; damit würde er in das Feld des
i Dogmatikers übergreifen (vgl. Ztschr. f. Theol. u. Kirche,
j 1923/24, 289 ff. [ W. Staerk]). Mir scheint Eil]-
| feldt grundsätzlich klargestellt zu haben, daß nur mit
i einer konsequenten Scheidung der historischen und der
j normativen Fragestellungen in der „Theologie des A.T."
I weiter zu kommen ist („Isr.-jüd. Religionsgeschichte und
Alttest. Theologie", ZAW N.F. 3 [1926] lff.), wie denn
j ja auch Sellin seiner „Theologie des A.T." eine „Israel
.-jüd. Religionsgcschichte" ergänzend zur Seite gestellt
hat. Es ist nur zu bedauern, daß H e i n i s c h es
unterlassen hat, seinem Werke seinen „Überblick über
i die Geschichte der alttestamentlichen Religion" voran-
| zustellen, den er dem Vorworte nach ursprünglich geplant
hatte. So kommt das historische Moment gar zu
j kurz in diesem neuen Werke des verdienten katholischen
I Gelehrten, wenn er auch hier und da Ansätze zu histori-
j scher Sichtung der Dinge macht. Liest man die Begriffsund
Aufgabenbestimmung, die H e i n i s c h der Theologie
des A.T. gibt, so ist man zunächst erstaunt, zu sehen,
wie sehr sich seine Auffassung etwa mit der L. Köhlers
berührt: „Die Theologie des A.T. hat die Aufgabe,
die Religion, die uns in den Büchern des A.T. entgegen-
' tritt, zu beschreiben" (1). Freilich schränkt H. dann
diese Formulierung sofort ein, indem er „als Religion
des A.T. nur die Vorstellungen gelten" läßt, „die die
von Gott erleuchteten Männer vertraten, Moses und die
Propheten, die Psalmisten, die Weisheitslehrer und die
Geschichtsschreiber des A.T." (ebda.). In diesem Zusammenhang
taucht dann jener unglückliche, m.W. von Ed.
; König geprägte Begriff der „legitimen" Religion des
I A.T. auf. Natürlich geht es so, wie H e i n i s c h die
! Dinge sieht, nicht; denn er setzt voraus, was erst be-
I wiesen werden müßte, daß es eine in seinem Sinne „ein-
' heitliche" alttestamentliche „Hochreligion" gibt. Und
| diese hat es niemals gegeben. Darum kann die Aufgabe
einer „protestantischen" Theologie des A.T. nur
sein, die Aussagen des A.T. über Gott und Welt ab ZU-
i hören und den vielfachen Schichtungen und Widersprüchen
folgend, die sich dabei ergeben, die „Entwicklung"
der „Weltanschauungen" und der „Gottesanschauungen"
des A.T. möglichst im Rahmen der altorientalischen
i außerisraelitischen Religionen herauszuarbeiten, wobei
j dann das Hauptaugenwerk darauf gerichtet sein könnte
und müßte, die besondere „Eigenart der alttestamentlichen
Frömmigkeit" (vgl. die gleichnamige Schrift von
| Friedrich Baumgärtel [1932] herauszustellen,
1 und wobei die Uneinheitlicbkeit der Struktur des A.T.
gerade als seine Stärke zu erweisen ist!

In interessanter Weise hat Heinisch die sehr
schwierige Frage der Stoffgliederung gelöst. Dabei ist
ihm offenbar eine tüchtige systematische Schulung zu
, Hilfe gekommen; was in den Einzelfragen hier und da
eher hemmend sich bemerkbar macht, hat dem Gesamtaufriß
genützt. H. gliedert sich den Stoff in fünf „Hauptteile
", in denen er nacheinander von „Gott", von der
„Schöpfung", der „Lebensführung", dem „Jenseits" und
der „Erlösung" handelt. Jeder wird gerne zugestehen,
daß dieses eine sehr glückliche, geradezu musterhafte
Gliederung ist. Nicht so einleuchtend ist hier und da die
Unterteilung. Und da wirkt sich doch wohl dem A.T.
fremdes scholastisches Denken aus. Schon in der Terminologie
wird das sichtbar, wenn H. mit dem Begriff der
I „Aseität" Gottes arbeitet (§ 4). Der dritte Abschnitt
| des ersten Hauptteils behandelt Fragestellungen, die dem
I Stoff ganz und gar fremd sind, wenn da von einer alt-