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Ausgabe:

1940 Nr. 12

Spalte:

350-351

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Andrae, Tor

Titel/Untertitel:

Die letzten Dinge 1940

Rezensent:

Mensching, Gustav

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849

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr- 12

350

leituiigen einen Aufweis des Gedankengangs und Erläuterungen
zu Einzelheiten beizugeben (Anhang, S. 504
bis ()00). Ein kurzes, noch einmal besonders auf die Verdeutlichung
der historischen Gestalt Luthers und ihrer
geschichtswirkcuden abzielendes Wort „Zur Ausgabe"
(497 ff.) ist diesem Anhang vorangesetzt. Es dürfte
m. E. geglückt sein, durch diese neugeschaffene Form
einer intensivierten Serostmitteilung Luthers, hinter de- j
ren Gestaltung der Kundige allenthalben spürt, wie sorg- |
sani die Ergebnisse der neueren Lutherforschung beachtet
worden sind, das Einmalige des Reformators und die |
Zeitbedingtheit seines Werkes ebenso eindrücklich zu machen
wie seine weitverzweigte geschichtliche Wirkung j
und seine stets neue Aktualität. Gerade bei einem sol- i
chen an entsagungsvoller Mühe reichen Unternehmen,
dessen Schwierigkeiten nicht gering sind, wird man darauf
verzichten müssen, Kleinigkeiten nachzurechnen. Der
Verlag hat dem Hand die Wiedergabe von 20 zeitgenössischen
Bildern und Handschriftenproben eingefügt und
trotzdem durch einen erstaunlich billigen Preis dafür gesorgt
, daß dieser „Luther" zu einem „Volksbuch" werden
kann, für dessen Qualität der Name des Herausge- j
bers bürgt.

Luthers zu seiner Zeit viel begehrte und oft aufgelegte und nach- !
gedruckte Trostschrift für seinen erkrankten Kurfürsten, die Tessara- I
decas, ist zuletzt von W. Kawcrnu für die Braunschweiger Ausgabe
(Bd. 6, 1005) neu übersetzt worden, z. T. in Anlehnung an die
Übersetzung Spalatins und an eine jüngere von Delhis (1884). Die
vorliegende von K. Kindt unterscheidet sich davon durch größere
Freiheit und Lebendigkeit und durch kritische Bemühung um Beseitigung
von Tcxtvcrderhnissen, die auch W A. (Bd. ö) festgehalten hat,
so z. B. im Eingang zu I, 7. Zugrundegelegt ist wie in WA. 6
der Druck von 1520 mit dem Widinungsschreibcn und den Ergänzungen
des zweiten von Luther autorisierten Drucks von 1530. Nur
Luthers Begleitschreiben zu diesem Druck fehlt. Man wird anerkennen
können, dal! diese schöne Übersetzung der seelsorgerlich noch heute
unmittelbar ansprechenden Schrift Luthers zu erneuter Wirkung verhelfen
kann. Leider sind die vielen Schriftzitate nicht genauer
verzeichnet worden. Die wenigen Anmerkungen am Schluß stützen ]
sich auf Br. A. 6 und auf die Studie von H. Preuß in NKZ. 26,
1915, S. 217 ff. In der knappen Einleitung ist übersehen, daß schon
dem Mskr. Luthers von 1519 eine Widmungsvorrede beigegeben war,
die wohl Anfang Sept. 1519 abgefaßt worden ist (WA. Br. 1, Nr.
197). Spalatin sollte nur entscheiden, ob er auch sie übersetzen und
die Trostschrift mit ihr zusammen überreichen wolle (W A. Br. 1, 198), |
nicht selbst eine solche Widmung entwerfen, wie Kindt meint. Aus I
Versehen ist 1520 der Druck dieser Vorrede unterblieben (W A. 6,
100; vgl. WA. Br. 2, 30, 23).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Westermann, Prof. Dr. Dledrich: Die heutigen Naturvölker
im Ausgleich mit der neuen Zeit. Unter Mitarb. v. Prof. Dr.
Diedrich Westennann, Dr. Christoph von Fiirer-Haimendorf, Dr. Hans I
Nevermann, Dr. Josef Haeckel, Prof. Dr. Otto Quelle, hrsg. Stuttgart: j
F. Enke 1940. (VI, 397 S.) gr. 8". RM 22— ; geb. RM 24—.

Die Welt wird Immer kleiner. Es gibt kaum mehr
Länder, die noch nicht exploriert sind und die Romantik
der Abentetiereizählungen weih kaum noch ein Fleckchen
ausfindig zu inachen, wo das Unberechenbare und Urtümliche
sich annähernd möglich machen lassen. Eigentlich
„primitive" Völker sind zwar noch da, aber sie sind
entweder im Aussterben begriffen oder in einem sich j
stets beschleunigenden Prozeß der Anpassung an die moderne
Kultur.

Im vorliegenden Buch werden dieser Anpassungsprozeß
, die Art und Weise in der er von den Kolonialmäch- j
ten eingeleitet und von den Eingeborenen ertragen wird,
ausführlich und mit höchster Objektivität beschrieben.
Es handelt sich um die Stellung der Naturvölker "m
Afrika (Westennann), in Indien und Südostasien (von
Fürer-Haimendorf), in der Südsee und im Kontinent
Australien (Nevermann), in Nordamerika (Haeckel) und
in Südamerika (Quelle). Jeder Abschnitt behandelt nacheinander
Volkskraft, Zahl und Bewegung der Bevölkerung
, die Stellung im Wirtschaftsleben, Gesellschaft

und Recht, Erziehung, die Misöhlinge. Man muß die
Treue der Wiedergabe, die Eindringlichkeit der Forschung
und die Mäßigung und Sachlichkeit des Urteils im
allen Beiträgen bewundern. Das Buch ist eine rechte
Fundgrube.

Jeder, der sich für Fragen der Kolonialverwaltung
oder der Eingeborenenpolitik interessiert, wird sich in
Zukunft dieses Buches bedienen müssen. Aber auch
jeder Forscher, der soziologisch, psychologisch oder
religionsgeschiehtlich interessiert ist, wird sich der Lektüre
nur freuen können, und vor andern der Missionsvvis-
senschaftler.

Die einzige Bemerkung, die ich mir erlauben möchte, ist diese:
die Arbeit der Mission wird zwar wiederholt und meistens rühmend
genannt, die unterschiedlichen Methoden der Missionen werden gebührend
in Betracht gezogen. Aber eine eigene Behandlung des religiösen
Themas ist in den reichen Inhalt des Buches nicht eingeschlossen
. Dennoch wäre es von höchstem Interesse, gerade in diesem
breiten Zusammenhang, die Wechselwirkungen zwischen primitiver
Religion und moderner Kultur bzw. nicht-primitiven Religionen
(Islam, Buddhismus, Christentum) beschrieben zu sehen. Für diesen
Aspekt der hier behandelten Fragen sind wir mithin vorläufig
noch auf die eigentliche Missionsliteratur, vor allem auf das vorzügliche
Buch von Hendrik Kraemer, The Christian Message in a not]
Christian World (jetzt auch in deutscher Sprache zugänglich), angewiesen
.

Aber auch an dem hier Qebotenen kann kein Religionsforscher
vorübergehen.

Groningen Q. van der Leeuw

Andrae, Tor: Die letzten Dinge. Deutsch von Hans Heinrich
Schaeder. Leipzig: J. C. Hinrichs Verlag 1940. (240 S.) gr. 8°.

RM 7 -j geb. RM 8.50.

Den Charakter dieses wertvollen, ums von H. H.
Schaeder übersetzten Werkes des schwedischen Religionsforschers
und Theologen Tor Andrä zu bestimmen
, ist nicht ganz einfach; denn es handelt sich hier
um eine höchst persönliche Synthese von eigenen christlichen
Glaubensanschauungen und religionsgeschichitli-
chen Forschungen. So ist dieses Buch ein Dokument
für die Möglichkeit eines positiven Verhältnisses von
Theologie und Religionswissenschaft.

H. H. Schaeder hat die in diesem Buche praktisch vorliegende
Lösung der Spannung zwischen christlicher und
profaner Religionsbetrachtung in einem ausgezeichneten
Vorwort in einen größeren grundsätzlichen Zusammenhang
gestellt, und dabei die beiderseitigen Gefahren treffend
gekennzeichnet. Die Gefahr der Theologie sieht
Schaeder in der Neigung, „die Ungeborgenheit des Forschens
für die Sicherheit des Dogmas hinzugeben".
Die Religionswissenschaft dagegen drohe zu geist- und
herzloser Tatsachenhäufung zu erstarren. So fordert hier
auch Schaeder wie andere für die Religionswissenschaft
den Zusammenhang von Leben und Forschung.

Das Buch Tor Andräs enthält drei große Aufsätze, die nur
insofern in einem sachlichen Zusammenhange stehen, als sie von
den „letzten Dingen", wie der deutsche Titel gegenüber dem
schwedischen „Det onsynligas wärld" heißt, handeln, wenn man
den Begriff „letzte Dinge" in seiner Mehrdeutigkeit versteht: der
erste Aufsatz handelt von den letzten Dingen im üblichen objektiven
Sinne: nämlich von Tod und Jenseits. Der dritte behandelt die religiöse
Anlage und hat es insofern mit dem Letzten im Subjekt zu tun,
während der zweite Aufsatz den Kampf der Weltreligionen zum Gegenstand
hat, der ja eben auch um das Letzte geht, das für Völker
und Menschen entscheidend ist.

Der erste Aufsatz, „Die unsichtbare Welt" überschrieben, zeigt
m. E. am klarsten die Eigenart des Verfassers, persönliche vom
christlichen Olaubensdenken her bestimmte Betrachtungen religionsgeschichtlich
zu unterbauen. Die ersten vorwiegend spekulativen Teile
des Aufsatzes suchen den Sinn der Todesfurcht und des Todes selbst
in dem allenthalben in der Religionsgeschichte zu Tage tretenden
Ahnen eines absoluten Neubeginns zu erfassen. Die weiteren Teile
führen dann tiefer in rcligionsgeschichtliche Bezirke, nämlich in d'e
mancherlei Vorstellungen vom Wege in die unsichtbare jenseitige Welt
und Wirklichkeit, um dann aber im christlichen Auferstehungsglauben
die eigenartigste Gestaltung der religiösen Erkenntnis der Diskontinuität
zwischen irdischem und jenseitigem Leben zu finden.

Der zweite Aufsatz „Kampf der Weltreligionen" reduziert nach
einer sehr sachkundigen und gerechten Charakterisierung der kon-