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Ausgabe:

1940

Spalte:

333-334

Kategorie:

Kirchenfragen der Gegenwart

Titel/Untertitel:

Geschichte, Lehre und Verfassung der Orthodoxen Kirche 1940

Rezensent:

Schowalter, August

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 11

334

auch dem mit der Materie Vertrauten manches Neue bietend
, mit Ausblicken auf das wirtschaftliche und akademische
Leben, ergänzt durch zwei das Dargestellte ergänzende
Karten.

Auch dieser Band des Jahrbuchs steht wie seine Vorgänger
auf einer erheblichen wissenschaftlichen Höhe-
Halle/Saale Wilhelm Usener

Ekklesia. Bd. X: Die orthodoxe Kirche auf dem Balkan und
in Vorderasien. Geschichte, Lehre und Verfassung der orthodoxen
Kirche. Leipzig: L.Klotz Verlag 1939. (160 S) gr. 8°
= Ekklesia. Eine Samml. v. Sclbstdarst. d. christl. Kirchen hrsg. v.
Friedr. Siegmund-Schultzc. RM 7 ; in Subskr. RM 5 —.

Diese 45. Lieferung des Oesamtwerkes soll den gegenseitigen
Mißverständnissen zwischen abendländischem
und morgenländisehem Christentum wenigstens insofern
ein Ende machen, daß die üriechiseh-Ortliodoxe Kirche
sich in ihrem innersten Wesen vor uns selbst darstellt.
Der verstorbene Erzbisehof und Professor Papadopoulos
(Athen) zeichnet die Grumdzüge der Geschichte der
Orthodoxen Kirche nach, Prof. Balanos (Athen) gibt
eine Geschichte der griech. kirchl. Literatur, Prof. Dyo-
boumiotos (Athen) stellt die Lehre der Grieeh.-Orth.-
Anatolischen Kirche, Prof. Alivisatos (Athen) das kanonische
Recht der Orth. Kirche und ihren Kultus dar,
Prof. Stephanides (Athen) schildert das Mönchtum in
Geschichte und Gegenwart, der Metropolit von Thyatira
in London Strinopomlos die Beziehungen zu den anderen
Kirchen. Alle Verfasser sind darauf bedacht, den Unterschied
zur Römisch-KathoL Kirche zu betonen, der
im unveränderten Festhalten der katholischen Grundlage,
wie sie die ersten Konzilien gelegt haben, in einem
Geistcsbuuid autokephaler Kirchen und in der ausschlaggebenden
Bedeutung des Laientums besteht. Daß sich,
wie der Herausgeber meint (S. 11), durch das gegenseitige
bessere Kennenlernen der letzten Jahrzehnte „das
Verhältnis der Evangelischen und Orthodoxen Kirchen
zueinander grundsätzlich geändert habe" oder
durch diese Selbstdarstelluug ändern werde, kann ich
nicht zugeben. Mehr als gegenseitige Freundlichkeit und
Verständnis für die Bedingungen der Wesensfremdheit
des anderen ist nicht zu erwarten; irgend welche Annäherung
an den evangelischen Standpunkt in der Lehre
von den Sakramenten (07—70), der Rechtfertigung aus
dem Glauben (04, 00), der Tradition (S. 31 ff., 55,
77, 128 ff., 143), der Kirche, der letzten Dinge (S. 74)
usw. ist nicht festzustellen. Wie in der Römischen Kirche
ist die Kirche „die Gesamtheit der an Christus Glaubenden
, die denselben Glauben und dieselben
Sakramente haben und von Bischöfen als rechtmäßigen
Nachfolgern der Apostel verwaltet werden"
(00 f.), nur daß die Person des Bischofs bezw. der Bischöfe
verschieden ist. Die nicht-,,Rechtgläubigen" gehören
nicht zur Kirche (75). Unverändert ist das Verhältnis
zueinander, wie es der Patriarch Jeremias II. in
seinem Schreiben an die Tübinger Lutheraner im 10. Jahrh.
darlegte in der Mahnung, man möge sich wegen der Unvereinbarkeit
der Standpunkte auf undogmatische, freundschaftliche
Korrespondenzen beschränken (129), oder
wie es im 17. Jahrh. die Synode von Konstantinopel
durch ihre offizielle Verurteilung des Calvinismus bekundete
(131). Von dem Briefwechsel mit den Lutheranern
sagt Strinopoulos selbst: „Er hatte das Gute, daß
jede der beiden Parteien die Lehre der anderen Kirche
in grundlegenden dogmatischen Fragen genauer kennen
lernte und dabei der radikale Unterschied, der an
einigen Punkten vorhanden war, deutlich aufgewiesen
wurde" (129). Diese Unterschiede könnten, wie die
Verhandlungen mit der Anglikanischen Kirche (S. 134
bis 144) zeigen, nur durch Verleugnung des evangelischen
Standpunktes behoben werden (158); durch die
Zugeständnisse der Auglikaner von Schritt zu Schritt
ist denn auch die Anschauung hinfällig geworden, als
seien sie „bloß ein Zweig des Protestantismus" mit
katholischen Überresten und erwiesen, „daß ihre Behauptung
, wonaen ihre Kirche eine Katholische sei und
einen Teil der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen
Kirche darstelle, in vielen Stücken zu Recht

j besteht" (144), und erst diese Erkenntnis hat Aussichten
auf dauernde Verbindung eröffnet. Wenn auch bis
heute die Mitarbeit am „Weltbund für Freundschafts-

| arbeit der Kirchen" fortgesetzt wird, so ist sie doch ohne
Nachdruck (155) wegen der „radikalen Unterschiede

1 zwischen Katholizismus und Protestantismus" (157), und
die Weltkonferenz for faith and order hat erst recht „den
Abgrund offenbart, der in dogmatischer Beziehung die
Kirchen voneinander trennt" (159).

Dogmatisch ruht die Anatomische Orthodoxe Kirche
auf Bibel, Tradition und „ökumenischen" Konzilien,
rechtlich hängt sie mehr von der Macht der Verhältnisse
und der Persönlichkeiten ab. Denn die neueren

j Kirchengesetze, die „je nach der Einstellung der betr.
Regierungen entweder im Einklang oder im Widerspruch
mit den Kanones und der kirchlichen Ordnung stehen",
„gelten heute allgemein" (78) ohne Rücksicht auf ihr
Verhältnis zu den Kanones, und all diese Kanones
und Kirchengesetze sind bis heute noch nicht einmal
kodifiziert (78). Außerdem ist das Verhältnis der auto-
kephalen oder nur autonomen Kirchen zu dem Patriarchat
nicht restlos geklärt, man braucht nur zu verglei-

j chen, wie Papadopoulos immer wieder auf eine Rangüberlegenheit
hinauskommt (33, 35), während Alivisatos
in aller Schärfe die absolute Gleichberechtigung
aller Bischöfe lehrt (78 ff.). Der starken Betonung der
Bedeutung des Laienelementes (75 ff.), das für „die
Herausbildung des Kirchengewissens" und sogar für die
Anerkennung einer Synode als ökumenisch schlechthin
entscheidend ist (S. 84), steht gegenüber die Behauptung
von der „absoluten Autorität des Klerus in Fragen des
Glaubens" und des völligen Fehlens von „organisierten
Körperschaften, in denen Laien kirchenrechtlich mit
den Klerikern und Bischöfen in Glaubensfragen zusammenwirken
" (140). Daß eine Fortentwicklung der Lehre
in dieser Kirche unmöglich ist, beweist Alivisatos ungewollt
durch ihre Darlegung der unüberwindlichen
Schwierigkeiten, die das demokratische Prinzip der Berufung
eines ökumenischen Konzils entgegensetzt (83).
Es ist doch so, daß der Mystizismus des Gottesdienstes
die Orthodoxe Kirche erhält (S. 91—99), wie auch
Alivisatos selbst konstatiert, daß es hauptsächlich der
Kultus ist, an dem das Volk hängt (99).

Einen Glanzpunkt des Buches, auch in stilistischer
Hinsicht, bildet die Darstellung des Mönchtums. In
den meisten Stücken ist, wie ich das auch bei anderen
Darstellungen ausländischer Kirchen hervorgehoben habe,
das Deutsch nicht immer einwandfrei.

Berlin-Wilmersdorf August Schowalter

Berichtigung

Infolge eines Versehens konnte von dem Leitartikel in der vorigen
Nr.: „Die neue römische Vulgata" von Prof. D. Dr. Uetz mann keine Autorkorrektur
gelesen werden. Dadurch sind einige den Sinn störende Druckfehler
stehen geblieben.

Spalte 225 Zeile 15 muß es heißen: „unter den günstigsten Bedingungen
", Spalte 227 Zeile 7 und 14 „AI k vin", auf der gleichen Spalte
im zweiten Absaatz Zeile 22 „d'anc", in der fünften Zeile von unten
an gerechnet muß stehen „Ex 16,32 verbessert er nach Parallelstellcn",
Spalte 228 Absatz 2 Zeile 18 muß geändert werden in „rettulimus
prius in saccis nostris", Spalte 229 Absatz 2 Zeile 4 muß es heißen
„Glücklicherweise hat er aber in seiner Praxis die Möglichkeit der Abweichung
von der strengen Linie so reichlich zur Oeltung gebracht
". . ."

Die Schriftleitung bittet diese Setzfehler gütigst entschuldigen zu
wollen. W.

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