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Ausgabe:

1940

Spalte:

325-327

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Maurer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Bekenntnis und Sakrament 1940

Rezensent:

Mulert, Hermann

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32r>

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 11

326

den, dem nationalsozialistischen Deutschland politisch
höchst anrüchig gewordenen Richter, dessen Urteil sich
Lehmann so willig unterwirft, wohl zu kennen!) alle
menschliche Eigenarbeit wissenschaftlicher oder sonstweicher
Qualität zum Tode. 2) Daß sich alle Philosophierenden
— und wir mit ihnen — vor einer solchen
nur als unverschämt zu bezeichnenden theologischen Zumutung
verschließen, und daß infolgedessen von solcher
Basis her niemals ein Gespräch zwischen Theologie
und Philosophie zustande kommen kann, ist das Selbstverständlichste
von der Welt-

Berlin Walter Karowski

SYSTFMATISCHE TIWOIAHAK

Maurer, Wilhelm: Bekenntnis und Sakrament. Ein Beitrag zur 1
Entstehung der Christlichen Konfessionen. Teil I: Über die treibenden
Kräfte in der Bekenntnisentwicklung der abendländischen Kirche bis
zum Ausgang des Mittelalters. Berlin: Töpelmann 1939. (VI, 124 S.)
gr. 8°. RM 8—. j

Weil das Christentum Wahrheit sein will, erkannte
und bekannte Wahrheit, wird jeder Kampf im Christentum
und um das Christentum zu einem Kampfe ums Be-
kenntnis. Ob dabei das Wort „Bekenntnis" gebraucht
wird oder man vielmehr vom Glauben, von der reinen f
Lehre und dgl. redet, ist eine Formfrage. Der Streit, I
der in den letzten Jahren die deutsche evangelische |
Kirche erfüllte, wird nun aber von Vielen ganz ausdrück- |
lieh als Kampf um das Bekenntnis bezeichnet. Auch ge-
schichtliche Untersuchungen, die dem Bekenntnis oder j
den Bekenntnissen gelten, können also mittelbar starke I
Gegenwartsbedeutuiig erlangen, den Systematiker und
den Kirchenmann nahe angehen, wie umgekehrt auf
Schriften, die rein grundsätzlich oder praktisch Wesen
und Geltung der BeKenntnisse erörtern, von historischer
Besinnung her Licht fallen kann. Maurers Untersuchung '•
ist wesentlich historisch. Mit der Frage nach Wesen um
Geltung des Bekenntnisses in der evangelischen Kirche
seit Jahrzehnten beschäftigt, habe ich sie mit starkem
Interesse gelesen, bekenne mich aber als nicht zuständig
zur Beurteilung einer Fülle von geschichtlichen Einzel-
fragen, die Maurer, soweit ich sehe, mit umfassender Gelehrsamkeit
und doch sicher auf sein Ziel hinstrebend
behandelt. Zum Heeresdienst einberufen, hat Maurer
seine Untersuchungen in diesem Buch bis zur Reformation
geführt. Ein im September 1939 am Westwall geschriebenes
Vorwort stellt einen zweiten Teil in Aussicht
, der die Bekenntnisentwickliung der Reformation
darstellen soll.

13er Grundgedanke des Buches ist: Bekenntnis und
Sakrament gehören ursprünglich aufs Engste zusammen, j
wobei das Sakrament durchaus — so wird man in seinem
Sinne sagen dürfen — die übergeordnete Größe
ist. Das Bekenntnis gehört zum Sakrament, gehört ins
Sakrament hinein; die Meinung ist nicht etwa, das
Sakrament gehöre (als eine feierliche, aber vielleicht ent- i
behrliche Form) zum "Bekeunfnis. Das Bekenntnis ist
geistgewirkte Antwort der Christenheit auf Gottes Gnadentat
. Es gibt nie bloß eine solche Antwort; also gibt
es viele Bekenntnisse. Daß sie einander widersprechen,
ist unverkennbar, aber unerträglich. So muß man den

femeinsaiuen Ausgangspunkt suchen. Der liegt im Sa-
ranieut. Nicht die Lehre (genauer: der Widerspruch
gegen Irrlehre) ist die Wurzel der Bekenntnisbilduiig,
sondern das Sakrament, besonders die Taufe- Handlung
md Wort sind verbunden; Christus, die Gemeinde und
der Täufling werden hier zusammengeschlossen. Neben
dem Taufbekei'::tnis steht früh der Hymnus beim Abendmahl
, und mit dem Wortbekenntnis gehört das Tatbekenntnis
zusammen. „Das Bekenntnis ist die Antwort,
die die Kirche dem im Sakrament sich ihr schenkenden
und sie ziu seiner Gemeinschaft rufenden Christus gibt." |

Maurer knüpft bewußt an Forschungen Sohms und
Lietzmanns an. Mir ist freilich nicht sicher, ob der eben
angeführte Satz über das Bekenntnis, mag er auch zum
guten Teil richtig sein, nicht doch zu eng ist. Aller
Glaube wird, wenn ausgesprochen, zum Bekenntnis. Aber
so gewiß das Sakrament in der Christenheit eine außerordentliche
Rolle gespielt hat und im Katholizismus sie
noch heute spielt (während viele protestantische Christen
der Neuzeit sich nur mühsam da hinein versetzen
können), es ist doch (Maurer möge mir diese sehr
selbstverständliche Bemerkung verzeihen, der er natürlich
zustimmen wird) nicht aller Glaube Sakramentsglaube
; das war schon bei den Urchristen so ; darum ist
jener Satz zu eng. Wie das Wort des Petrus „Du bist
der Messias" ein Bekenntnis, wenn man so will: das
erste christliche Bekenntnis, war, dabei aber von Sakrament
schlechthin noch keine Rede war, so hatte noch
weiterhin das: „denn er war unser" und „wir sind sein"
auch in der katholischen Christenheit immer eine Seite,
die nicht sakramental vermittelt war, so gewiß man in
den Evangelien viel von Jesus las, von Einsetzung der
Sakramente dort aber nur ganz kurz berichtet ist. Rechte
Predigt findet immer ihr Echo in Bekenntnissen, Nachfolge
Jesu führt zu Bekenntnissen, beides ohne daß vom
Sakrament die Rede zu sein brauchte; auch die Mystik
bedarf grundsätzlich des Sakraments nicht, womit ich
natürlich die Tatsache nicht bestreiten will, daß beide oft
eine enge Verbindung eingegangen sind.

Aber daß die von Maurer hervorgehobene Seite der
Sache wichtig und die Art, wie er sie durch alte und
mittlere Kirchengeschichte hindurch verfolgt, lehrreich
ist, betone ich dankbar. Man kann aus wenigen so kurzen
Büchern so viel lernen wie aus seinem, z. B. für
die Sonderentwicklung von Wort und Lehre einerseits,
Kult und Sakrament andrerseits- Auch kann seine Grundthese
recht gewürdigt werden nur wenn man bedenkt,
daß Sakrament für die Christen alter Zeit kein scharf
abgegrenzter Begriff war — zu solchem kam es, als 7
oder 2 Sakramente gezählt wurden —, sondern daß der
Glaube, die Kirche, das Glaubensbekenntnis, die Kaiserkrönung
und vieles andere damals Sakrament hießen
— man wird das Wort in diesem Umfang am besten
mit Heiligtum übersetzen. Sacramentum entspricht auch
nicht schlechthin dem griechischen mysterion, sondern
der Begriff des Mysteriums umfaßte zunächst beides,
das Sakrament und das Lehrwort der Kirche (wie auch
sonst Vieles, was spätere Zeiten sonderten, ursprünglich
eng zusammenhing. Dahin gehört z. B. der hymnische
Charakter vieler „Bekenntnisse". Das nach unserm Empfinden
spitzfindig dogmatische Athanasiianum ward als
Psalm gesungen; andrerseits heißt das Ted'eum noch
bei Luther symboluin, Bekenntnis). Schon im Laufe des
Mittelalters aber wurden Lehrwort und Sakrament gegeneinander
immer selbständiger. Ob, wer in der Lehre
irre, die Sakramente richtig haben könne, wurde ebenso
wenig einheitlich beantwortet wie dies, ob jede Abweichung
im Brauch, besonders im Sakramentsbrauch,
Ketzerei sei. Die Einzelheiten der von Maurer dargestellten
Entwicklung, von seiner Übersicht über den
Gebrauch des Wortes homologia im N.T. an, muß man
in seinem Buche selbst nachlesen. Für die zweite Hälfte
des Mittelalters zeigt er, wie das Recht der Kirche
allmählich stärker vom Geist des alten römischen Rechts
bestimmt wurde, weltlicher wurde, wenn auch das Sakramentsrecht
noch nachwirkt. Im Herbst 1530, im Augs-
burger Reichstagsabschied, wurde von katholischer Seite
ein letzter ernster Versuch gemacht, Katholiken und
Lutheraner als Sakramentsgläubige gegen die Sakramentsfeinde
zusammenzufassen, wie M. hervorhebt —
er mußte scheitern.

Andrer Meinung als M- bin ich (oder wenigstens:
ich würde die Sache anders ausdrücken), wenn er sagt,
schon im N.T. gebe es Bekenntnisrecht. Wäre es so,
dann müßte man erwarten, daß, was Paulus seinen