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Ausgabe:

1940

Spalte:

313-315

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Keitel, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Gründung von Kirchen und Pfarreien im Bistum Zeitz-Naumburg zur Zeit der Christianisierung 1940

Rezensent:

Wentz, G.

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Theologische Literaturzeitumg 1940 Nr. 11

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Der .geschichtliche' Abschnitt begnügt sich nicht, historische
Daten aus Kyrills Berichten zu gewinnen, son- !
dein zeichnet den Rahmen, in den sie gestellt werden
müssen und dessen Kenntnis die Voraussetzung ihres
Verständnisses ist. So wird er selbst, der wie die Indices I
den durch E. Schwartz erschlossenen Reichtum der Kon- |
zilsakten benutzt, zu einem wertvollen Beitrag zur byzantinischen
Kirchengeschichte.

Wenn aber der chronologisch interessierte Historiker
die Menge der durch Kyrill übermittelten genauen Datierungen
so hoch einschätzt, daß ihm mit ihnen „der Aske- |
tenvita eine neue Form" gegeben scheint (S. 355), so |
wird man zur rechten Würdigung dieses Urteils die Be- i
gründung heranziehen müssen, die Kyrill selbst seinem
Vornehmen gibt. Er tut es im Zusammenhang mit der
Schilderung seiner Arbeitsweise: damit die seelenför- |
dernden Berichte über die Heiligen nicht durch die Zeit
abgenutzt und fadenscheinig würden, suche er sie von
wahrheitsliebenden Männern, den Mitkämpfern und Nachahmern
jener Helden, in Erfahrung zu bringen, um so
alles wie aus einem Abgrund der Zeitenlänge und des
Vergessens heraufzuholen. Die dabei beobachtete Genauigkeit
in der Angabe der Zeiten, Orte und Personen
aber soll Ausdruck und Zeugnis der Wahrheitsnähe sein, |
um deren Erforschung es ihm geht. So will denn Kyrill
mit seiner chronologischen Akribie nicht einfach einer
Sonderbegabung folgen, erst recht nicht das dem diesseitigen
Äon entrückte Leben der Mönche wieder in diese
Welt und ihre Zeit zurückgliedern, sodaß also sein Verfahren
das Anzeichen einer veränderten Welthaltung des
Mönchtums wäre — es hat keinen anderen Sinn, als dem
Leser die Zuverlässigkeit und Treue des Berichts zu verbürgen
und so die Anziehungskraft der hier vor Augen
gestellten Vorbilder zu erhöhen. Ist mithin durch Kyrill
ein neuer Zug in die überlieferte Form des griechischen
Heiligenlebens eingefügt, so doch dessen Charakter nicht j
verändert; es behält den gleichen Platz in der Überlieferung
des alten Ideals und als ein Mittel, für dieses zu
werben!

Etwas ähnliches kann aber nun auch für die moderne
Würdigung des schönen alten Mönchswerks gelten: wie
sie Erbe und Repräsentant einer reichen wissenschaftlichen
Überlieferung ist, so bedeutet sie in hohem Forschersinn
und hingebender Treue selber ein Vorbild für
die Aufnahme und Erfüllung der dringenden wissenschaftlichen
Aufgaben, die uns eben durch E. Schwartz'
große Lebeiisleistiung neu gestellt sind!
Göttinnen Hermann Dörries

LOK ALE KlKCHENGESCHICHTE

Heitel, Dr. phll. Wilhelm; Die Gründung von Kirchen und
Pfarreien im Bistum Zeitz-Naumburg zur Zeit der Christianisierung
. Jena: Gustav Fischer 1939. (123 S.) gr. 8° = Arbeiten
zur Landes- und Volksforschung, hrsg. v. d. Anstalt f. gesch. Landeskunde
an d. Friedrich-Schiller-Univ. Jena, Bd. 5. RM 4.50.
Die Quellen zur Erkenntnis der Anfänge einer kirchlichen
Organisation der ehemals von Slawen bewohnten
Gebiete fließen im allgemeinen nur spärlich. So ist
es für die rückschauende Betrachtung nicht leicht, aus (
den wenigen Nachrichten der Überlieferung ein richtiges
Bild der einer fernen Vergangenheit angehörigen i
Vorgänge zu gewinnen. Der Verf., angewiesen auf das :
lückenhafte Material der Urkunden, ist sich der Schwierigkeit
seiner Aufgabe wohl bewußt. Die Verwertbarkeit
sekundärer Hilfsmittel (Patrozinienforschung, bau-
geschiclitliche Befunde, Protokolle der Kirchenvisitatio-
nen aus der Reformationszeit), von denen allzuoft ein zu
ausgiebiger Gebrauch gemacht wird, schränkt er von
vornherein auf ein bescheidenes Maß ein. Als Hauptergebnis
bringt die Arbeit die Feststellung, daß der ältesten
Zeit die Hurgwardkirche, vielfach mit dem Charakter
der Gaukirche, dem 12. Jh. dann die Kolonisten-
kirche angehört. Um 1200 kann das Werk der Chri- >

stianisierung und damit zugleich der Ausbau der kirchlichen
Organisation als abgeschlossen gelten. Die Burgwardkirche
entstand in den wenigen Hauptstützpunkten
des Deutschtums im Sorbenlande; als Gründer erscheinen
der König oder ein Vertreter des hohen Adels. Besondere
Merkmale der Burgwardkirche sind die große
Ausdehnung der Pfarrbezirke und die reiche Ausstattung,
oft aus einem ganzen Dorf bestehend. Während dem
Pfarrer der Burgwardkirche neben der geistlichen Betreuung
der deutschen Burgbesatzung auch eine Missionsaufgabe
unter den umwohnenden Heiden zuerkannt
wird, lehnt Verf. den Missionsauftrag für den Kolonistenpfarrer
ab, dessen Funktionen lediglich in der
'Pfarrversorgung der deutschen Kolonistengemeinde bestanden
hätten. Kleinheit des Pfarrbezirks (zumeist nur
die Kolonistengemeinde umfassend) und Geringfügigkeit
der Ausstattung sowie die Tatsache, daß als Gründer
gewöhnlich Ministerialen erscheinen, unterscheiden
die Kolonistenkirche grundlegend von der Burgwardkirche
. Die Kirchneugründungen des 12. Jh.s trugen
einen Gegensatz zur alten Sprengelbildung der Burgwardpfarreien
in sich, indem sie zwangsfönnig eine
Schmälerung der Einkünfte der Burgwardkirche mit sich
brachten. Vollständige Auspfarrung scheint — wenn
man aus der Dürftigkeit der Nachrichten einen Schluß
ziehen darf — nur selten vorgekommen, Anlage von
Kapellen und Filialkirchen die Regel gewesen zu sein.
Weil der Einbruch in die Gerechtsame der alten Burgwardpfarrei
nur unter Aufwendung oft beträchtlicher
pekunärer Mittel möglich war, erhebt der Verf. schwere
Vorwürfe gegen den Burgwardpfarrer, der sich aus egoistischen
Rücksichten einer Vermehrung der Gotteshäuser
widersetzt hätte. Wohl zu Unrecht, denn die alten Kirchen
waren doch zumeist in die Hände geistlicher Kirch-
herren gekommen, an die der Pfarrer seinerseits ein
bestimmtes Maß der Pfarreiimahmen vertragsmäßig abzuführen
hatte. Überhaupt durchzieht das ganze Buch
ein feindseliger Zug gegen die Wirksamkeit der Kirche
und den Pfarrklerus im hohen Mittelalter, der besonders
S. 81 in dem abschließenden Urteil zum Ausdruck
kommt: „Die Kirche hätte von sich aus weder im
10. Jh. im Sorbenlande mit der Mission begonnen, noch
im 12. Jh. gesiegt, wenn nicht Kaiser, Reich und Volk
der Deutschen das Christianisierungswerk in die Hand
genommen hätten." Hier hat der Verf. — vielleicht
unbewußt — moderne Auffassungen vom Dualismus
Staat: Kirche in die Vergangenheit übertragen, denn das
steht doch außer Zweifel, daß die Kirche, selbst wenn
sie es gewollt hätte, solche Aufgabe für sich allein
garnicht hätte unternehmen können, war sie doch selber
ein integrierender Bestandteil sowohl „des Reiches
, als auch des Volkes der Deutschen".

Ein Widerspruch scheint mir bei der Erläuterung
der Weiheurkunde für die Göthewitzer Kapelle von
1199 unterlaufen zu sein. S. 99 wird als ecclesia malrix
eine nicht näher bekannte Kirche in der Hand des Zeitzer
Kapitels vermutet, während S. 101 dafür die Kirche in
Wählitz in Anspruch genommen wird, die 1305 vom Bischof
dein Kloster St. Moritz in Naumburg verliehen
wurde. Auch vermag ich nicht anzuerkennen, daß der
Wendung: „hac (lote dotavimus" keine nähere Angabc
über die Ausstattung folgt, besteht sie doch sicher in den
nachstehend genannten Abgaben von Hufen und Hofstätten
. Denn auch die Auffassung, daß die an den
Pfarrer abzuführende Abgabe voll und ganz an das
Zeitzer Kapitel als den Kirchherrn weiter gereicht werden
müsse, vermag ich nicht zu teilen. Der Satz: „hü
(sc. tnoätt) duo unam facient mensuram integralem,
auc datur canonicis in Ciza" scheint mir lediglich ein.:
Malibestimmung zu enthalten. Die zwei von jeder Pfan
hufe abzugebenden Scheffel sollen bewertet werden wL-
ein gewöhnliches Vollmaß bei der grundberrlichen Abgabe
an das Zeitzer Kapitel.

Die Zitate werden zuweilen nach veralteter Literatur
geboten. So hätte bei der Schenkung Geras an das