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Ausgabe:

1940

Spalte:

16-18

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schippers, R.

Titel/Untertitel:

Getuigen van Jezus Christus 1940

Rezensent:

Stauffer, Ethelbert

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Der Verf. geht nicht aus von dem lexikalischen Tatbestand
; er würde sonst gesehen haben, daß bei Jesus die
Forderung neravoslte zwar betont begegnet, aber durchaus
nicht häufig und keineswegs der Zentralbegriff ist;
und für Paulus gilt das erst recht, wo nur 2. Kor. 7, 9 f.
und 12,21 der Begriff (isxuvoiu in freier Sprache verwendet
ist. Ganz besonders aber hat sich der Verf. nicht
einmal darum bemüht, den Wortsinu des Begriffs zu
ermitteln, sondern geht naiv von seinem „Vorverstäud-
nis" aus. Weder Wredes Aufsatz in der Zeitschr. f. d.
Neut. Wiss. 1900 noch das sorgfältige, umfangreiche
Werk von E. K. Dietrich über „Die Umkehr (Bekehrung
und Buße) im Alten Testament und im Judentum
bei besonderer Berücksichtigung der neutest. Zeit"
(1936) wird zitiert; und doch hätte der Verf. besonders
von Dietrich lernen können, daß man „weder in den
Evangelien noch in der ganzen jüdisch-hellenistischen
Literatur an die etymologische Bedeutung von uet<SI und
voew denkt", und daß überall der Gedanke des nvö und
der natin auch für den neutest. Sprachgebrauch zugrunde
liegt (S. 308). Alle Ausführungen des Verf. über
den Übergang vom vovc zu Gott sind also haltlos. Andererseits
ist natürlich richtig, daß das N. T. eine radikale
Anerkennung der Gottheit zentral iordert; und ebenso ist
richtig, daß Jesus wie Paulus vom Heilsweg reden können
, ohne den Glauben zu erwähnen, ja daß bei Jesus
der Glaubensbegriff überhaupt nicht häufig begegnet.
Und auch daran zweifelt kein Kenner des N. T., daß weder
bei Jesus noch bei Paulus das Heil an einen Glauben
geknüpft ist, der sich nicht in der Liebe lebendig erweist
. Aber für alle diese Aussagen des N. T. begegnet
kaum einmal der Begriff imdvoia, während der Glaü-
bensbegriff im ganzen N. T. eine entscheidende Rolle
spielt; und während deutlich der Glaube des N.T., der
Gottes Handeln in Christus ergreift, ein „totaler Glaube
" ist, zu dem die Liebe untrennbar hinzugehört, ist
nirgends auch nur andeutungsweise die net&voia als Zusammenfassung
hinter beiden genannt. Ganz besonders
aber ist im N. T., bei Jesus wie bei Paulus und sonst
(andere Schriften des N.T. benutzt der Verf. freilich
überhaupt nicht), der Glaube immer Gottesglaube, der
das neue Handeln Gottes in Christus ergreift, also nicht
einfach eine vertrauende Haltung, die religiös wird nur
durch ihr Objekt. Und schließlich: die Lage des glaubenden
Menschen im N. T., der die eschatologisctoe Situation
bejaht und dadurch in die Heilsgeschichte der Endzeit
eintritt, fällt beim Verf. überhaupt unter den Tisch,
und darum wird seine Darstellung des zentralen Anliegens
des N. T. zur Schilderung einer zeitlosen Haltung
gegenüber dem ebenso zeitlosen absoluten Gott. Daß damit
die Botschaft des N. T. gründlich mißverstanden
ist, braucht man kaum zu betonen.

Die Folgen dieser ganz unhaltbaren biblisch-theologischen
Grundlegung zeigen sich denn auch in dem abschließenden
dritten Teil: „Der ordo salutis im Umbruch
des theologischen Denkens." Der Verf. skizziert hier eine
Dogmatik der nerovoia. Der einleitende grundsätzliche
Teil soll die Frage von Religion und Offenbarung behandeln
, wobei der Glaube zur Religion, nicht zur Offenbarung
gerechnet wird. Der erste Teil der eigentlichen
Dogmatik handelt dann von der Offenbarung Gottes.
Hier ist die Alleinwirksamkeit Gottes maßgebend, die
sich in der Schöpfung zeigt. Auch die Person Jesu
Christi gehört zunächst in die Lehre von der Schöpfung,
„Christus ist nicht nur Erlöser, sondern auch . . . Geschöpf
Gottes". Von der gefallenen Schöpfung darf hier
aber noch nicht die Rede sein, sonst wird Gott in seiner
Größe als Schöpfer überhaupt nicht erkannt. Von der
Offenbarung in Christus und der Bibel ist dabei seltsamerweise
überhaupt nicht die Rede! Der zweite Teil
der Dogmatik behandelt die u*T<4voia als ordo salutis.
Gott begegnet dem Menschen in der Offenbarung, dabei
sind aber Gesetz und Evangelium nicht Wege Gottes
hintereinander, sondern ineinander (die Heilsgeschichte
fällt also weg!); daß diese Auffassung schwerlich mit

dem N.T. in Einklang zu bringen ist, gibt der Verf. sogar
selber zu. Das Ja zu Gottes Anspruch ist netctvoiot
und damit Heilsverheißung. Der Aufbruch Gottes im
Menschen vollendet sich in der Sündenerkenntnis, das
Vertrauen zur Gnade Gottes wird aber nicht begründet
durch die Heilstatsachen, sondern durch die (mdvoia. Es
gibt grundsätzlich Heil auch ohne Christus, es gibt auch
Vergebung ohne Christi Tod; „indem der Mensch nun
aber durch die uetävoia schicksalsmäßig an Christus gebunden
ist, ist er, genau so schicksalsmäßig, ans Kreuz
gebunden". Dabei wird mit Recht die orthodoxe Satis-
iaktionslehre abgelehnt, was aber an deren Stelle tritt
ist ganz unklar, und jedenfalls ist nicht einmal der Ver-
| sucli unternommen, die gebotene Lösung biblisch zu be-
; gründen. Die „metaphysische Heilsnotwendigkeit des
Todes Jesu" wird ja auch nur darum abgelehnt, weil es
| sich um Spekulation handelt, nicht weil sie unbiblisch ist.

Lskann nicht meine Aufgabe sein, auf weitere Einzelheiten
i dieses dogmatischen Entwurfs einzugehen; auch steht mir
kein Urteil darüber zu, inwieweit hier neue Gedanken geboten
werden. Nur das scheint mir sicher zu sein: ein Neubau
der Theologie auf biblisch-theologischer Grundlage liegt
hier nicht vor, im Gegenteil, eine Fülle der vorgetragenen
Gedanken sind willkürlich und unbiblisch. Der entscheidende
Fehler dieses Neubaus ist aber, daß hier das geschichtliche
Heilshandeln Gottes in Christus ganz an den
j Rand tritt gegenüber der Wirklichkeit des Schöpfungs-
j glaubens, und damit erweist sich diese Dogmatik als
i nicht neutestamentlich und als geschichtslos. Ein Neubau
der Theologie kann auf solchem Boden schwerlich geschehen
.

i Zürich Werner Georg Kümmel

Schippers, R.: Geringen van Jezus Christus in het Nieuwe
I Testament. Dissertation. Franeker: T. Wever 1938. (VIII, 218 S.)

gr. 8°. Fl. 2.90.

I Endlich eine Monographie, die die Geschichte des
j Zeugenbegriffs ab ovo entfaltet! Von Kattenbusch bis
j Campenhausen hat man im wesentlichen über den alt-
kirchlicher, terminus ucx(.m)c und seine frühchristli-
i che n Anfänge verhandelt. Auf die altbiblische Tradition
ist dabei nur gelegentlich und nicht immer glücklich zu-
I rückgegriffeii worden. Sch. behandelt den Zeugenbegriff
des NT. und beginnt mit einer grundlegenden Erörterung
seiner atlichen Vorgeschichte: Der Zeugenbe-
I grif f des AT. ist ein terminus der Rechtssprache und be-
j zeichnet vor allem den Belastungszeugen, der in der
i Praxis vielfach in Personalunion mit dem Ankläger,
I ja sogar dem Exekutor steht (Dt. 17, 6 f.; 19, 15 ff.).
Diesen forensischen Charakter bewahrt der Zeugenbegriff
auch im theologischen Sprachgebrauch (gegen Mi-
I chel). Hier spricht das AT. von dem Rechtsstreit,
den Jahve durch alle Geschichte hindurch mit der Men-
schenwelt ausficht. In diesem Rechtsstreit bietet Jahve
| Zeugen und Zeugnisse auf, die sein Recht bezw. das
j Unrecht seiner Prozeßgegner ans Licht bringen (Jes.
43 u. ö.). Im gleichen Sinn spricht die Synagoge von
"EP und die LXX von wäg-cue; und twjv0Qioy. Hier

! geht Sch. besonders auf die Belastungs- und Anklageformel
ei? naoxüoiov c. dt. ein (Dt. 31 u. ö.). Den Be-
i Schluß dieses Kapitels macht ein exkursartiger Abschnitt
über Epiktet, dessen Bedeutung für die Geschichte des
christlichen Zeugenbegriffs Sch. mit Recht wesentlich
geringer einschätzt, als etwa Geffcken es tat.

Das Bild vom Rechtsstreit Gottes mit der Menschen-
| weit, das der atlichen Zeugenterminologie zugrundeliegt
, nimmt Sch. auch im NT. zum Ausgangspunkt
I — und durch die konsequente Durchführung dieser
Grundkonzeption gewinnt ihm der urchristliche Sprachgebrauch
allererst Licht, Farbe und Leben: Die udQtvgeg
| von Hb. 12,1 sind zunächst Augenzeugen, Zuschauer;
i aber sie werden zwangsläufig zu Belastungszeugen, An-
j klägern, sobald die Agonisten in der Kampfbahn nach-
I lassen (59). Das Zeugnis der Schrift für die Gottes-
J männer in Hb. 11 bedeutet, daß Gott sich im Widerstreit