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Ausgabe:

1940 Nr. 11

Spalte:

302-304

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Neckel, Gustav

Titel/Untertitel:

Liebe und Ehe bei den vorchristlichen Germanen 1940

Rezensent:

Schneider, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 11

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sen sollen, dann können wir keine geschichtliche Kritik
an den Ostergeschichten des neuen Testaments üben;
und wenn wir Letzteres anfangen 7.11 tun, dann werden
wir auf ein eignes verständiges Urteil über das, was die
Apostel erfahren zu haben erklären, nicht verzichten.
Althaus kombiniert in einer unzulässigen Weise die Lehre
vo'n der Autorität der neutestamentlichen Aussagen mit
der historisch-kritischen Untersuchung der neutestamentlichen
Aussagen. Er sagt Sowohl-als-auch, wo es Ent-
wederoder heißt.

Was sind aber diese Einwände gegen das Schmerzliche
, das zu der oben mit (c) bezeichneten Aussage
von Althaus zu sagen ist. Althaus leugnet den Satz, der
seit Schleiermachcr die selbstverständliche Grundlage
der deutschen evangelischen Theologie als Wissenschaft
ist, den Satz, daß der Gehalt jeder Aussage über Gott
ganz allein in einer Bestimmung des Gottesbewulltscins
des Menschen liegen kann, daß also nicht Gott an sich,
sondern Gott in seiner uns Sinn und Gewissen bestimmenden
Macht der Inhalt unsrer Gotteserkenntnis ist-
Ich gebe Althams völlig recht damit, daß diese Einsicht
der neuern evangeliscncn Theologie jeden objektiven
Grund unseres Glaubens dahinfallen macht. Was aber
damit verloren geht, ist nicht d'as Evangelium selbst:
es sind die pseudometaphysischen Bestimmungen, in
denen christliche Geschlechter vergangner Zeiten das
Evangelium gefaßt haben. Jesus selber verbittet es sich,
so wie ich Irai verstehe, als objektiver Glaubensgrund
mißbraucht zu werden. Nur indem er den Menschen mit
lebendiger gegenwärtig erfahrener Macht befreit und
entriegelt zum Trauen auf den Vater, den er ihm mit
seinem eignen das Leben mit Gott und aus Gott leben
zeigt, will er uns in Uilterm Gottesverhältnis etwas bedeuten
. Ein Glaube an Jesus vor aller Erfahrung ist
nichts als eine theologische Fiktion, und noch nicht
einmal eine christliche.

Der Unterschied, der damit zwischen mir und Althaus
sichtbar wird, ist in der Tat entscheidend. Für
mich hängt an der von Althaus angefochtenen Gründaus
sage neuerer deutscher evangelischer Theologie das
Heimatrecht der Theologie im deutschen und überhaupt
im europäischen geistigen Leben von heute.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Suzuki, Dr. Daisctz Teitaro: Die Grosse Befreiung. Oeleitwort
von C. O. Jung; übers, von H. Zimmer. Leipzig: C. Weller & Co.
[1039]. (188 S., 10 Abb.) 8°. RM 5.80; geb. RM 7—,

Dieser von Heinrich Zimmer besorgten Bearbeitung
der englischen Originalschrift „An Introduction to Zen-
Buddhism" von Suzuki ist ein Geleitwort von C G.
Jung vorangestellt, der hier wie auch z. B. in seinem
„europäischen Kommentar" zu dem von R. Wilhelm
1929 herausgegebenen „Geheimnis der goldenen Blüte"
den Versuch macht, die fremde und der europäischen
Bewußtscinsfreudigkeit so überaus ferne Welt ostasiatischer
Mystik abendländischem Verstehen näherzubringen
durch den Aufweis erstaunlicher Beziehungen jener mystischen
Ziele und Methoden zu modernen psychotherapeutischen
Erkenntnissen und Behandlungsweisen.

Nach Jung handelt es sich im Zen-Buddhismus um die Verwirklichung
eines umgestaltenden Erlebnisses der Erleuchtung, Satori genannt
, worunter der Durchbruch des ganzheitlichen „Selbst" durch
die enge und ausschnitthaftc Welt des Ich zu verstehen ist. Wenn
das Bewußtsein des normalen Tageslebens von allen Bildern „entleert
" wird, wie auch manche der mittelalterlichen christlichen Mystiker
sagten, dann entsteht durch diese Verdrängung eine Spannung
im Unbewußten bis es selbst mit der ganzen Fülle seiner sonst verdeckten
Inhalte durchbricht und eine neue Weise seelisch-geistiger
Existenz begründet. Eine „Erlösung zur Ganzheit" liegt vor. Im
Satori-Erlebnis gibt nach Jung die „Natur" nach angestrengter „Entleerung
" eine neue Weise Leben und Welt anzuschauen und zu erleben.
Nach dieser Jung'schen Interpretation, deren Beziehung zur psychotherapeutischen
Praxis deutlich ist, würde es sich im Zen-Buddhismus
nicht eigentlich um Religion handeln, denn es ist ganz deutlich nur die

j „Natur", die in ihrer Ursprünglichkeit und Unreflektiertheit sich
durchsetzt. Ich glaube, daß — so richtig die rein psychische Seite
der Sache beschrieben sein mag — hier das Moment religiöser Digni-
tät des Erfahrungsinhaltes von Jung nicht beachtet ist. Wenn man
die Texte, die 1925 Ohasama unter dem Titel „Zen, der lebendige
Buddhismus in Japan" bei Leop. Klotz in Leipzig herausgab, zu Rate
zieht, dann ist darin ein religiöser Klang sehr wohl zu vernehmen,
denn im Begriff der „Buddhanatur", zu der der Mensch erwachen soll,
ist ein Moment des Numinosen deutlich enthalten.

S u z u k i's Darstellung des Zen-Buddhismus setzt — und darin
liegt die Schwierigkeit des Verstehens seiner Ausführungen — allenthalben
das Erleben voraus, um das es im Zen geht. Zen ist eben
keine Philosophie, auch kein theologisch dogmatisches Lehrsystem,
J buddhistische Lehren werden sogar ganz ausdrücklich als völlig be-
} langlos bezeichnet (S. 52). Zen sei auch keine Religion im üblichen
j Sinne, da kein Oott Objekt kultischer Verehrung sei (S. 52), wobei
j zu fragen wäre, ob das zum Wesen der Religion unbedingt gehört.
; Das Thema des Zen ist das Eindringen in die Natur des eigenen
Selbst, die Öffnung des geistigen Auges, das Erwachen aus einem
( Zustand der Unbcwußtheit (S. 59), ein In-Fühlung-Kommen mit den
| innersten Kräften des eigenen Wesens (S. 60). Das bedeutet, daß

■ die Dualität von Subjekt und Objekt aufgehoben und ein unmittelbarer
; Kontakt mit dem letzten Wesen der Dinge hergestellt wind (03).

■ Dazu ist „Leere" nötig und die Aufhebung vor allem jeglicher Ichbezogenheit
im Bewußtsein (77). Auch die Logik erscheint von hier

! aus als ein unzulängliches Mittel der Welterfassung. Auch sie muß
i aufgegeben und ein neuer Zugang zur elementaren Wirklichkeit gesucht
I werden (87). Das Leben, das man „erleben" will, ist diesseits von
j allen logisch-intellektuellen Gegensätzen (92). Diesen abgeleiteten
j und mittelbaren Weisen der Welterfassung tritt im Zen die unmittelbare
Erfahrung gegenüber (109). „Satori" ist somit das Erreichen
eines neuen Blickpunktes (123). Nicht auf das „Was" sondern auf
das „Wie" des Sehens kommt es an. Aber diese umwandelnde Erfahrung
muß man selbst machen, man kann sie nicht wie theoretische
Lehren intellektuell übernehmen (129). Unerwartet kommt dieses
einer Wiedergeburt gleiche Erleben über den Menschen (133), aber
| die Voraussetzung dazu muß freilich der Mensch selbst schaffen. Es
gibt Hinweise auf das Erleben, die man nicht mit der Sache selbst
verwechseln darf. Die sog. „Koan's", Rätsclfragen, über die man
nachdenken soll, dienen der Vorbereitung des Satori-Erlebnisses (140).
Im Kapitel IX wird das äußere Leben der Zen-Mönche beschriehen.

Zur Ergänzung dieses Werkes ist das Buch von Ohasama-Faust,
Zen, der lebendige Buddhismus in Japan (Leipzig 1925) wertvoll. Es
erreicht sicher nicht die Tiefe der vorliegenden Darstellung, ist aber
durch die Texte anschaulicher und leichter verständlich.

Bonn/Rhein Gustav Mensching

Neckel, Prof. Dr. Gustav: Liebe und Ehe bei den vorchristlichen
Germanen. 3., durchges. Aufl. Schkeuditz-Gartenstadt: Adolf Klein
1939. (90 S.) 8°. RM 1.80.

Das Büchlein, das hier anzuzeigen ist, erscheint schon
in dritter Auflage- Es ist dem Germanisten vertraut und
hat wohl jedem Anregung und Belehrung geboten. Es
bestärkte uns in der Überzeugung, daß Tat und Wertung
beim vorchristlichen Germanentum einen ethisch hohen
| Maßstab vertragen, und daß zumal das Verhältnis von
Mann und Frau vor und in der Ehe nicht erst des Christentums
bedurfte, um sittlich zu sein. Die schönen,
| z.T. aus wenig bekannten Quellen genommenen Zeug-
| nisse für das Mitbestimmungsrecht des Mädchens bei
i der Eheschließung, die würdige Stellung der Hausfrau
und Mutter in der Familie, überhaupt für die Achtung
vor der Persönlichkeit der Frau und eine ritterliche Haf-
I tung des Mannes ihr gegenüber haben dauernden Eindruck
gemacht, auch dort, wo es des heftigen Aufrufs
zur Umwertung der geltenden Werte nicht erst bedurfte.

Gerade dem aber, der die Verdienste des kleinen Buches
kennt und anerkennt, wird diese Neuausgabe eine
j Enttäuschung bedeuten. Es ist vor acht Jahren zutage-
! getreten als Werbeschrift und Streitschrift, mit dem lia-
j stigen Tempo, dem laut überredenden Tonfall, der dafür
I vohnöten schien. Heute findet es eine andere Lage vor;
man durfte hoffen, daß sein wertvolles Material nun in
die Bahn ruhig geordneter Erörterung einfließen und
i daß es sich ganz als wissenschaftliche Untersuchung geben
werde. Davon ist leider nicht die Rede. Die Schrift
j ist, die sie war. Die Einleitungsseiten, heute z. T. schon
j unzeitgemäße Betrachtungen, behaupten ihren Platz wie
{ gegen Ende die Abschweifung über die Wikingerfahrten