Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1940

Spalte:

281-284

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bauer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Wehrhafter Glaube 1940

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

281

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 9/10

282

Ii mag begrifflich nicht so erheblich sein; aber ist er
nicht in der Sache außerordentlich tief? Liegt nicht im
gleichen Bereich der Gegensatz zwischen Zwingli und
Calvin? Zum anderen: Zwingiis Erbsündenlehre
trägt wie Zwingiis gesamte Theologie ein Doppelgesicht:
auf der einen Seite stehen die machtvollen Einwirkungen
der Schrift, die Einflüsse Luthers, Augustins usw- Auf
der anderen Seite aber steht die Philosophie Zwingiis,
die dualistischen Charakter trägt. Pfister beurteilt die
philosophischen Gedankengänge, die sich für unser Problem
namentlich in der Schrift De Providentia Dei anam-
nema dokumentieren, als „Fremdkörper" in der Theologie
des Reformators. Er weist darauf hin, daß diese
philosophischen Gedankengänge zu Zwingiis Christologie
und Soteriologie im klaffenden Widerspruch stünden.
Von da aus kommt er dazu, der erwähnten Schrift wie
überhaupt diesem ganzen Komplex keine weitere Bedeutung
beizumessen. Es ist aber doch zu fragen, ob es so
einlach geht. Steht nicht fast überall bei Zwingli die
philosophisch-theologische Gedankenwelt, die er dem
Humanismus und z. T. der Scholastik verdankt, neben
der eigentlich „reformatorischen"? Ist nicht gerade hier
die tiefste Spannung in Zwingiis Denken zu suchen, eine
Spannung, mit der er nie fertig geworden ist? Wirken
nicht aucn in seine AbendmahlsTehre aufs Stärkste philosophische
Gedankengänge hinein?

Es darf auch auf folgendes hingewiesen werden:
Pfister sieht mit Recht den Grund zu der schließlichen
Wendung in Zwinglis Erbsündenlehre darin, daß bei
ihm die Prädestinationslehre immer mehr Gewicht erhielt
. Diese aber findet sich in der Fidei Ratio nicht entfernt
mit der Kraft und tiefen Überlegung vertreten wie
eben in der Schrift De Providentia Dei, die ja ihrerseits
nach Marburg zurückweist. So erscheint es auch von
diesem Gesichtsvvinkel her wohl nicht tunlich, diese
Schrift und die in ihr dargelegten Gedanken als Nebenerscheinung
zu behandeln. Gewiß, die Anthropologie
(wie auch weitgehend die Prädestinationslehre) dieser
Schrift und ähnlicher Bekundungen ist ein „Fremdkörper
". Aber macht das dauernde Vorhandensein dieses
„Fremdkörpers" nicht ein Stück vom Wesen der Theologie
Zwinglis aus?

Mit diesen Fragen soll der Wert von Pfisters Untersuchung
nicht im mindesten verkleinert, sondern nur gezeigt
werden, wie jede Monographie über ein Zvvingli-
problem die allgemeinen Fragen seiner Theologie erneut
lebendig werden läßt- Pfisters Arbeit hat eine ernstliche
Lücke in der Zwingliforschung ausgefüllt und stellt
vermöge der Sicherheit der Methode, der Sorgfalt der
Untersuchung und der Bedeutsamkeit ihrer Ergebnisse
eine wertvolle Erscheinung dar.
(Döttingen Otto Weber

Bauer, Wilhelm: Wehrhafter Glaube. Ein Beitrag zur Wehrhaft-
maehung unseres Volkes. 3. Aufl. Leipzig: Amthor [o. J.J. (142
S.) 8°. KM 1.90; geb. UM 2.30.

Dieses Buch dient der inneren Seite der Wehrhaft-
machung unseres Volkes. Es ist von einem geschrieben,
der von Anfang an den Weltkrieg miterlebt hat und der
mehrfach verwundet worden ist. Bauer sieht die Aufgabe
der inneren Wchrertüchtigung deshalb so dringlich an,
weil er weiß, daß uns Kriege bevorstehen „von einem
unerhörten metaphysischen Ernste, die die Leidenschaften
der Menschen und Völker aufstacheln zu einem geradezu
religiösen oder auch satanischen Fanatismus. Gegen
uns steht nicht England oder wer sonst seine Hand
gegen uns erhebt, gegen uns steht der Antichrist, der die
Völker in seine Gefolgschaft ruft im Namen der allgemeinen
Menschenbeglückung" (S. 120 f.).

Zuerst stellt Bauer „Die Welt der Front" dar. Es
kommt ihm hier darauf an, die innere Wandlung aufzuzeigen
, die der Krieg an den bürgerlichen Menschen
vollzogen hat. Die Welt von vor 1914 brach zusammen.
Sie hatte ihren theoretischen Ausdruck in dem mechanistischen
Weltbild gefunden. In ihm fühlten sich die
Menschen sicher und geborgen, weil alles Geschehen in
einem lückenlosen Kausalzusammenhange zu erfassen
war. Die meisten sahen ihren Gott in der ratio und hatten
für die Grundgehalte der Religion kein Verständnis
mehr. Erst der Weltkrieg hat wieder den Zugang zu
dem „Urwissen der Menschheit" erschlossen, daß alles
Geschehen, Leben und Tod zu der einen Wirklichkeit
gehört, deren Sinn nur religiös erfaßt werden kann.
„Tod und Leben stehen nicht einander entgegen wie Sein
und Nichtsein, sondern es ist die eine große Wirklichkeit
Gottes, die beide — die im Sichtbaren Wandelnden und
die im Unsichtbaren Wesenden und Wirkenden — umfaßt
in der übergreifenden Einheit Seiner uns unbegreiflichen
Welt. Gott ist der Herr der Lebenden und der
Toten zugleich" (S. 28).

Die Schilderung der einzelnen Kampferlebnisse ist
ergreifend. Bauer hat in seinem Buche „Vom vergessenen
Tode, Ein Vermächtnis aus dem Kriege" (Verlag
von Gronau, Jena und Leipzig, 1930) noch eindringlicher
von den Schrecken des Krieges gesprochen. Aber
dort wie hier geht es ihm nicht um eine Schilderung des
Grauens. Er will vielmehr zeigen, daß dieses Grauen ein
Mittel war, die innere Wandlung herbeizuführen, die
den einzelnen aus seiner Vereinzelung gerade dadurch
herausnahm, daß sie ihn wieder in seine Einsamkeit
Gott gegenüber stellte. „Im Angesicht des Todes durchbricht
dieses Urgesetz der Schöpfung alle Verkrustungen
der menschlichen Ichverhaftetheit. Der in der Vereinzelung
Verlorene wird wieder eingeschmolzen in den
Strom väterlich-göttlichen Erbarmens, aus dem das Dasein
seine Lebenskräfte trinkt, d. h. der Christus, wie er
in dem Menschen Jesus Fleisch geworden ist, wirkt und
waltet im Schöße der Schöpfung von Urbeginn der Welt
und zieht den Menschen hinein in die Gewalt seines
Wirkens. Die Sprache unseres Glaubens heißt dies Gnade
. Diese Gnade aber strömt uns zu — o wunderlichste
Wandlung des von furchtbaren Wundern schwangeren
Lebens! — aus den Sterbensqualcii des sich opfernden
Blutes" (S. 61).

Eine doppelte Verwandtschaft sieht Bauer zwischen
dem christlichen Glauben und der soldatischen Existenz:

1. Das Soldatentum ist nur zu begreifen von dem
Glauben an die Übermacht der Liebe, in deren Dienst
jeder einzelne steht, indem er sein Leben zum Opfer
gibt. Diese Liebe, die in Christus als göttlich sichtbar
ward, klingt auch in dem Gebet innerhalb des „Großen
Zapfenstreichs" an.

2. Das Soldatentum schafft eine völlig neue Weitsetzung
, die entgegen der bürgerlichen zuletzt die Frage
nach der Pilgrimschaft und der wahren Heimat in sich
birgt. Der Soldat denkt im Felde nur an die Heimat;
in der Heimat aber, etwa auf Urlaub, nur an seine
Truppe. „Nur Menschen im Stande der Pilgrimschaft,
nur Menschen, die in der Heimat nach der wahren Heimat
suchen und im Landes des Todes den Weg zum
Leben erwandert haben, wissen letztlich vom Geheimnis
dieses Reiches. Das ist eine Frucht des großen Krieges,
dessen Vermächtnis wir zu wahren haben" (S. f)9).

Der zweite Abschnitt spricht „Vom Wesen derWehr-
haftigkeit". Der wehrhafte Mann wird im Unterschied
zum abenteuerlichen Kriege dargestellt. Die Wehrhaftia-
keit zeigt sich dann, wenn der Glaube stärker ist als die
größte Not und den Mut verleiht, auch auf verlorenem
Posten auszuhalten. Während der Abenteurer nur in der
Schlacht selber sein wahres Lebensglück empfindet, bedeutet
Wehrhaftigkeit zuchtvolles Bewahren der Ordnung
des Reiches. Dieser Unterschied wird an verschiedenen
Beispielen verdeutlicht, etwa an den Brüdern Fla-
vus und Arminius und an Ludwig XIV. und Friedrich
d. Gr. Diese bewahrende Aufgabe der Wehrhaftigkeit
ist ein Dienst am Reich. „Das Wesen des wehrhaften
Menschen (ist) ein väterliches Walten und selbstloses
Kämpfen für Volk und Heimat, ein Dienst am .Reiche'.