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Ausgabe:

1940

Spalte:

278-279

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hauck, Wilhelm-Albert

Titel/Untertitel:

"Sünde" und "Erbsünde" nach Calvin 1940

Rezensent:

Gloede, Günter

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277

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 9/10

278

T.s anregende Studie ist ein Sonderdruck aus den
„Theologischen Blättern". Bei einer ausführlichen Behandlung
des Problems müßte vor allem die Bedeutung
der Kausalität noch schärfer herausgearbeitet werden
. Die zu 1 angeführten Vergleiche bleiben zu unbestimmt
. Und warum sollte die Kausalität nicht ebenso
gut wie das Weltgesetz selber auch in den Augen Gottes
dasein? Gehört doch die Kausalität offenbar zur Geschöpf
lichkeit der Welt! Eben darum bedarf auch das
Im Wunder verwirklichte „Jenseits" der Kausalität noch
genauerer Erwägung.

Dersekow bei Greifswald E. Schott

Rolffs, Ernst: Die Phantasie in der Religion, ihre gestaltende
Kraft in Leben und Olauben. Berlin: H. Bott [1938]. (190 S.)
8°. RM 4.20; geb. 5.40.

Rolffs sagt im Vorwort, auf die Bedeutung der Phantasie
für die religiöse Erkenntnis sei er durch das Nach- 1
denken über das Problem geführt: „Wie ist es möglich,
die Kräfte und Werte des christlichen Glaubens fest- j
zuhalten, wenn die religiösen Vorstellungen, in denen
sie gegeben sind, nicht festgehalten werden können, |
— Iffll der Wahrhaftigkeit willen nicht festgehalten werden
dürfen ?" (S. 9). Am Schluß stellt er als Kanon für
die Kritik der religiösen Phantasie auf: „Sie ist zu be- |
urteilen nach ihren ethischen Auswirkungen. Sind diese
gleich Null oder gar negativ, so ist die Phantasietätigkeit
unberechtigt und unwahr; berechtigt und wahr ist
sie nur insoweit, als sie sich auswirkt in einer positiven
ethischen Haltung des Christen" (S. 170 f.). Damit ist die !
Wahrheit von den sittlichen Auswirkungen abhängig ge- I
macht, — ein Standpunkt, der konsequent durchgeführt
zur pragmatischen Auflösung des Wahrheitsbegriffs auf
dein Gebiet der Religion führen würde. Rolffs zieht
allerdings diese Folgerung nicht ganz, vor allem nicht
für die Vorstellung vom persönlichen Gott: „Der per- i
sönliche Gott ist also keineswegs eine antliropomorphe
Entstellung des Unendlichen durch die religiöse Phanta- i
sie, nein, diese dient dazu, die Erkenntnis der letzten j
Wirklichkeit zu erschließen, soweit sie sich überhaupt
dem endlichen Geist erschließen will" (S. 189). Damit
gelangt Rolffs doch zur Offenbarung. Sie muß der Maß- |
dem Boden des christlichen Glaubens- Soweit die Phanta-
stab sein für die Bewertung der religiösen Phantasie auf !
sie dazu dient, die dem Glauben sich offenbarende Wirklichkeit
bzw. Wahrheit zu erfassen, zu umschreiben, verständlich
und verkündbar zu machen, ist sie berechtigt;
andernfalls nicht- In diesem Sinn kann die Phantasie
zur Mobilisierung der ethischen Werte und Kräfte der !
christlichen Religion dienen; aber von d.iesem Gesichtspunkt
allein, wie es S. 169 geschieht, darf ihre Unent-
bclirlichkeit nicht abhängig gemacht werden. Recht i
nahe scheint mir Rolffs der richtigen Auffassung in dem
Kapitel 13: „Die Inflation der religiösen Phantasie" zu
kommen, wo er darlegt, wie die Phantasievorstellungen
oft die Beziehung zu den religiösen Erlebnissen und Eindrücken
verlieren und sich weiter bilden.

Dem Buch kommt das Verdienst zu, die Aufmerksamkeit
überhaupt auf ein nicht genug beachtetes und noch
nie im Zusammenhang gründlich behandeltes Gebiet gelenkt
zu haben. Im ersten Teil geht R. dem Wesen der
Phantasie und ihrer Bedeutung für die verschiedenen Lebensgebiete
nach. Das Wesen der Phantasie sieht R. darin
, „daß wir unser eigenes Selbst mit seinen Gefühlen
und Affekten in die Gegenstände und Bewegungen der
Umwelt projizieren; das heißt: wir vollziehen durch sie
eine Sinngebung des Sinnlosen" (S. 26). Aber
gleich darauf wirft er im Sinn Frohschammers die Frage
auf, ob es sich nicht vielmehr um eine Sinn f i n d u n g
Im scheinbar Sinnlosen handele. Hier sind Gedanken-
peihen, die für die Bedeutung der Phantasie in der Religion
mehr hätten ausgewertet werden sollen.

Es folgt eine Phänomenologie der religiösen Phantasie
(2. Teil). Das Kapitel „Die Phantasie als Logos
religiöser Erlebnisse" sucht die Phantasie im Sinn der
Definition Kants als Einbildungskraft, sofern sie auch

unwillkürlich Einbildungen hervorbringt, auf. Das Kapitel
„Die Phantasie als Induktor religiöser Eindrücke" bringt
recht glücklich die Ergänzung nach der Richtung der Begriffsbestimmung
Wundts, der ihre unwillkürliche Tätigkeit
als belebende Apperzeption und als gefühlssteigernde
Assimilation kennzeichnet. Dies letztere Kapitel ist
besser als das erstere- Im ersteren ist u.a. der Begriff
der Vision unzureichend. (Wegen Raummangel hier nicht
ausgeführt.) Besser als die Theorie ist die Analyse biblischer
Visionen in diesem Kapitel und besonders auch in
dem Kapitel „Die Phantasie als Dolmetsch religiöser Erwartungen
und Erinnerungen". Bedeutsam ist auch das
Kapitel „Phantasievorstellungen als Wechsel auf religiöse
Werte". „Auch Persönlichkeiten von lebendiger Religiosität
, die nicht das Bedürfnis haben, sich ihre religiösen
Gefühle mittels der Phantasie zu vergegenständlichen
und zu deuten, ist die Phantasie unentbehrlich, wenn
ihnen die Aufgabe gestellt ist, die religiösen Werte, die
sie aufgrund ihrer Erfahrungen zu eigen haben, Andern
zu übermitteln" (S. 120). Diese absichtlich symbolisierende
Phantasietätigkeit ist, wie Rolffs darlegt, als allegorisch
-mythische die Fortsetzung der unbewußt schaffenden
Phantasietätigkeit und als tendenziös verklärende
die Fortsetzung der unwillkürlich idealisierenden und interpretierenden
. Ein Mangel ist es, daß Rolffs dem rassischen
und völkischen Element in der religiösen Phantasie
nicht nachgeht-

Der dritte Teil bringt die kritische Bewertung der
religiösen Phantasie, zu der wir am Anfang Stellung genommen
haben. Dem von uns vertretenen Standpunkt
kommt Rolffs am Schluß näher. Entsprechend der Erkenntnis
eines Satzes wie: „Was die Phantasie schafft,
ist kein Phantom, — ihre Schöpfung ist das Spiegelbild
des Schöpfers, Ausdruck und Symbol der ewigen Wahrheit
" (S. 190) sollte m. E. das ganze Buch, für dessen
viele Anregungen man nicht dankbar genug sein kann,
noch einmal durchgearbeitet werden.

Seestadt Rostock Wilhelm Knevels

Hauck, Pfr. Dr. theol. Wilhelm-Albert: „Sünde" und „Erbsünde"
nach Calvin. Eine wissenschaftliche Darstellung mit Berücksichtigung
der ,,Sünden"-Lelire D. Martin Luthers und moderner Theologen.
2., erw. u. verb. Aufl. Heidelberg: J. Comtesse 1939. (117°S.)
gr. 8°. RM 2.20.

Zur Charakteristik der Art des Verf., eines Heidelberger
Promovierten, sei dreierlei vorweggeschickt: Erstens
versteht sie sich selbst als „evangelisch", „nicht
im Sinne einer Verdrängung oder Zurücksetzung Luthers
", sondern aus der Erkenntnis, daß Calvin als wohl
bedeutenster „Schüler D. M. Luthers" (. 6) gerade „in
dem heute wieder ganz neu in Gang kommenden theologischen
Gespräch über die biblisch-reformatorischen
Grundlagen unseres im wahrsten Sinne evangelischchristlichen
Glaubens" (S. 7) Beträchtliches zu sagen
habe.

Sodann bemüht sie sich der religiösen Eigenart des
Denkens Calvin gerecht zu werden. Dies wird weiter
unten im Einzelnen deutlich.

Und schließlich ist es dem Verf. zuzubilligen, daß er
Calvin vorurteilsfrei studiert hat und sich damit die
nötige wissenschaftliche Objektivität wahrte, die etwa
in einigen Arbeiten W. Nieseis und P. Brunners stark
gefährdet ist, weil hier ein nach Zuschnitt des Barthia-
nismus an gewissen Punkten reduzierter Calvin vorgeführt
wurde.

Die vorliegende Arbeit ist ein Ausschnitt aus einer
größeren, die die Marksteine evangelischen Glaubens
abschreitet; ein weiteres Teilstück ist übrigens 1938 bei
Bertelsmann unter dem Titel „Calvin und die Rechtfertigung
" erschienen und wird fortgesetzt in dem in Vorbereitung
befindlichen „Christusglaube und Gottesoffenbarung
". Verf. legt Wert darauf, daß man die Sündenlehre
nicht von der Gnadenlehre isoliert, weil sonst die
Gefahr einer falschen Sicht evangelischen Glaubens besteht
, an deren Beseitigung gerade das unausgesprochene
, doch tatsächliche apologetische Bemühen des Verf.