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Ausgabe:

1940

Spalte:

262-263

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lang, Albert

Titel/Untertitel:

Heinrich Totting von Oyta 1940

Rezensent:

Koch, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 9/10

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stand wahrscheinlich in Paris zwischen 1200 und 1250.
Sicher ist Wilhelm v. Sh. auch Verfasser von Syncatego-
remata, die noch nicht gedruckt sind. Wahrscheinlich
verfaßte er auch die 3 logischen Traktate Insolubilia, Ob-
ligationes und Petitionen contrariorum, die ebenfalls bis
jetzt nur handschriftlich zu finden sind. Seine Lebensdaten
und seine literarische Tätigkeit sind nun, erstmals
durch Qrabmann, in der Hauptsache aufgehellt (vgl. die
kurze Zusammenfassung durch Qrabmann selber im
Lex. f. Theol. u. Kirche Bd. X, Sp. 907). Die literarhistorische
Einleitung hat diese mühsame Arbeit geleistet
; wichtige „Nachträge und Ergänzungen" am Schluß
der Textausgabe mögen bei Benützung dieser Einleitung
nicht übersehen werden. Die Einleitung schließt mit einigen
Andeutungen über die Stellung der introduetiones
des Wilhelm in der Entwicklung der scholastischen Logik
: jetzt kann an die Herausgabe der Summae logicales
des Petrus Hispanus gegangen werden. Auch noch weitere
Arbeiten auf diesem Uebiet kann ürabmann ankündigen
. Jetzt schon jedoch muß C. Prantls Urteil über
Willi, v. Sh. und Petrus Hispanus völlig verlassen werden
. Über die Bedeutsamkeit der Abhandlung Grab-
manns braucht kein Wort gesagt zu werden. Die Textausgabe
ruht auf der einzig erhaltenen Handschrift der
Logik Wilhelms ((Jod. lat. 16 017 der Pariser Nationalbibliothek
). B. Geyer hat in der Theol. Revue 1938,
Sp. 260 mehrere Verbesserungen des Drucks vorgeschlagen
. Beachtung verdient auch die Beprechung in der
Zeitschr. „Scholastik" 1938, 439. Die wenigen Druck-
versehen sind unbedeutend (S. 22, Z. 20 v. o. lies „dem"
statt „den"). Ein Meisterwerk des unerreichten Kenners
der mittelalterlichen üeistesgeschichte.
Tettnang (Württbg.) Wilhelm Koch

Poppenberg, P. Everhard: Die Christologie des Hugo von
St. Victor. Dissertatio ail lauieam i« facultale theologica Pontificiae
Universitatis Qrcgorianae. Hiltrup (Kr. Münster i. W.): Herz Jesu-
Missionshaus 1937. (VII, 119 S.) gr. 8°. RM 3—.
Mit Hugo aus dem deutschen ürafcngcschlecht der Blankenbur-
gcr, dem grollten Qelehrten der Aiigustincr-Chorherrcnschule von
St. Viktor zu Paris, dem „vielleicht einflußreichsten Theologen des
12. Jahrb." (Orabmann), hat sich die Theologiegeschiditsforschung
in den letzten Jahren lebhaft beschäftigt. Nun wird auch die Christologie
seiner, in der „Einführung" festgestellten, Werke dargestellt
und beurteilt. Die Darstellung erfolgt unter den Fragepunkten: Was
lehrte Hugo über Zweck, Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der
Menschwerdung des Logos? Was war ihm Orund dafür, dal) nur der
Logos Mensch wurde, und daß es trotzdem heißt „empfangen vom
U.Ocltt"? Warum sah er in der Menschwerdung ein übernatürliches
Geheimnis und einen heilsnotwcndigcn Olaubensgegenstand? (1. Teil).
Wie machte er sich den Glaubenssatz von der unio hypostatica verständlich
? Antwort: Mittels der „Assumptustheorie", jedenfalls nicht
mittels der „Habitustheorie", die er deutlich bekämpft (2. Teil). Was
für Folgen aus der so gedachten unio hypostatica ergaben sieh für
Hugo? Antwort: Die Seele Christi besaß für ihn alles das aus Gnade,
was Gott von Natur aus hat (Allwisscn, Allmacht, alle Tugenden und
Gnaden): 3. Teil. Die schon im Verlauf der Darstellung immer wieder
beigefügte und im „Schlußwort" zusammengefaßte Beurteilung
kommt zum Ergebnis: Hugo verrät sich auch in der Christologie als
gründlicher, durchaus selbständiger Denker, der das Dogma vor der
unio hypostatica streng innehielt und gegen den Nestorianismus der
„Habitustheorie" (Abälard) verteidigte, der aber hierbei fast Mono-
,,l labitlistheoric" (Alälard) verteidigte, der aber hiebei fast Momo-
physit wurde, indem er die Einheit der beiden Naturen in Christus
überbetonte und den homo assumptus (die menschliche Natur Jesu)
nicht nur zur Teilnahme an der göttlichen Persönlichkeit, sondern —
wenigstens die menschliche Seele Jesu — zur Gemeinschaft an den
göttlichen Vollkommenheiten des Logos erhob. — Nicht so streng über
Hugos Christologie urteilt der Lehrer Poppenbergs, Prof. I'elstcr
(Köln), aber Poppcnbcrg bleibt bei seinem Urteil (S. 102). Auch ein
anderer Hugo-Forscher, Wcisweiler, möchte nicht so streng urteilen
(Theol. Revue 1938, 238 f.); die Frage verdient wohl nochmalige
Erwägung. Im übrigen ist aber die Arbeit des westfälischen Missionars
und Gelehrten eine wissenschaftlich sehr reife Leistung, beruhend
auf umfassender Quellen- und Literaturbenützung und sorgfältig alles
belegend. Sie zeigt auch, wenigstens kurz, den Zusammenhang der
Christologie Hugos mit seinen Vorläufern (eine Ergänzung bietet die
Besprechung in der Zeitschr. f. kath. Theologie 1938, 289) und
ihre Nachwirkungen, besonders beim Schüler Hugos, Robert v. Mclun.
Auch methodisch hat Poppenberg sein Doktor-Thema richtig angefaßt.

Er ist trefflich geschult und schreibt knapp, klar und ein gutes
Deutsch. Er hält sich in seiner Kritik bescheiden und gerecht. Der
Druck hat fast keine Fehler; die wenigen verbessern sich beim Lesen
von selbst.

S. 70 durfte P. vom Gandulf-Forscher Johannes von Walter im
, Kontext den Namen ganz deutsch schreiben, denn er ist ein Deutscher.

— P. schreibt S. 102 „Monophysismus" und „monophysistisch"; das
! ist ungewohnt, aber nachahmenswert.

Tettnang (Württbg.) Wilhelm Koch

Bonaventura: Selbstgespräch der Seele. Uebertr. von Josef
Hosse. Leipzig: J. Hegner 1939. (159 S.) 8°. RM 4.20.

Wir lesen hier zum erstenmal ins Deutsche übersetzt
das Soliloquium de quattuor mentalibus exercitiis des
großen Franziskanertheologen Johannes Fidanza Bonaventura
(f 1274 zu Lyon), eine dogmatisch-mystische
Schrift, die zur besten Einkehr-(Exerzitien-) Literatur gehört
. Die Übersetzung Hosses wurde auf Grund des im
8. Band der Ausgabe der Werke Bonaventuras von Qua-
racchi (1898) vorliegenden lateinischen Urtextes gemacht,
i Sie ist ein sehr gutes Deutsch und gibt den Urtext des
i bekanntlich besten Stilisten der Hochscholastik vorzüglich
wieder. Wenigstens in allen Hauptgedanken. In Ein-
i zelausdrücken mag man da und dort eine andere Übertragung
wünschen, doch betrifft es stets nur Nebensächliches
. Hosse beginnt die Übersetzung ohne einleitenden
Worte, hat aber am Schluß alle Zitate der Schrift identifiziert
. Für diese Mühe sei ihm gedankt, und seine Übersetzung
als köstliche Gabe anerkannt- Der Verlag hat
ihr eine des Inhalts würdige Ausstattung gegeben.
Tettnang (Württbg.) Wilhelm Koch

Lang, Prof.Dr. Albert: Heinrich Totting von Oyta. Ein Beitrag
zur Entstehungsgeschichte der ersten deutschen Universitäten und
zur Problemgeschichte der Spätscholastik. Münster i. W.: Aschendorff
1937. (XII, 256 S.) gr. 8° = Beiträge zur Geschichte d.
Philos. u. Theol. d. Mittelalters. Bd. XXXIII, Heft 4/5. RM 11.50.

Albert Lang (früher in Regensburg, dann in München
, jetzt in Bonn Apologetiker als Nachfolger Arnold
Rademachers) hat sich bis jetzt durch zwei größere Werke
als guten Schüler M. Orabmanns und Kenner der
spätmittelalterlichen Geistes- und Problemgeschichte erwiesen
. Das erste der beiden Werke ist auch in dieser

i Zschr. (1926, 330/3 von L. Fendt) bekanntgegeben und
besprochen worden: Die loci theologici des Melchior
Cano und die Methode des dogmatischen Beweises
(München 1925). Das zweite Werk wurde in dieser

! Zschr. nicht angezeigt: Die Wege der ülaubensbegrün-
dung bei den Scholastikern des 14. Jhdts. (Münster

i 1930: Beiträge Bd. XXX, Heft 1/2). Das vorliegende
dritte größere Werk gilt nun einem dieser Scholastiker
des 14. Jhdts., dem zu Oyta im heutigen Oldenburg um

j 1330 geborenen Heinrich Totting, genannt von Oyta, der
zwei Doppelgänger hat, die Lang deutlich und endgiltig

! von ihm unterschieden hat. Die Arbeit Längs bezahlt
eine diesem, neben Heinrich v. Langenstein, Tiedeutend-
sten deutschblütigen Theologen des 14. Jhdts. schon
lange gebührende Schuld und kann als d i e in der Hauptsache
allen Anforderungen entsprechende Monographie
Tottings v. Oyta gerühmt werden. Der erste Teil beschreibt
sein Leben: seine Studien in Prag (er war einer
der ersten Studenten der neugegründeten Universität
Prag), seine Lehrtätigkeit in Erfurt und dann in Prag,
seinen durch eine Anzeige notwendig gewordenen Aufenthalt
am päpstlichen Hof in Avignon, seine Lehrtätigkeit
in Paris, dann wiederum In Prag und zuletzt an
der Universität Wien, der er mit Heinrich v. Langenstein
das geistige Gepräge gegeben hat bis zu seinem
Tod (20. Mai 1397). Der zweite Teil berichtet über seine
, größtenteils vorerst nur handschriftlich vorhandenen,
zum kleinsten Teil noch nicht gefundenen, überaus zahlreichen
theol. u. philos. Schriften, von denen Lang selber
zwei theologische, die quaestio de Scriptura und die
quaestio de veritatibus catholicis, erstmals gedruckt veröffentlicht
hat (Opuscula et textus- Series scholastica

, fasc 12 und fasc. 16, Münster, Aschendorff). Lang ver-