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Ausgabe:

1940

Spalte:

256-260

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Haacke, Walter

Titel/Untertitel:

Die Glaubensformel des Papstes Hormisdas im Acacianischen Schisma 1940

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 9/10

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alle großen allgemeinen Konzilien haben in den Formularen
73 und 85 einen Nachhall gefunden. Kap. 5 weist
„Parallelüberlieferungen" nach, Schriftstücke, die Anr
klänge an F. 73 und 85 des Liber diurnus aufweisen;
es sind päpstliche Glaubensbekenntnisse und sonstige
päpstliche Schreiben (Agatho, Gregor 1., Pelagius I.,
Vigilius, Gelasius I.), verschiedene Schriftstücke Kon-
stantinopolitaniseher und Alexandrinischer Herkunft, sowie
der lateinische Text des Chalcedonense. Kap. 6 gibt
eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und
den Versuch einer Rekonstruktion der Fides Romana
in der Gestalt von etwa 400.

Damit ist der Gedankengang des Buches, freilich
notgedrungen nur in ganz groben Linien, wiedergegeben, i
Die Ausführung, die von minutiöser Einzelarbeit, guter j
Kenntnis der naehnicänischen Jahrhunderte und großer
Kombinationsgabe zeugt, bringt eine Fülle von Einzelbeobachtungen
, Behauptungen, Vermutungen, mit denen
man sich nur in einer Gegenschrift, nicht in einer Rezen- i
sion im einzelnen auseinandersetzen könnte. Die Art
des Buches stellt an den Leser sehr erhebliche Anforderungen
; man muß es gründlich durcharbeiten. Je länger I
man sich freilich mit ihm beschäftigt, desto stärker wird
das Gefühl, daß man sich auf einem schwankenden Boden
bewegt. Dies Gefühl wird schon dadurch wachgerufen
, daß der Verfasser immer wieder (ich zähle 12 mal) I
zum vollen Beweis seiner Behauptungen auf spätere Ausführungen
seines Buches verweist (übrigens stets ohne !
Seitenangabe), ja in nicht weniger als sieben Fällen
auf künftig zu veröffentlichende Untersuchungen; solche
Wechsel auf die Zukunft wirken wenig beruhigend. Noch I
weniger vermögen manche Aufstellungen innerhalb der I
Quellenscheidung, die P. an F. 73 und 85 durchführt,
dem Leser ein Gefühl wirklicher Sicherheit zu geben. So !
ist es für mich garnicht überzeugend, daß die vom Verfasser
als vorchalcedonensisch angesehenen beiden Stücke |
73/85,46—132 wirklich Parallelen sind, ein ursprüng- |
lieh einheitliches, dann in zwei Zweige auseiuandertre- |
tendes Gebilde; der wirklich beweisenden Übereinstimmungen
gibt es m. E. keine, der Abweichungen so I
viele, daß es viel wahrscheinlicher sein dürfte, daß es j
sich um zwei unabhängig voneinander entstandene Konglomerate
handelt. Und läßt sich daraus, daß das zweite !
Schreiben des Cyrill an Nestorius in 85,107—118 eingearbeitet
ist, mit Sicherheit schließen, daß dieser Zusatz
im Jahre 432 gemacht sein müsse? Wie läßt sich erhärten
, daß F. 73, 17—44 einen älteren Text darstellt, in
den am 11. 11. 461 der Satz über das Chalcedonense
(73, 25—27) und der über Leo I. (73, 38—41) und {
nach dem Jahre 519 der Satz über Konstantinopel I
(73, 20—21) eingefügt sein soll? Stilistisch gesehen
wirkt der Abschnitt weit eher wie eine einheitliche, von
vornherein die vier ersten Synoden umfassende Konzep-
tkw (nur der Hinweis auf Konstantinopel II in 73,32
ist deutlich späterer Zusatz). Und so ließe sich mit Fragen
fortfahren. Sehr bedenklich erscheint auch, daß die
Geschichtsanschauung des Verfassers allzu stark durch
das Geschichtsbild der Constitutio de ecclesia vom 18. 7.
1870 bestimmt ist; der tatsächliche Einfluß des römi- I
sehen Bischofs auf die dogmatischen Kämpfe der alt- j
kirchlichen Zeit war erheblich geringer, als P. annimmt; I
daß man über diesen Punkt auch auf katholischer Seite
kritischer zu urteilen weiß, zeigt die sehr beachtenswerte
Rezension des Peitzschen Buches durch A 11 a n e r (Theo- j
logische Revue 1939, 304—306). Schon aus diesem |
Grunde können die Aufstellungen von P. für die Anschauung
der Dogmengeschichte nicht von so weittragender
Bedeutung werden, wie er selber erwartet, i
Vollends von Grund aus in Frage gestellt würde das
ganze Gebäude, das P. errichtet hat, wenn Moniberg !
Recht haben sollte (Theologische Revue 1939, 297—303).
In einem sehr lehrreichen Aufsatz über den Liber diur- j
nus bestreitet er mit sehr beachtlichen Gründen, daß !
dies Werk überhaupt den Charakter habe, den P. mit I
sehr vielen andern ihm zuschreibt, daß er nämlich ein |

wirklich verwendetes Formularbuch der päpstlichen Kanzlei
gewesen sei. Mohlberg leugnet dies auf das bestimmteste
; er weist den Liber diurnus in das 6. Jahrhundert
und nach Überitalien. Man kann gespannt sein, wie die
Diskussion weiter verlaufen wird.

Zum Problem des Filioque steht die protestantische Dogmengeschichtsschreibung
anders, als P. annimmt (S. 46); so sagt z. B.
Friedrich Loofs, DG 4 160, Anm. 8, die processio spiritus sancti e
patre filioque sei ,,im Abendland uralt"; er verweist auf Tert., adv.
Prax. 8. — Hinzuweisen ist noch auf Peitz' Bemerkungen zur Sym-
bolforschung (S. 74 f.) und die in verschiedenen Anmerkungen geführte
Polemik gegen E. Caspar.

Jena Karl Heussi

Haacke, Dr. Walter: Die Qlaubensformel des Papstes Hor-
misdas im Acacianischen Schisma. Rom: Univ. Oregoriana 1939.
(VIII, 152 S.) 8° = Analecta Gregoriana, cura Pontificiae Universitär
Grcgorianae edita. Vol. XX, Series Facultatis Theologicae, Sectio
B(n. 10). L. 20—.

Eine bittere Frucht des von Kaiser Zeno im Bunde
mit den Bischöfen Acacius von Konstantinopel und Petrus
Mongus von Alexandrien 482 erlassenen sog. He-
notikons war ein Schisma zwischen dem Osten und Rom,
das von 484 bis 519 dauerte. Beendet wurde es durch
die auf Befehl des Kaisers Justin I. und seines kirchenpolitisch
tatkräftigeren Neffen Justinian erfolgte allgemeine
Unterzeichnung einer Glaubensformel, die Papst
Hormisda aufgestellt hatte. Sie enthielt das Anathem
über Nestorius einerseits, Eutyches und Dioskur und ihre
Gefolgschaft, darunter Acacius, andererseits, und dieses
war umrahmt von Sätzen, die besagten, daß gemäß Mt.
16,18 auf dein apostolischen Stuhl die katholische Religion
stets unbefleckt bewahrt worden sei, daß auf ihm
die unversehrte und wahrhaftige und völlige Festigkeit
der christlichen Religion beruhe. Nun wurden dieses
acacianische Schisma, seine Hintergründe und treibenden
Kräfte, wie überhaupt die damit zusammenhängenden
Fragen in jüngster Zeit von E. Caspar in seiner Geschichte
des Papsttums 2 (1933) S. 10—192 und von Ed.
Schwartz in seiner Akademieabhandlung „Publizistische
Sammlungen zum Acacianischen Schisma" 1934 (s. darüber
diese Ztg. 1935, Sp. 117—121) umfassend und
gründlich behandelt. Einen einzelnen Abschnitt aus dem
,Kampf um Chalcedon', nämlich die von den Bischöfen
des Ostens auf Veranlassung des Kaisers Leo I. abgegebenen
Gutachten (Codex encyclius) v. J. 458 untersuchte
Th. Schnitzler 1938 (Anal. Greg. vol. XVI n. 7; vgl. diese
Zeitschrift Sp. 412). Die ülaubensformel des Hormisda
aber, die auch auf dem vatikanischen Konzil lebhaft erörtert
wurde, hat seit den mit diesem Konzil verknüpften
Kämpfen keine eingehende geschichtliche und theologische
Würdigung mehr gefunden. Diese Lücke will
Haacke mit seiner Arbeit ausfüllen.

Nach einer Einleitung über die Wertung der Formel im Lauf
der Kirchengeschichte und der Wiedergabe ihres Wortlauts auf Grund
der Überlieferungszcugen (1. Kap.) stellt er sie (im 2. Kap) in die
Reihe der Papstbriefe hinein. Zu diesem Zweck gibt er eine Zeitfolge
der einschlägigen Papstbriefe von Hilarus (H. schreibt Hilarius)
bis Agapjt, und er glaubt eine stattliche Anzahl davon als unecht
oder zweifelhaft bezeichnen zu müssen (S. 27—48). Hierauf schildert
er (im 3. Kap.) Ausbruch, Verlauf und Ende des acacianischen
Schismas. Im 4. Kap. trägt er seine von E. Schwartz und O.
Günther abweichenden Anschauungen über die Ursprünge der Vero-
neser und Berliner Sammlung und der Collectio Avellana vor. Da«
5. Kap. bringt eine geschichtlich-theologische Würdigung der Hor-
misdaformcl

Der wissenschaftliche Wert dieser aus der römischen
Schule Silva-Taroucas S. J. hervorgegangenen und O.
Rült S- J. zugeeigneten Schrift ist äußerst gering. Schon
die unbeholfene, schwerfällige, teilweise schludrige, teilweise
geradezu fehlerhafte Sprache fällt unangenehm auf.

S. 28: ,,Folgende Briefe erscheinen mir als spuria betrachtet werden
zu müssen." S. 65: ,,Der Gegensatz war um so stärker geworden
, obgleich u. s. w." S. 109: „Das Urteil Leos vom Real - Monophy-
sismus [solj" S. 127: „in der unvermittelnden Form der Disziplinarbriefe
." S. 54: „In einem absolut regierten Staat ist es dann
schwer, ohne den Herrscher oder mit ihm über die Korruption hinweg