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Ausgabe:

1940

Spalte:

251-252

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Premerstein, Anton von

Titel/Untertitel:

Alexandrinische Geronten vor Kaiser Gaius 1940

Rezensent:

Vogt, J.

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251

Theologische Literaturzeitun? 1940 Nr. 9/10

252

KIRCHENGESCHICHTE: SPÄTANTIKE

Pretnerstein, Anton von : Mitteilungen aus der Papyrussammlung
der Gießener Universitätsbibliothek. V: Alexandrinische
Geronten vor Kaiser Gaius. Ein neues Bruckstück der sogenannten
Alexandrinischen Märtyrer-Akten (l bibl. univ. Qiss. 46), bearb.
Gießen: Münchowsche Univ.-Druckerei Otto Kindt 1939. (IV, 71 S.,
3 Taf.) gr. 8° = Schrift, d. Ludw.-üniv. z. Gießen, Jahrg. 1936.

Als alexandrinische Märtyrerakten bezeichnet man
seit A. Bauer die volkstümlichen Schriften des alexan- !
drinischen Griechentums, in denen Vorkämpfer der Griechenstadt
in ihren Konflikten mit den römischen Kaisern j
als politische Märtyrer verherrlicht werden. Oft hat die
Judenfrage Anlaß zu solchen Konflikten gegeben. Daß
den Zusammenstößen aber auch innergriechische Angelegenheiten
zugrunde liegen konnten, zeigt das in der
vorliegenden Schrift herausgegebene und erläuterte neue !
Bruchstück dieser Schriftengattung. Es handelt sich um
einen von C. Schmidt erworbenen, 1928 in den Besitz !
der Gießener U. B. gelangten Papyrus, genauer um acht,
zum Teil ganz kleine Bruchstücke, deren Zusammenge- |
hörigkeit schon durch die Besonderheiten des Schreib-
stotts und der Schrift erwiesen werden konnte. H. Eber- I
hart gibt eine genaue Abschrift des Textes, den er nach
den Schriftzügen in den Anfang des 3. Jahrhunderts
n. Chr. setzt. Drei Kupfertiefdrucktafeln vermitteln ein
Bild von dem trostlosen Zustand des Papyrus. Daß aus ,
diesen Bruchstücken wieder ein Ganzes wurde, ein zu-
saimmenhängendes Stück mit sehr bedeutsamen neuen
Angaben über Alexandria und seine Beziehungen zum j
Rom der frühen Kaiserzeit, ist die bewundernswerte Leistung
von A. von Premerstein, dein wir seit vielen Jah- |
ren die wertvollsten Beiträge zur Kenntnis dieses Schrift- j
tums verdanken. Aus dem reichhaltigen Nachlaß, der !
sich bei seinem allzu frühen Tod vorfand, hat K. Kalbfleisch
mit größter Sorgfalt das Manuskript herausgegeben
, das die Ergänzungen und den Kommentar zu dem j
Gießener Papyrus enthält. Der Leser, der mit dem hier '
berührten Fragenkreis einigermaßen vertraut ist, findet j
in der Lesung und Ergänzung des Textes von P., in dieser
einzigartigen Verbindung von Gelehrsamkeit und j
Scharfsinn, ein geradezu fesselndes Meisterstück vor.

Der Text, dessen entscheidende Teilstücke leidlich
feststehen, erzählt zunächst von einer Verhandlung vor
dem Kaiser Gaius Caligula über die Frage, ob den
Alexandrinern die Gerusia von 173 Mitgliedern, die von I
der Versammlung der 180 000 Bürger bereits gewählt
wurde, bewilligt werden soll. Nach einer Lücke hören
wir dann, daß eine Abordnung dieser Geronten sich nach
Rom begibt und sich dort längere Zeit um eine Audienz
beim Kaiser bemüht; von einem cubicularius des Tiberfus
Gemellus erfährt sie, daß dieser von Caligula adoptierte j
Prinz eben durch eigene Hand gestorben ist. Darauf [
folgt ohne Übergang die Audienz bei Caligula. Der An- '
walt der Alexandriner legt in herausfordernder Rede die
seit 630 Jahren bewährte Loyalität der Alexandriner
gegenüber den Königen dar und wird darauf von Caligula
der herbeigerufenen Wache übergeben. Dann äußern i
sich drei der alexandrinischen Abgeordneten über die
ihnen zuteilgewordene Behandlung. In diesem kritischen
Augenblick wird die Wendung herbeigeführt durch die
Feststellung, daß der Ankläger kein echter Grieche
und damit zu der Klage gar nicht befähigt ist. Der Kaiser
befiehlt, ihn zu brennen. Er richtet dann an die
Alexandriner einen Brief, in dem er ihnen Vorwürfe
über ihr Verhalten macht und die Gerusia verbietet. Der
Schluß berichtet über Vorgänge in Alexandria.

Diesen Text stellt P. in eindringender Untersuchung
mitten hinein in die durch frühere Texte dieser Gattung
und durch Philon bekannte Geschichte der Beziehungen
zwischen den Alexandrinern und dem Kaiser Gaius. Die ,
Angabe von dem (durch den Kaiser erzwungenen, im i
November oder Dezember 37 erfolgten) Selbstmord des
Tiberius Gemellus ermöglicht ihm die Datierung des i
Empfangs der Geronten um die Wende 37/8. Bald nach !

dem Regierungsantritt des Gaius im März 37 haben die
Alexandriner offenbar eigenmächtig eine Gerusia als
behördliche Körperschaft gewählt, worüber es in ihren
eigenen Reihen zu Zusammenstößen kam. Sie haben
dann durch eine Abordnung der Gerusia ihre Sache vor
dem Kaiser gegenüber einem Ankläger vertreten lassen,
aber trotz der Bestrafung des Anklägers ein ausdrückliches
Verbot der Gerusia erhalten. Von besonderem
Interesse ist die doch wohl gesicherte Angabe, daß die
Gerusia von 180 000 Bürgern gewählt wurde. P. glaubt,
daß diese außerordentlich hohe Zahl von Vollbürgern,
der eine bürgerliche Gesamtbevölkerung von ca. 540 000
Köpfen entsprechen würde, durch Einschreibung der
vielen zu Beginn der Kaiserzeit in Alexandria eingewanderten
Hellenen in die Vollbürgergemeinde zu erklären
sei und bringt die Festsetzung der Bürgerzahl auf 180 000
mit dem „seit Augustus kräftig geförderten Gedanken
einer besonderen staatsrechtlichen Stellung der hellenischen
Nation" in Verbindung. Der Hinweis des Anwalts
der Alexandriner auf die seit 630 Jahren bewährte Treue
der Griechen in der Stadt findet eine überraschende
Erklärung in dem Umstand, daß nach einer Angabe
Strabons (XVII 1, 6, S. 792 C.) die Niederlassung griechischer
Söldner auf der Höhe von Rhakotis, der Keimzelle
des späteren Alexandria, auf die saitischen Könige
zurückgeht. Nimmt man die Angabe des Papyrus wörtlich
, so kommt man auf das Jahr 593 als den Beginn
einer griechischen Siedlung an der NW-Spitze des Deltas.

Wie man sieht, enthält der Text eine Reihe historisch
glaubhafter Angaben, daneben allerdings auch freie
Erfindungen; seinem literarischen Charakter nach gehört
er zu dem von P. schon früher wahrscheinlich gemachten
ausführlichen Werk, das in kaiserfeindlicher Tendenz die
Konflikte der Alexandriner mit Rom darstellte und wohl
um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert entstanden
ist. So haben die früheren Forschungen des hochverdienten
Gelehrten durch den neuen Fund mannigfache
Bestätigung erhalten.
Breslau J. Vogt

Cirlot, Felix L.: The Early Eucharist. London: Society for Pro-
moting Christian Knowledge 1930. (X, 268 S.) 8°. 12 s. 6 d.

Die Frage nach dem Ursprung und den ersten Entwicklungsstufen
der Eucharistie gehört zu den schwierigsten
Problemen der Geschichte der alten Kirche und ist
schon oft untersucht worden. Insbesondere hat sich die
liturgiegeschichtliche Forschung der letzten 20 Jahre mit
großem Eifer an der Lösung dieses für die Geschichte
des Christentums so eminent wichtigen Fragenkreises
versucht. Eine große Anzahl von Arbeiten haben von
den verschiedensten Seiten aus Beiträge zu einzelnen
Problemen wie auch zu der gesamten Geschichte der
Eucharistie geliefert. Grundlegend für die weitere Arbeit
auf diesem Gebiet wurde Lietzmanns Buch „Messe
und Herrenmahl" (1926). Hier wurden alle liturgischen
Quellen genau untersucht und auf 2 Typen zurückgeführt
. Die Anfänge des Abendmahls sowie seine weitere
Entwicklung lassen sich klar aus dieser Untersuchung
erkennen. Gegen die Ergebnisse Lietzmanns wurde vor
allem von O. Casel (im Jahrbuch für Liturgiewissenschaft)
Widerspruch erhoben, insbesondere gegen die Annahme
der zwei verschiedenen Typen von Abendmahlsfeiern
in der ältesten Zeit Auch in den Fragen der späteren
Abendmahlsanschauungen, wie sie sich in den Epiklesen
oder den Opfergebeten ausdrücken, gehen die beiden
genannten Forscher auseinander. Es bleiben auf diesem
Gebiet eine Menge Fragen, die noch der Lösung harren.

Das hier zur Besprechung vorliegende Buch will nun
eine Übersicht über die Probleme und eine Lösung der
angedeuteten Fragen geben. Der Verfasser geht aus
von der jüdischen Grundlage der Eucharistie. Das letzte
Mahl Jesu war kein Passah-Mahl, sondern eine Ha-
burah. Im nächsten Kapitel wird die Agape und ihre
Stellung zur Eucharistie behandelt. Danach gibt der Verfasser
einen Überblick über die erste Entwicklung der