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Ausgabe:

1940

Spalte:

239-240

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Stein, Bernhard

Titel/Untertitel:

Der Begriff Kebod Jahweh und seine Bedeutung für die alttestamentliche Gotteserkenntnis 1940

Rezensent:

Rost, Leonhard

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239

Theologische Literaturzeiiung 1940 Nr. Q/lO

240

In diesem Falle würde es sich dann bald zeigen, daß die Vorstellungen
des Menschenparadieses und des Göttergartens, die der Verf. sauber
trennen will, sich dazu schwerlich eignen, wie er ja selber an
einigen Stellen zugeben muß. — Überhaupt läßt die Arbeit in phänomenologischer
Hinsicht etwas zu wünschen, wie z. B. aus der recht
unzulänglichen Behandlung des sog. ätiologischen Mythus hervorgeht.

Als Wiedergabe und Kommentar sich auf eine der wichtigsten
orientalischen Vorstellungen beziehender Texte hat das Buch hervorragenden
Wert. — Der Verf. stellt eine Fortsetzung in Aussicht,
die auch die spätsemitischen Quellen, vom Spätjudentum bis zur
klassischen Zeit der arabischen Literatur, bringen soll.

Groningen G. van der Leeuw

ALTES TESTAMENT

Stein, Dr. Bernhard: Der Begriff KcBOD JAHWEH und seine
Bedeutung für die alttestamentliche Gotteserkenntnis. Emsdetten
i. W.: Heinr. u. J. Lechte 1939. (XXII, 366 S.) gr. 8°. RM 12—.

Die umfangreiche Dissertation will den Begriff keböd
Jahwe (KJ) neu erfassen- Zu diesem Zweck untersucht
sie nach einer kurzen Einleitung in 3 großen Teilen
sämtliche Stellen, an denen der Begriff dem Wortlaut
oder dem Sinne nach vorliegt. Die Teile behandeln nacheinander
1. den KJ der historischen Vergangenheit („historischer
" KJ), worunter in der Hauptsache Texte aus
dem Pentateuch und aus verwandten hymnischen Stücken
fallen, 2. den KJ in der Natur („natürlicher" oder „kosmischer
" KJ) an Hand von Psalmentexten, 3. den KJ der
prophetischen Zukunft („prophetischer" KJ) an Jesaia,
Habakuk, Haggai, Sacharja und verwandten Psalmen
und schließlich Ezechiel, während ein 4. Teil die Schlußsynthese
bringt- In ihr werden nach einer Gesamtcharak-
teristik des biblischen KJ, die unter anderem den prophetischen
KJ als organische Fortentwicklung des historischen
KJ und die Eigenständigkeit des kosmischen KJ
herausstellt, Beziehungen zwischen KJ, Königtum Jahwes
und Eschatologie aufgewiesen und die Stellung des
KJ innerhalb des Wortsippe -as untersucht.

So wird ein reiches Material — das Stellenregister
umfaßt 13 dreispaltige Seiten! — ausgebreitet, geordnet,
beurteilt. Der katholische Verfasser bemüht sich, der
Literarkritik einigermaßen Rechnung zu tragen, ohne
freilich dank seiner These, daß wesentliche Veränderungen
in der Auffassung des KJ im AT- nicht vorliegen,
zu einem literargeschichtlichen Aufbau zu kommen.

Die biblisch-theologische Untersuchung wird unter
Anwendung einer neuthomistischen Terminologie und
unter nicht ganz seltener Verwendung von Werturteilen
durchgeführt. Für letztere Feststellung ein Beispiel:
S. 289 wird untersucht, ob Ezechiel sein KJ-Erlebnis im
mystischen Zustand des Raptus gehabt habe, diese Möglichkeit
aber mit folgenden Worten abgelehnt: „Demi
mag man der Lebendigkeit seiner Phantasie auch noch
so viel zugute halten, eine derartig bis ins kleinste gebende
Ausmalung ist eines tatsächlich im Zustand des
Raptus gehabten, rein geistigen Erlebnisses doch wohl
unwürdig." Nach verschiedenen Zwischendefinitionen des
KJ, in denen vor allem versucht wird, seine Unterschie-
denheit von der Wolke und ähnlichen sinnlichen Erscheinungen
zu sichern, wird abschließend erklärt (S. 334):
„So ist denn der KJ des Gottkönigs Majestät in ihrer
Manifestation." Unterbaut wird diese These durch die
Feststellung, daß nach Sellin und Buber Jahwe sein Göll
königtum in der Sinaitheophanie angetreten habe. Diese
Sinaitheophanie sei eine Erscheinung des KJ. Aber der
Antritt des Gottkönigtums Jahwes am Sinai ist eine in
den Texten unbegründete Hypothese, die auch analogielos
wäre, da Königtum und Gottkönigtum im alten vorderen
Orient an das Vorhandensein fester Siedlungen,
zum mindesten einer Hauptstadt gebunden sind, nirgends
jedenfalls den Wüstenstäminen der Beduinen zugeschrieben
werden, wohl aber zuerst anscheinend auf phönizi-
schem und kurz danach auf südarabischem Boden belegt
sind- Ein wenig mehr Aufgeschlossenheit für die
Religionsgeschichte und Geschichte des alten vorderen

Orients wäre in der Untersuchung nicht nur hier von
Vorteil gewesen.

Greifswald Leonhard Rost

JUDENTUM

Meyer, Rudolf: Hellenistisches in der rabbinischen Anthropologie
. Rabbinische Vorstellungen vom Werden des Menschen. Stuttgart:
W. Kohlhammer 1937. (IX, 152 S.) gr. 8° = Beiträge zur Wissenschaft
vom Alten und Neuen Testament, hrsg. v. A. Alt u. G. Kittel
. 4. Folge, Heft 22. RM 10.80.

Bei der Spärlichkeit derartiger rcligionsgeschichtli-
cher Spezialuntersuchungen zur rabbinischen Literatur
aus christlicher Feder begrüßt man eine Arbeit wie die
vorliegende besonders. M. untersucht, mit soliden Kenntnissen
ausgerüstet, die rabbinischen Vorstellungen vom
Werden des Menschen, und zeigt an diesem begrenzten

i Stoff, in wie mannigfaltiger Weise die rabbinische Gedankenwelt
von hellenistischen Vorstellungen beeinflußt
war — ein Tatbestand, auf den besonders der verstorbene
A. Schlatter immer wieder hingewiesen hatte. Methodisch
geht M. so vor, daß er in erster Linie Philo zum

! Vergleich heranzieht und die vielfachen Berührungen
zwischen seiner von platonisch-stoischen Gedanken bestimmten
Anthropologie und der rabbinischen herausstellt
.

Es ist namentlich ein dem A.T. fremder, zwischen
Leib und Seele scheidender Dualismus, der die rabbinischen
Aussagen über das Werden des Menschen bestimmt
- Wenn das Gebot der Elternverehrung damit
begründet wird, daß sie neben Gott, dem Schöpfer der
Seele, an der Entstehung des Menschen beteiligt sind;
wenn die Seele mit dem Salz verglichen wird, das das
Fleisch vor Verwesung schützt; wenn die Seele als präexistent
gedacht wird; wenn das vorgeburtliche Stadium
in das religiöse Denken einbezogen wird (Belehrung des
nasciturus über das Gesetz) — so sind das alles und anderes
mehr Gedanken und Vorstellungen, die aus der
zeitgenössischen eklektischen Philosophie stammen. Ein-
zelbeobachtungen weisen darauf hin, daß Ägypten bei
der Vermittlung des griechischen Gedankengutes besonders
beteiligt war.

Gelegentlich freilich entnimmt M. den rabbinischen Texten mehr,
als sie sagen. Wenn b. Sota 30 b Bar. gesagt wird, daß am Schilfmeer
auch die Säuglinge das Loblied Ex. 15, 1 ff. anstimmten, so
ist das lediglich eine Anwendung von Ps. 8, 3 („Aus dem Munde von
' Unmündigen und Säuglingen hast du dir [nach dem Midrasch:
Ruhm] zubereitet"! auf Ex. 15,1, die durch das Wiederkehren der
I Vokabel in Ex. 15,2 veranlaßt ist. Die Annahme von M., dal!

dieses Gotteslob der Säuglinge am Schilfmeer die (in späteren Texten
j begegnende) Vorstellung eines religiösen Unterrichts im embryonalen
Stadium voraussetze (S. 85), ist durch nichts begründet. — b. Men.
[ 99 b heißt es: „Das Gesetz ist in 40 Tagen gegeben worden, und die
| Seele wird in 40 Tagen gebildet". Oen. R. 32 zu Oen. 7,4 wird die
I 40-tägige Dauer des Sintflutregens folgendermaßen erklärt: „Sie haben
[ das Bild, das während 40 Tagen gegeben wurde, geschändet, darum
(dauerte der Regen) 40 Tage und 40 Nächte". M. findet an diesen
beiden Stellen die — in der rabbinischen Literatur sonst nirgendwo
] bezeugte — Auffassung der innerweltlichen Entstehung der Seele aus-
i gesprochen und stellt Übereinstimmung mit dem griechischen Materialismus
fest, wobei nur an Stelle der „Natur" Jahwe als Oestalter
1 der Seele zu denken sei (S. 46). Aber an beiden Stellen wird ledig-
j lieh der auch sonst geläufige Satz (z. B. Nidda 3,7) ausgesprochen,
daß der Embryo erst am 41. Tage menschliche Qestalt besitze. Über
j den Ursprung der Seele ist nichts gesagt. Daß die Seele b. Men. 99 b
I an der 40-tägigen Bildung (rrTy) des Embryo passiv beteiligt ist,
ist auch mit der (sonst in tannaitischer Zeit allgemein herrsehenden
[Ber. 6,8 u.ö.]J kreatianischen Auffassung der Entstehung der Seele
] vereinbar, da zur „Seele" z. B. auch der Oesichtsausdruck (b. Nidda
31 a Bar.) gehört. Mit dem griechischen Materialismus haben also beide
Stellen, b. Men. 99 b und Oen. R. 32 zu 7,4, nichts zu tun. —
Besonders aber erheben sich Bedenken gegen die Behauptung M.s, daß
sich in der rabbinischen Literatur schon bei Hillel d. Alt. die Vorstel-
i lung einer himmlischen Präexistenz der Seele finde (S. 49). Das bekannte
Gleichnis Hillcls von der „armen Seele" als dem „Oast im
Leibe" (Lev. R. 34,3 zu Lev. 25,39) besagt nur, daß die Seele
! göttlichen Ursprungs ist und nach dem Tode fortlebt (so auch A.
| Schlatter, Die Theologie des Judentums nach dem Bericht des Josefus,