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Ausgabe:

1940

Spalte:

216-217

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Predigt im Kriege 1940

Rezensent:

Langner, Erwin

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215

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8

Diese Voraussetzung könnte allerdings selbst wieder als geistesge-
schiclvtlich bedingt erwiesen werden, wenn nicht L. die wagende Ent- ;
Scheidung als eine der beiden Grundlagen der christlichen Substanz bezeichnet
hätte. Die Kürze eines Vortrages zwang L., auf wünschens- i
werte Weiterungen, besonders für die Theologie des 19. Jhrdt. zu
verzichten oder auch für die parallelen Entwicklungen in der Ethik,
Ästhetik und Philosophie.

Eupen (Belgien) H e n n i g j

Meyer, Dr. Hans: Thomas von Aquin. Sein System u. seine geistesgeschichtliche
Stellung. Bonn: Peter Hanstein 1938. (XII, 641 S.)
40_ RM 16—; geb. RM 18.50. |

Was Martin Grabmann mit seiner „Einführung in
die ... Gedankenwelt des Thomas von Aquin" (G 1935)
nur einmal skizziert, und was Hans Meyer selber in seiner
Schrift „Die Wissenschaftslehre des Thomas v. A."
(1934) begonnen hat, das ist im vorliegenden stattlichen
Werk ausgeführt und vollendet worden: eine Darstellung
des philosophischen — nicht theologischen — Geisteswerks
(Systems) des Aquinaten und eine Zeichnung
seiner Stellung in der Geistesgeschichte, verwoben mit
einer Kritik von Beidem, die in einem Schlußabschnitt
(571_605) kurz und treffend zusammengefaßt wird.
Im Unterschied von Grabmanns genannter Schrift wird
auf die Persönlichkeit des Thomas und sein Leben nicht
weiter eingegangen (S. 59—63); seine wichtigsten Lebensdaten
und seine literarischen Werke werden aufgezählt
(S. 606—610). Meyer, ein Schüler G. v. Hertlings
und nach R. Stölzles Tod (1921) Ordinarius des konfessionellen
Philosophie-Lehrstuhls in Würzburg, hat sich
mit Aristoteles und Thomas schon früher viel beschäftigt
und war daher bereit, das philosophische Geisteswerk
des Thomas historisch-systematisch darzustellen
und zu beurteilen. Seit Eugen Roifes' Schrift „Die Philosophie
von Thomas v. A." (1920: Philos. Bibliothek
Meiner, Band 100) ist in deutscher Sprache eingehender
keine Monographie über dieses Thema mehr erschienen.
Durch Meyer haben wir jetzt das deutsche Parallelwerk
zur französischen Monographie von A. D. Sertillanges
tS. Thomas d'Aquin, 2 Bde., Paris '1925; ins Deutsche
übersetzt von Rob. Grosche 1928) erhalten. Und
das Werk macht dem deutschen Namen in der Philosophiegeschichte
Ehre. Es verrät gründliche Kenntnis des
Schrifttums, seiner Quellen und seiner Eigenart; im 1.
Teil des Ganzen wird darüber gehandelt. Es ist übersichtlich
und klar: meisterhaft wird die ganze Wirklichkeit
dem Aufbau durch Thomas nachgebaut: das Einzelding
in seiner Struktur aus Materie und' Form, Potenz
und Akt; die Wesenheit und das Dasein des Einzeldings;
Substanz und Akzidentien der Dinge; Begriff und Eigentümlichkeiten
des Seins (Analogie und Transzendentalien
) ; nach dieser Ontologie erstehen vor uns die verschiedenen
Seinsformen: die Körperdinge, die Lebewesen
auf Erden, einschließlich Mensch (philos. Anthropologie
), die Himmelskörper, die geschaffene reine Geisterwelt
, Gott als Abschluß des Weltganzen; ein dritter Abschnitt
des zweiten oder Hauptteils handelt von Werden
und Veränderung, Entstehen und Vergehen der Dinge;
der große und zugleich Schlußabschnitt läßt die Welt
von des Thomas Lieblings-Gesichtspunkt aus, vom Gesichtspunkt
der „Ordnung" aus, vor uns erscheinen: die
Ordnung im Weltall überhaupt, die Ordnung in der Erkenntnistätigkeit
des Menschen (Noetik!), die Ordnung
in der Willenstätigkeit (Sittlichkeit) des Menschen (In-
dividual-Ethik), die Ordnung im Gemeinschaftsleben des
Menschen (Sozial-Ethik). Man vermißt nur eine kurze
Ästhetik. Im übrigen ist das Werk Meyers erschöpfend.
Und alle wesentliche Literatur ist darin berücksichtigt.
Die Kritik ist wohlerwogen und gemessen, durchaus gerade
und freimütig (vgl. besonders das Urteil über des
Thomas Einschätzung der Frau: S. 233/35). Die Sprache
ist edel und auch dem Nicht-Fachmann unter den Gebildeten
wohlverständlich. Für die Kenntnis der mittelalterlichen
Geistesgeschichte und ihrer Fortsetzung (letztere
wird S. 599—605 kurz, aber sehr bündig aufgezeigt)
ist Hans Meyers Thomas-Werk künftig unentbehrlich.

Nur auf wenige der seltenen Verschen möchte ich noch hinweisen::
Der Name Rudolf v. Jherings ist nur S. 615 u. 627 richtig, sonst
immer unrichtig gedruckt; S. 63 2 lies „Aristotelismus"; S. 821 lies
Bihliotheque; der Name Paukapalea ist mehrmals (z. B. 520 3) int
Druck mißlungen; der S. 625 genannte „Bauer L." ist derselbe wie
„Baur" (letztere Schreibung gilt); das Literatur-Verzeichnis sollte in
Nennung der Vornamen und Erscheinungsdaten etwas genauer sein..
Daß auch Meyer stets von „thomistischer" Philosophie und „Tlwmi-i-
mus" redet, damit werden viele Theologen nicht einverstanden sein;
diese Theologen reden von „thomasischer" Philosophie (lt. Theologie)
und verstehen unter „thomistisch" und „Thomismus" eine bestimmte
Deutung der genuinen („thomasischen") Philosophie und Theo! >gie
des Aquinaten.

Tettnang (Württbg.) Wilhelm Koch

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Predigt im Kriege, Vierzehn Predigten aus dem Beginn des Krieges.
Herausgegeben von D. Erich Stange. Dresden: C. L. Ungelenk
1939. (50 S.). RM 1.60.
Als erste Veröffentlichung des hoiniletisch-kateche-
tischen Archivs — Leitung D. E. Stange — wird eine
Predigtsammlung .Predigt im Kriege' vorgelegt. Mit
ihr wird der Verkündigung ein wertvoller Glaubensdienst
erwiesen; denn die Kriegspredigt ist uns vom letzten
Kriege her ungelöst überantwortet worden. In der neuen
Kriegssituation befindet sich unser Glaube in noch
schwierigerer kirchlichen Lage. Es wird auf die Vollmacht
ankommen, in der er sich auszuweisen vermag.

Die Auswahl der Prediger berücksicht die verschiedensten
Landschaften, sie stammen meistens aus den
großen Städten, leider nur ein Dorfpfarrer darunter,
ohne allerdings als typischer Vertreter des Landes /u
erscheinen. Als ihr Durchschnittsalter errechnete ich
50 Jahre. Es handelt sich also, und diese Feststellung
j ist nicht belanglos für die Lösung der Aufgabe, meist
um solche, die schon während des letzten Krieges
gepredigt hatten, vielleicht selbst als Kämpfer beteiligt
gewesen waren.

Es ist eine Neubesinnung des Glaubens gegenüber
der letzten Kriegspredigt, die als offensichtliches Versagen
hingestellt wird. Hier spielt eine Nachkriegsmeinung
hinein. Ich komme aufgrund eigener Forschung
über das religiöse Kriegserlebnis — cfr. .Deutscher
Frontkämpferglaube, 1935 — trotz starker Kritik nicht
ZU dieser selbstverständlichen Voraussetzung. Die Ur-
| teile innerhalb der Kriegsliteratur sind im Ganzen ge-
I genüber den Kriegsgottesdiensten und deren Predigten
! doch viel günstiger, als man meistens annimmt.

Wir analysieren einige besonders hervortretende Gesichtspunkte
dieser neuen Kriegspredigt.

Die alttestamentliche Predigt ist acht mal vertreten I Dieses auffallende
Übergewicht entspricht auch der Neigung der letzten Kriegspredigt
, für die gläubige völkische Geschichtserfahrung alttestamentliche
Vorbilder zu suchen (grundsätzlich von Ricarda Huch ,l)cr Sinn
der heiligen Schrift', 1919, durchgeführt!). Aber ist diese ülaubens-
deutung heute noch möglich? Bietet sie nicht vielmehr eine Erschwerung
gegenüber jeder Glaubensbegegnung? In der Durchführung tritt
freilich der at.-Geschichtsvorgang zurück. Das Qlaubcnswort wird
weniger at.-religiös, auch nicht religionsgeschichtlich verstanden, sondern
mehr nach seinem inneren ülauhensklang als Olaubenswort. Nur
zweimal wird es geschichtlich genommen, wirkt dann aber sofort hctn-
( mend. So etwa , wenn das Kriegsopfer am Abrahams >pfer
religiös gedeutet wird , was übrigens nicht gelingt , sondern
I erst vom Kreuz und von Ostern her geschehen kann. Die homiletische.
Besprechung des Abrahamsopfers bei E. Hirsch — ,Das Alte Testament
und die Predigt des Evangeliums' — wird leider nicht beachtet.
Auch stilistisch eine schwere Zumutung, dem heutigen Menschen 27 mal
' in einer, zumal kurzen Predigt den Namen Abraham einprägen zu
| wollen, ohne auch nur einmal Christus zu nennen. — Es ist glaubens-
; psychologisch auch nicht glücklich, gerade von Josua her (,>)) das
Olaubensbild des tapferen Mannes anschaulich zu machen; aber
j der Olaubensgehalt dieser Predigt ist viel reicher, gerade weil da»
at-Wort weniger geschichtlich durchgeführt, als aus den eigenen Imponderabilien
eines reinen Olaubcnswortes verstanden wird: Wahre
| Tapferkeit erst in der Glaubenshaltung eines Mannes, der im Ange-
| sieht Gottes seines Weges gewiß wird; er weiß um Oottcs Plan, er
| handeR im Oehorsam, er lebt in der Oewißhcit der Verheißung! Wci-
' tere Olaubensmotive dieser, nicht alttestameutlich verstandenen, rcinea