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Ausgabe:

1940

Spalte:

209-210

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Keiter, Friedrich

Titel/Untertitel:

Rasse und Kultur 1940

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Seite 1

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209

Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8

210

finden. Dies deshalb, weil Jesus die „Identität von
Wahrheit und Leben" verkündet, lebt und in den Tod
dafür geht. Hier wird für Nietzsche Christentum allein
realisiert. Diese Möglichkeit ist aber auch heute vorhanden
und kann ergriffen werden.

So schließt der erste Teil der Untersuchung mit einer :
Befreiung Jesu von der Geschichte des Kirchenchristen-
tums, das Nietzsche als Produkt eines fortschreitenden
Abfalls der Jünger Christi von ihrem Meister sieht.

Im zweiten Teil seines Buches stellt Benz die Oe- J
Schichtstheorie Nietzsches und seine positiv erkannte
Möglichkeit einer Verwirklichung des Christentums in
Parallele zu Männern wie Tolstoj, Dostojewskij, Bruno
Bauer, Lagarde, Overbeck und dem deutschen Spiritualismus
. Doch die Parallele ist wie Benz klarlegt nur J
eine äußere, sowohl was die Geschichtstheorie als auch
was die Verwirklichungsmöglichkeit des Christentums )
angeht, die in Nietzsche lebt-

Aus der Verflochtenheit der Ideen Nietzsches über
den Ursprung und die Geschichte des Christentums mit
den Tendenzen der obengenannten Männer, scheidet
Benz Nietzsches originalen und positiven Beitrag zur
Verwirklichung einer neuen Form christlichen Lebens und
Denkens aus. Dadurch ist der Höhepunkt der Arbeit erreicht
.

Benz weist 4 originale Aspekte Nietzsches auf.
1. Nietzsche macht einen Schlußstrich unter die Leben-
Jesu-Forschung des 19. Jahrhunderts, indem er die Frage
nach Jesus neu stellt, als Frage nach dem geschichtlichen
Typus, seiner seelischen Haltung und der Abgrenzung
gegenüber seiner Umwelt. 2. Nietzsche hat dem
Christentum seiner Zeit „die bequeme Möglichkeit geraubt
, sich hinter die traditionellen Formeln und Glau-
bensdefinitionen des Neuen Testaments zurückzuziehen".
Denn „er hat rücksichtslos auf die ungeheure Distanz
hingewiesen, die gerade den heutigen Theologen von
dem trennt, dessen Verkündigung bereits in der Theologie
der ersten Gemeinde verschüttet und überdeckt wurde
". 3. Nietzsche „verlangt vom Christen nicht die künstliche
Aneignung einer Sumune von historisch verjährten
Glaubenslehren und einer Gesinnung, deren Inhalt ein I
Anachronismus ist, sondern die Verwirklichung einer j
jesuanischen Lebenshaltung". 4. Indem Nietzsche die
„heilige Lüge" der Theologen aufdeckt, zwingt er einmal
die Christen zur Wahrhaftigkeit, verhinderte aber auch,
„daß die Feinde der Kirche zu Feinden der Religion
Überhaupt wurden".

Benz' Buch ist nicht nur eine hochwertige wissenschaftliche
Leistung, sondern es ist ebenso aktuell, J. h.
es ist eine Hilfe in dem gegenwärtigen religiösen Suchen
innerhalb unseres Volkes- Die Tendenz dieser Suche zielt
dahin, daß wir eine Frömmigkeit ablehnen, die nicht im ;
Leben einlösbar ist, daß wir uns den Weg zu Jesus nicht
mehr versperren lassen wollen durch eine museale Kir-
cht mit ihren Antiquitäten, die die Gottgebundenheit im
Dogma und in der „reinen" Lehre festhalten. Auch wir
wollen von den papierenen Bekenntnissen weg zu einer
Darstellung des jesuanischen Lebens gelangen. Wir müssen
die religiöse Atmosphäre reinigen. Das Verständnis
Nietzsches, wie es Benz uns anbietet, ist ein erster Schritt
dazu.

Heidelberg Th. Odenwald

Kelter, Dozent Dr. phil. et med. Friedrich: Rasse und Kultur.
Eine Kulturhilanz der Menschenrassen als Weg zur Rassenseelen-
kundc. I. Band: Allgemeine Kulturbiologie. (XI, 298 S., 17 Abb.)
gr. 8°. II. Band: Vorzeitrassen und Naturvölker. (IX, 334 S., 13g
Abb.). Stuttgart: Ferd. Enke 1938. I. RM 14-; II. RM 17.40.
Da die Frage „Rasse und Kultur" eigentümlich zwischen
den Fakultäten schwebt, ist es das Anliegen des
Verfassers, für die Aufgabe einer biologischen Kulturdeutung
eine einheitliche Erkenntnisgrundlage zu schaffen
. Indem sich der Naturwissenschaftler hier beispielgebend
mit dem Material und den Methoden der Geisteswissenschaften
auseinandersetzt, gewinnt er tatsächlich
eine Methodologie, welche befähigt, die verschiedenen
Gesichtspunkte zu würdigen und fruchtbare Gemeinschaftsarbeit
zu leisten. Es ist naturgemäß unter
unserem Gesichtswinkel unmöglich, dem Gedankenreichtum
des Werkes gerecht zu werden. Hervorhebung verdient
aber einmal seine Stellungnahme gegen die völkerpsychologische
Schule, die dem Naturvolkmenschen ein
grundsätzlich anderes Seelenleben zuschreibt. Nach Kei-
ter muß sich der sicher durchaus vorhandene „gesunde
Menschenverstand" dort mit den gering entwickelten
Kulturgütern und den führenden Dogmatikern auseinandersetzen
. Diese beiden Momente steigern einander
und erklären das typische Weltbild. Ein „primitives
Denken" als erbpsychologische Einheit gibt es
also nicht.

Weiter ist die Feststellung beachtenswert, daß bestimmte
Grundfunktionen des Kulturlebens nicht allein
dieser oder jener Rasse eigen sind, vielmehr die ähnlichen
natur- und seinsgesetzlichen Möglichkeiten des
Erdenlebens alles Menschenleben in gleichartige Bahnen
zwingen. Daher kann es nach Keiter auch ohne Änderung
der rassischen Substanz religiöse und unreligiöse
Zeitalter geben, wie in der Religiosität überhaupt die
rassische Beschaffenheit der Völker nicht die Hauptrolle
spielt, so bedeutende Antriebskraft der Religion
in der Kulturgeschichte auch zukommt. Was diese Untersuchung
aus der umfangreichen anthropologischen Literatur
der letzten Jahre heraushebt, ist ihre prinzipielle
Überwindung des Naturalismus, in dem das Spezifische
des menschlichen Daseins bedroht war. Durch die umfassende
Materialdarbietung mit ihren reichen Quellenangaben
wie das ausführliche Sachregister wird Keiters
Werk zu einer wissenschaftlich zuverlässigen Zusammenfassung
des gegenwärtigen Fragestandes, so daß man
mit aufrichtigem Interesse nach dieser Grundlegung den
Abschluß des Ganzen im dritten Bande entgegensieht,
der sich der europäischen Welt zuwenden wird.
Quakenbrück H. Vorwahl

Meyer, Hugo: Houston Stewart Chamberlain als völkischer

Denker. München: F. Bruckmann [1939]. (235 S.) 8". RM 5_.

Beyer, Hermann Wolfgang: Houston Stewart Chamberlain und
die innere Erneuerung des Christentums. Berlin: Verlag des
Evang. Bundes [19391. (56 S.) gr. 8°. RM 1.20.

H. St. Chamberlain ist der „Seher des dritten Reiches
" genannt worden (A. Rosenberg). In dieser Bezeichnung
ist deutlich die entscheidende Wesensart Cham-
berlains erfaßt. Die Stellung zu ihm entscheidet sich an
der Frage, wie einer zu jener Erscheinung menschlichen
Lebens steht, die in dem Wort „Seher" gemeint ist. Es
handelt sich dabei darum, daß je und je Menschen ein
Tiefblick in das Sein und Werden der Dinge gegeben
wird und sie aus der Schau, die ihnen wurde, von Notwendigkeiten
künden, die geschehen müssen, um das
Leben so oder so zu entscheiden. So betrachtete es
Chamberlain als seine Aufgabe: „das Aufhellen des Heute
und Morgen, damit wir wissen, wie wir handeln sollen
". (Wehr und Gegenwehr, S. 32). Der Mann, der
noch als Jüngling den gewaltigen Brief über Deutschlands
Aufgabe schrieb, in dessen Hände er die ganze
Zukunft Europas gelegt sieht, der erkannte, daß das beginnende
20. Jahrhundert „über das Schicksal des Menschengeschlechtes
auf weite Zeiten hinaus" entscheidet,
der mit Scharfblick 1923 die Führerpersönlichkeit Adolf
Hitlers erkannte, gehört in der Tat in die Reihe der Seher
. Von hier aus allein ist sein Werk zu würdigen. „Wir
brauchen Männer, die befähigt und gewillt sind, gleichsam
als geschulte Nicht-Fachgelehrte zu wirken, sonst
fällt die Gesamtheit unseres Wissens immer mehr auseinander
und bildet im besten Fall ein Mosaikbild, nicht
einen lebendigen und als lebend empfundenen und verwerteten
Organismus." Ihm geht es um „das Zusammenfassen
und das Beleben", darum, „daß das Wissen von
dem Vergangenen eine lebendige, bestimmende Kraft der
Gegenwart werde". In diesen Bereich ist von ihm auch
Theologie und Religionswissenschaft einbezogen worden-