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Ausgabe:

1940

Spalte:

198-199

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Viller, Marcel

Titel/Untertitel:

Aszese und Mystik in der Väterzeit 1940

Rezensent:

Dörries, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8

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der „Gute Hirte" hat im asketischen Gedankenkreis Anknüpfungspunkte
(vgl. Regula Benedicti c 2); J o h.
Quasten handelt über sein Vorkommen in der hellenistischen
und frühchristlichen Logostheologie. Er zeigt
die Verwendung des auf Stoa und Kynismus zurückgehenden
Hirtengleichnisses bei Philon (Sinne — üloya =
Tiere; Vernunft — Logos - Hirte), und seine Vertiefung
in der frühchristlichen Exegese, bei Clemens von
Alexandria und in der Syrischen Theophanie des Eusebius
. Der Beitrag von Jos. M. Nielen gilt der „Kultsprache
der Nachfolge und Nachahmung Gottes und verwandter
Bezeichnungen im neutestamentlichen Schrifttum
"; er verarbeitet, mit vorsichtiger formgeschichtlicher
Einstellung, ein reiches religionsgeschichtliches Material.
Es ist überraschend, wie stark z. B. die Briefe des Paulus
mit Ausdrücken der sakral-liturgischen Sprache durchsetzt
sind. In das 5. Jahrhundert führt uns der Autsatz
von Matthäus Kothcnhäusler, O. S. B., „Zur
asketischen Lchrschrift des Diadochos von Photike". Er
sucht festzustellen, an wen dieser Leitfaden der Asketik
gerichtet ist, welches Ziel er dein geistlichen Leben gibt
und welchem Typos geistlicher Lehre er angehört. Die
Leser sind Mönche, die allem Besitz entsagt haben und
nun davon überzeugt werden sollen, daß nach der Taufe
unmöglich der hl. Geist und der Teufel zugleich im
Herzen wohnen können. Die Schrift ist also an die allerdings
nicht mit Namen genannten Messalianer gerichtet,
was nicht ausschließt, daß die Gedankenwelt des Dia-
dochos sich in manchem mit den Messalianern nahe berührt
. Die Abhandlung zeigt, wie viele Aufgaben aus
dem Kreis der Euagriusüberlieferung und der jetzt mehr
und mehr als messalianisch erkannten Makariushomilien
noch der Erledigung harren. Die den Problemen der
Askese und des Mönchtums gewidmeten Studien beschließt
der Beitrag von Odo Ca sei, O.S.B., über
„Benedikt von Nursia als Pneumatiker". Er zeigt zuerst
die Bedeutung der „heiligen Überlieferung" im
ältesten Christentum, indem er besonders die Verbindung
von Überlieferung und itvtOp« herausarbeitet; heilige
Überlieferung ist daher „nicht bloß ein Weitergeben von
Doktrinen nach spätjüdischer (nachchristlicher) Art, sondern
ein lebendiges Weiterblühen des göttlichen Lebens
"; dies wird an Tertullian, Irenäus, Clemens und
Origenes veranschaulicht. Dann erörtert er die pneumatische
Seite der regula (— aavwv — Stimme des göttlichen
Logos) des Benedikt. Lehrweisheit und Praxis der Vollkommenheit
sind ihr Ziel. Schon im Begriff der „regula
" wirkt der Hellenismus nach, ebenso im Prolog, der
sich als eine Art von philosophischem „Protreptikos"
auffassen läßt, während der Hauptinhalt der Kegel mit
ihren Einzelvorschriften für die praktische Durchführung
des Mönchtums dem „pädagogischen" Genus entspricht,
sodaß sieh eine gewisse Parallele zum „Paidagogos"
des Clemens von Alexandria ergibt. Schließlich wird gezeigt
, wie die Vita Benedicti von Gregor d. Gr. Benedikt
als den vollkommenen Pneumatiker und damit vollkommenen
Mönch schildert.

Die Reihe der liturgicgeschichtlichen Untersuchungen eröffnet
Anselm M a n s e r, O.S.B., mit der Abhandlung ^Christkönigs-
züge im römischen und hcncdiktinischcn Adventsgotlesdienst"; diese
beiden erweisen sich als besonders reich, tief und eindringlich. In das
Gebiet der mailändischen Liturgie führen die Studien über „Ambrosius
und die Büßeraussöhnung in Mailand" von Hieronymus Frank,
O. S. B. (danacli ist der Oründonnerstag, nicht der Charfrcitag der alt-
mailändische Rckonziliationstag) und über „die altmailündische
Heiligenvigil" von Odilo Heiming, O.S.B. Adolf
Hücker schreibt über die durch die Quellenlage sehr erschwerte
Frage der „Feierlichen Kniebeugungszeremonie an Pfingsten in den
orientalischen Riten", Theodor Klauser sehr aufschlußreich
über „die Liturgie der Heiligsprechung", Anton L. Mayer mit
rcligionsgeschiclrtlichcr Orientierung über „die heilbringende Schau
in Sitte und Kult" (Wallfahrten, Reliquien, Bilder, Eucharistie),
schließlich Stephanus Hilpisch, O.S.B., über „Chorgebet
und Frömmigkeit im Spätmittelaiter". Her Band, von dessen reichem
Inhalt in der hier gebotenen Kürze kein vollständiger Begriff gegeben
werden kann, bietet eine Fülle des Interessanten und Uhrreichen.
irna Karl Heusti

i Viller, Marcel, S. J., u. Km! Rahner S.J.: Aszese und Mystik

j in der Väterzeit. Fin Abriß. Freiburg i. B.: Herder & Co. [1939].
(XVI, 322 S.) gr. 8°. br. RM 7.80; geb. RM 9.20.

Um dem Mangel einer deutschen Bestandsaufnahme
für die altkirchliche Askese und Mystik aufzuhelfen,
legt hier der Innsbrucker Kirchenhistoriker K- Rahner
das Buch seines französischen Ordensgenossen M. Viller,
La spiritualite des premiers siecles chretiens. Paris 1930,
in freier Übertragung vor. Er hat dabei, die Arbeiten
des letzten Jahrzehnts berücksichtigend, eine leichte Überarbeitung
vorgenommen und vor allem den „Abriß"

I durch Quellennachweise und eine sehr sorgfältig gearbeitete
Bibliographie zu einem wertvollen Studienbuch
gemacht. Hier ist auch der Rahmen, in dem sich Viller
hielt, etwas erweitert und versucht, wenigstens durch
literarische Hinweise auch den bei Vüler nicht berücksichtigten
heterodoxen Richtungen mehr gerecht zu werden
; mögen auch, wie schon das Vorwort hervorhebt,
Fragen von solcher Bedeutung wie die nach dem „Enthusiasmus
", dem mönchischen Bußwesen usw. noch ohne
Beantwortung bleiben.

Handeln die ersten Kapitel von den neutestamentlichen
Vollkommenheits-.Räten' und mystischen Weisungen
, von der altkirchlichen Schätzung des Martyriums

j und der Virginität, vom Gnostiker des Clemens und dem
spiritualistischen Biblizismus des Origenes, so betritt mit

j dem fünften Kapitel der Bericht den festen Boden des
Mönchtums. Ihm gehört bei weitem der Hauptteil des
Buches. Länger oder kürzer werden die Mönchsväter
und ihre wichtigsten Schriften vorgeführt, nicht so sehr,
um sie geschichtlich zu würdigen als um — das steht immer
im Hintergrund — durch sie eine Bereicherung für

| die Frömmigkeit der Gegenwart zu erlangen, deren Lehre
, so ist der Vrf. überzeugt, mit der jener Väter über-

! einstimmt.

Zuletzt folgt nach einem Augustin und Gregor d. Gr.
gewidmeten Kapitel noch ein Abschnitt über Weltfröm-
migkeit und besondere Andachtsübungen.

Die Mönchsgeschichte beginnt wie herkömmlich mit
j der vita Antonii, während die Originalzeugnisse des ältesten
Mönchtums, die Apophthegmata in einem späteren
Abschnitt, der über „Mönchsgeschichten und Florilegien"
I handelt, nachgebracht werden. Makarios behält von dem
| Ihm früher zugeschriebenen Schrifttum nur einen Brief,
I der doch nicht den ihm belassenen Titel des „großen
Mystikers" (S. 99) zu tragen vermag, ganz abgesehen
von der auch hier negativ zu beantwortenden Echtheits-
j frage. In Basilius' Beichtvorschrift wird, gleichfalls wie
herkömmlich, die priesterliche Beichte hineingedeutet (S.
129). Dem entspricht, daß aus der Seltenheit von Mönchspriestern
in der griechischen Kirche geschlossen wird,
das östliche Möncntum habe sich immer nur sehr wenig
| mit Seelsorge beschäftigt (S. 283), — doch wohl in Um-
( kehrung des wirklichen Tatbestandes! Ist wirklich alles
in der Lehre Gregors von Nyssa Enthaltene trotz der anerkannten
engen Beziehungen zur neuplatonischen Philosophie
„durchaus christliches Gut" (S. 139)? Gelegentlich
ist die Anordnung nicht ganz verständlich; warum
z.B. Nilus und Marcus Eremita hinter dem so viel jüngeren
Johannes Klimacus stehen oder Diadochus von
Photike erst auf das irische und benediktinische Mönch-
tum folgen. Wird mit der Bezeichnung „Fastenzeit-
exercitien" (S. 313) die vorösterliche Bußübung nicht in
i eine ihr fremde Beleuchtung gerückt? Bisweilen sind die
nach unbefangener Aufnahme kritischer Meinungen zusammenfassenden
Urteile harmonistisch, wie das über
die Schriften des Areopagiten, deren neuplatonische Bedingtheit
zugegeben und deren Wert gleichwohl hoch genug
eingeschätzt wird, „um das Ansehen zu rechtfertigen,
das sie in der Kirche genossen haben" (S. 239).

Ist aber diese Weise des Urteilens von jeher mit den
Versuchen verbunden, einen Sonderbereich der „Frömmigkeit
", wohl gar als den wesentlichen, aus der übrigen
Kirchengeschichte auszugliedern, so ist ihnen auch die
Hoffnung gemeinsam, an der „Frömmigkeit der Väter"