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Ausgabe: | 1940 |
Spalte: | 192-196 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Titel/Untertitel: | Piscipuli. Studien zur Religion und Kultur des Altertums 1940 |
Rezensent: | Gentz, Günter |
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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8
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Daran schließt sich ein Überblick über die Folgezeit.
Nach Abschluß der apostolischen Epoche nimmt die Sünde
überhand. In dieser Periode wirken, wie es scheint,
zwei Persönlichkeiten, die als gerecht und wahrhaftig
zum Reiche gehören, der Kirche unseres Herrn dienen
und sich dann zum Lande des Lichtes erheben. Es hat
viel für sich, in diesen beiden mit dem Herausgeber
Marcion und Bardesanes zu sehen. Nach ihrem Abgang
verfällt die Kirche aufs neue. So muß denn der Paraklet
erscheinen, d. h. Mani in die Welt kommen.
Doch kehren wir zum Einfluß des Neuen Testamentes
zurück. Sehr wichtig ist für Mani das Gleichnis von
den zwei Bäumen, das Jesus seinen Jüngern verkündet
hat und das im Evangelium geschrieben steht (S. 17): der
gute Baum gibt gute Frucht, der schlechte Baum gibt
schlechte Frucht (Lk. 6, 43. 44). Auch manche von den
Sekten deuten dieses Gleichnis, jedoch nicht zutreffend
(S. 17, 16ff.). S. 128, 5ff. ist das Reich der Finsternis I
in sich selbst gespalten: Mt. 12,25; Mik. 3, 24f.; Lk. 11,
17. S. 155, 22 ff. haben wir den Felsen der Kirche und
Jesus. S. 156,12—16: „Denn auch der Apostel gibt sich
selber hin für seine Kirche. Deshalb auch nennt ihn die
Kirche ihrerseits Liebe, wie geschniieben steht: Nicht
gibt es größere Liebe als die, daß einer sich in den Tod
gibt für seinen Nächsten (vgl. Joh. 15,13)". S. 156, 31
bis 33: Der Teufel tötet, wie er es von Anfang an getan
hat (vgl. Joh. 8,44). S. 166, 4ff.: Wenn Mani aus der
Welt geht, wird er die Jünger, die an ihn geglaubt haben
, zu sich ziehen (vgl. Joh. 12,32). Die Welt liebt die
Finsternis und haßt das Licht (Joh. 3,19): S. 184,11;
185, 12 f. Das erste Werk der Katechumenen ist Fasten
— an den fünfzig Herrntagen des Jahres (233,4), die
auch die Manichäer heilig halten (S. 192—195) —, Beten
und Almosenspenden (vgl. Mt. 6,1—18). Die Art, wie
sich die Manichäergemeinde vermehrt hat, wird1 lehrreich
beleuchtet durch die im Zusammenhang damit erhobene
Forderung: „Der Mensch soll einen Sohn der Kirche
(iwikraia) zur Gerechtigkeit (BixchootSyti) geben oder seinen
Verwandten oder den Hausgenossen oder er soll
einen, der sich in Bedrängnis befindet, retten oder einen
Sklaven kaufen und ihn zur Gerechtigkeit geben" (S.
193, 5—8).
Wie bisher schon gelegentlich ein bewußtes Zitat aus
neutestamentlichen Schriften vorlag, so auch S. 210,31
und 223,3: „Wie der Heiland gesagt hat: Wo dein Herz
ist, da wird auch dein Schatz sein"; offenbar Mt. 6, 21 =
Lk. 12,34. S. 201,29—31 bringt gleichfalls ein Heilandswort
und muß deshalb wohl anders ergänzt werden
, als geschehen ist- Da es sich um Mt. 18, 10 handelt
, darf es nicht heißen nemoivom), wer Anteil gibt (xoi-
voivelv), sondern es muß lauten JtetxotCMppowi, wer verachtet(xa-
TcupQoveTv), was auch allein in den Zusammenhang paßt.
S. 229,10—15: 1. Kor. 7,29—31.
Auch die Einwirkung von Henochschriften ist deut- j
lieh. Wir vernehmen von den Nachkommen des Verder- j
bens, den starken Giganten, die vom Himmel herabkamen
, ihre Tücke offenbarten und von den Engeln gefesselt
wurden mit ewiger Fessel (S. 92, 27—31; 93, 24
bis 28; 117,1 ff.; 154,17ff.; über den Gebrauch der
Henochliteratur durch die Manichäer s. W. Henning, )
Ein manichäisches Henochbuch: Sb. der Preuß. Ak. tl.
Wiss. 1934,27—35). Hier werden wir lebhaft an Manis
Schrift von den Giganten erinnert. Andere Bücher von
ihm werden direkt angeführt. S. 153,31 „Wie ich euch
verkündet habe im Großen Evangelium". S. 230, 7 „Wie
die gute Perle, über die ich euch im Schatz des Lebens
geschrieben habe" (zur Perle vergleiche noch S. 85, 24f.;
203 f.). S. 176 erscheinen „viele Schriften", offenbar
manichäischer Herkunft, die von den zerrissenen und zerfetzten
Kleidern, dein Licht-Element, dem Kreuz des
Lichtes und der Seele, die geschlachtet ist, handeln.
Die eigentliche manichäische Lehre und besonders die
Form, in der sie sich gibt, sind unserem Denken Und
Empfinden reichlich fremd. Der spröde Stoff erschließt j
sich nur eindringendem Studium. Wer solches noch nicht j
an den Gegenstand gewendet hat, tut daher gut, sich
auf die Kephalaia vorzubereiten, indem er etwa den ausgezeichneten
„Abriß des manichäischen Systems" liest,
den H. J. Polotsky in Pauly-Wissowas Realencyclopädie,
Supplementband VI 1934 veröffentlicht hat. Auch beginnt
bereits eine Literatur zu entstehen, die die Kephalaia
zum Gegenstand hat; s. z.B. die Arbeiten von A.
Böhlig und V. Stegmann in der ZNW 37, 1938, S. 13—19
und 214—223.
Güttingen W. Bauer
Pisciculi. Studien zur Religion und Kultur des Altertums. Franz
Joseph D ö I g e r zum sechzigsten Geburtstage dargeboten von
Freunden, Verehrern und Schülern. Hrsg. von Theodor Klauser und
Adolf Rücker. Münster i. W.: Aschendorff 103g. (VI, 350 S., 1 Bild,
8 Taf.) gr. 8° = Antike u. Christentum, Erg. Bd. 1.
• RM 16.75; geb. RM 18.75.
Eine stattliche Zahl von Erforschern der Antike ist
es, die aus aller Welt und aus beiden Konfessionen zu
Beginn des angezeigten Buches als Gratulanten verzeichnet
sind — und das entspricht ganz dem Ansehen, das
der nun 60 Jährige in der Wissenschaft genießt. Ein
Blick auf die „Bibliographia Doelgeriana" (S. 334—41)
beweist es auch dem Unkundigen, wie reichhaltig das
Schaffen Dölgers ist. Aber gleichzeitig enthüllt auch eine
kurze Überschau schon, wo sein eigentliches Interesse
zu suchen ist: in der Erforschung des Verhältnisses von
antiker Kultur und den Formen des alten Christentums,
und das vor allem nach der Seite hin, die das neue, in
Dölgers Geist herausgegebene Lexikon in seinem Titel
die „reale" nennt (Reallexikon für Antike und Christentum
). Eine Erwähnung der Werke über ichthys und
sphragis bzw. überhaupt die Taufe sowie der Sarmmel-
bände „Antike und Christentum" mag dazu genügen.
Und diese Eigenart seines Schaffens ist es auch, die als
eine gewisse Einheit hinter den 29 Beiträgen der Festschritt
steht — hervorgerufen durch den Wunsch und
das innere Anliegen der Freunde und Schüler, dem Gefeierten
zu Ehren und der Wissenschaft zum Nutzen die
Notwendigkeit und Fruchtbarkeit seiner Methodik zu
erweisen. So ist ein Werk entstanden, das alle Freunde
des Altertums begrüßen können, mögen sie nun Historiker
, Archäologen, Liturgiker, Religionsgeschiehtler oder
im engeren Sinne Philologen sein.
Beginnen wir unsere Überschau in den unteren Regionen
der Religionsgeschichte, wo die Zauberei ihr Wesen
treibt! Unter den Beiträgen, die der Erforschung
der Zaubersprüche und -Symbole gewidmet sind, behandelt
Otto Weinreichs interessanter Aufsatz über religiös
-ethische Formen der Epipompe einen Ausschnitt aus
dem weiten Reich der Unheilbannung mit dem Ergebnis,
daß die Wegwünschung eines Unheils auf einen Feind
aus persönlichen oder völkischen Gründen ungleich häufiger
ist als die sakrale, für die im Altertum nur bei den
wenigen streng exklusiven Religionsgemeinschaften ein
günstiger Boden vorlag: also in der Isisreligion (Beispiele
in Zauberbüchern), im Judentum, dessen Erwähnung
man vermißt, und in christlichen Kreisen (Weinreich
führt einen koptischen Papyrus an; in offiziellen Kirchengebeten
erscheint die Epipompe nie). Ein köstliches
Gedicht des Rottenburger Dialektdichters Sebastian Blau,
der den Tübingern mit dem Hinweis auf ihren evangelischen
Glauben das Hochwasser wünscht, führt die Untersuchung
jn neuere Zeiten.
Theodor Hopfner legt eine sorgfältige Durchprüfung
des Materials der griech. Zauberpapyri vor und untersucht
auf Grund ihrer charakteristischen Beinamen die
unheimliche Gestalt der Hekate-Selene-Artemis, wobei
der überwiegende Einfluß der Dreiweg-üöttin Hekate
deutlich hervortritt. — Erwähnenswert 2 weitere kleine
Beiträge: Franz Dölger („Lachen wider den Tod")
bringt im Anschluß an ein vulgärgriechisches Gedicht
aus Kreta „der Kater und die Mäuse" Beispiele für
das magische, den Tod vertreibende Lachen, und Sam
Eitrem deutet eine in Rom befindliche Gemme, die