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Ausgabe:

1940

Spalte:

184-185

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schneider, Nikolaus

Titel/Untertitel:

Die Götternamen von Ur III 1940

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 7/8

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lung der genannten Sekte, behandelt also ein bisher wenig
beachtetes Kapitel der indischen Religionsgeschichte.
Gegliedert ist es in drei Hauptabschnitte, die den Kult,
die Geschichte und das System der Sekte zum Gegenstande
haben, aber wieder je in eine Anzahl Kapitel zerfallen
. Der eigentliche Inhalt des Buches, das auf guter
Sprach- und Sachkenntnis beruht, geht jedoch beträchtlich
über die angedeuteten Grenzen hinaus, insofern es
die Känphata-Sekte und den Yoga im weiteren Rahmen
und im Lichte der gesamten indischen Religionsgeschichte
betrachtet. Anmerkungen, Bibliographie und Index
legen Zeugnis ab für die gewissenhafte Arbeit des Verfassers
. 14 Tafeln ergänzen und erläutern den Text in
dankenswerter Weise.

Neben dieser gewissermaßen fachwissenschaftlichen
Arbeit steht eine zweite von ganz anderem Charakter.
Ihr Verfasser verfügt allem Anschein nach nicht über die
einschlägigen Sprachkenntnisse, wie sich aus der Wiedergabe
mehrerer Fachausdrücke ergibt, und das Buch verfolgt
auch keine religionswissenschaftlichen Ziele, sondern
liegt mehr in medizinisch-hygienischer, man möchte
fast richtiger sagen, in physiologisch-chemischer Richtung
, und doch ist es in seiner Art nicht weniger interessant
. Sein Verfasser betrachtet nämlich verschiedene
Praktiken und Posituren des Hatha-Yoga im Lichte heutiger
naturwissenschaftlicher Forschung, ohne letztere
irgendwie betont in den Vordergrund zu stellen. Zugleich
möchte er diese Übungen unter Aufzeigung ihres hygienischen
Wertes dem Menschen von heute anempfehlen.
Das beweisen ja schon die Themata der einzelnen Kapitel
: Leben ist Arbeit; der Rhythmus des Lebens; Ruhe,
Muskelentspannung und Schlaf; Pranayama, die Lehre
des Atems; die Übungen des Prayama; die Ernährung;
Licht und Wärme — die Sinne und ihre Organe — die
Haut; Sinne und Nervensystem — das sexuelle Leben.
In der Hauptsache sind die Ausführungen des Verfassers
sicher recht beachtlich und für einen großen Leserkreis
von Interesse, da sie den eigentlichen Sinn mancher Vorschriften
und Übungen des Hatha-Yoga erfassen dürften.
Freilich wäre es angebracht, wenn auch die heutige Medizin
einmal zu diesen Dingen Stellung nehmen würde.
Bonn W. Kirfel

Forke, Prof. Dr. Alfred: Geschichte der neueren chinesischen
Philosophie. Hamburg: Friederichsen, W. de Gruyter & Co. 1938.
(XVIII, 693 S.) 4° = Hansische Universität, Abh. a. d. Gebiet der
Auslandskunde, Bd. 46 — Reihe B. Völkerk., Kulturgeschichte u.
Sprachen. Bd. 25. RM 35—.

Der selbständig als „Geschichte der neueren chinesischen
Philosophie" erschienene Band von A. Forke tritt
ergänzend neben die vorangegangenen der alten und
mittleren Zeit und schließt damit die umfassendste Gesamtdarstellung
der chinesischen Philosophie ab, die bisher
unternommen wurde. Wir dürfen den Verfasser, den
verehrten Altmeister der Sinologie, dazu beglückwünschen
, daß es ihm gelungen ist, das weitgesteckte Ziel
seines Lebenswerkes zu einem so glücklichen Ende zu
bringen. Dem Werk kommt eine ähnliche Bedeutung zu
wie Zellers bekanntem „Grundriß"; es breitet in zuverlässiger
und übersichtlicher Form alle Tatsachen über
Namen, Lebensumstände, Schriften, Grundgedanken und
Bedeutung der chinesischen Denker aus, unter Benützung
der neuesten, vor allem der wichtigen japanischen Forschungen
, und ist zu einem ebenso bequemen wie unentbehrlichen
Handbuch geworden. Von besonderem Wert
sind dabei die zahlreichen, im Originaltext und' im der
Übersetzung eingestreuten Zitate. Und mehr noch betritt
gerade dieser Band, der die Philosophie von der Sung-
Zeit, dem 11. Jh. bis zur Gegenwart umfaßt, fast überall
Neuland und erschließt uns eine Welt voller eigentümlicher
Persönlichkeiten und schöpferischer Ideen, die bisher
kaum in den Umrissen bekannt war, eine Zeit, die
nach dem ebenso allgemeinen wie oberflächlichen Urteil
einer lebendigen Entwicklung garnicht mehr fähig war.

F. hält im Gegensatz zur allgemeinen Meinung gerade die Sung-
Zeit für die eigentliche Hochblüte der chinesischen Philosophie, ihren
größten Lehrer Tschu Hsi für den größten Denker Chinas überhaupt.
I Während die klassischen Meister wie Konfuzius, Meng-tse u. a. eher
I als Weisheitslehrer und Moralisten zu gelten hätten, stellt zuerst die
Sung-Zeit „echte" philosophische Probleme und kommt zu klaren Begriffen
und Gegensätzen wie Geist und Natur, Vernunft und Materie,
I immaterielles Weltprinzip und materielles „Fluidum", ideeller Vor-
I form und materieller Substanz. Diese bald mehr dualistisch, bald
monistisch gerichteten Untersuchungen finden in der Sung-Zeit ihren
Niederschlag in dem sog. „Hsing-K-" („Natur" und ,,Vernunft") System
, in Tschu Hsi ihre Vollendung und metaphysische Begründung.
Er, der übrigens andauernd im Anschluß an Konfuzius philosophiert
und in China auch als Haupt des „Neukonfuzianismus" gilt, erscheint
bei F. als „Realist", der trotz der Bindung an die traditionelle Form
vermöge seiner gedanklichen Strenge und seines ausgebreiteten Wissens
zu klaren Begriffen kommt. F. vergleicht ihn mit Aristoteles
und Leibniz, so sehr hat er den Gang aller künftigen Untersuchungen
bestimmt.

Welche Vorläufer und Wegbereiter das Hsing-li-System, welche
Anhänger und Gegner Tschu Hsi gefunden hat, welche Diskussionen
auf den Gebieten von Ethik und Moral, Naturlehre, Kosmologie,
Metaphysik u. s. w. sich ergeben haben, das alles bietet einen überaus
reichen, unerschöpflichen Stoff, der überall tiefe und oft überraschende
Ausblicke auf das chinesische Denken eröffnet. Auf der Frage nach
der einheitlichen oder doppelten Wurzel der Existenz und der Wahrnehmung
, dazu der oft politisch gefärbten Haltung gegenüber der
„klassischen" Tradition, die F. leider oft nur andeutet, der Zustimmung
oder Ablehnung des Konfuzius, des Buddhismus u. a. beruht
zum großen Teil, bis in die Gegenwart hinein, die Weiterentwicklung
des chinesischen Philosophicrens. Der große, selbständigste Denker
der Ming-Zeit, Wang Yang-ming bringt die Diskussion zu einem gewissen
Abschluß durch seine geradezu neuplatonische „Identitätsphilosophie
", die alle Vernunft- und Substanzbegriffc aus einer geistigen
Einheit, die letztlich nur intuitiv erfaßt werden kann, herleitet. Danach
zieht das Forschen, bis in die Neuzeit hinein, seine wesentlichsten
Kräfte aus der Kritik, und gerade aus der Kritik im Namen der
„Klassiker", deren tiefe und einfache Weisheiten angeblich durch die
Interpretationen der Sung-Zeit und ihrer Nachfolger verdeckt worden
sind. Von neuem werden die Dinge unter diesem Gesichtspunkt betrachtet
, wobei sich so etwas wie eine philologische Textkritik ergibt.
Neue Themen gesellen sich, nicht zuletzt durch europäische Anregungen
den alten hinzu: Religion, Gesellschaft, Pädagogik u. a. Die
Haltbarkeit und der Wert des klassischen Gedankengutes werden angesichts
der vielen, oft nur schlecht übermittelten, halhverstandenen
oder oberflächlich beurteilten Ideen, im Sinne des Sensualismus,
Skeptizismus, Pragmatismus, Materialismus u. s. w. erörtert. Eine
klare Entscheidung, ja eine deutlichere Zielsetzung ist dabei noch
nicht hervorgetreten.

Es erscheint dieser drängenden Fülle von Persönlichkeiten
und Gedanken gegenüber manchmal als wenig
angemessen, wenn wir sie unter die uns geläufigen Begriffe
wie dualistisch, monistisch, idealistisch, spiritua-
listisch u. dergl. zusammenfassen wollen. Gerade die vielen
eingestreuten Originalstellen werden eine Anregung
sein zu einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Inhalt
und der Deutung des Gedachten. Mitunter stört in
F.'s Darstellung #uch seine etwas zu spöttische Zurückweisung
der Klassiker als bloßer Weisheitslehrer, sowie
seine übertrieben betonte Ablehnung des Buddhismus
und seines Einflusses auf das chinesische Denken. Trotzdem
hat er uns einen Stoff geschenkt, an dem noch Generationen
zu arbeiten haben werden.
Köln, z. Zt. im Felde Werner Speiser

Schneider, N.: Die Götternamen von Ur III (Ur III-Lexikon.

Teil 1). Rom: Pont. Inst. Biblicum 1939. (XVI, 120 S.) 4° = Ana-

lecta Orientalia 19. Lire 162.

Zu den wissenschaftlichen Plänen des auf dem Gebiet der Orientalistik
sehr rührigen Päpstlichen Bibelinstituts gehört auch die lexikalische
und grammatikalische Durcharbeitung der — so gut wie ganz
sumerischen und nur wenig akkadisches Gut aufweisenden — Keilschrifttexte
aus der Zeit der 3. Dynastie von Ur, also aus der zweiten
Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. N. Schneider, dem diese
Aufgabe anvertraut worden ist, hat es für angezeigt gehalten, den reichen
Wortschatz dieser Texte nach Sachgruppen geordnet auf mehrere
Bände zu verteilen und in ihnen — unter Angabe der jeweiligen Ori-
ginaltextveröffentlichung — die einzelnen Worte in ihrem Zusammenhang
darzubieten, weil dieser bei der Verstreuthcit des Materials auf
mehr als 100 verschiedene Publikationen sonst kaum von jemandem
berücksichtigt werden könnte und er doch für die Bestimmung des ge-