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Ausgabe:

1939 Nr. 5

Spalte:

175-176

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Herwegen, Ildefons

Titel/Untertitel:

Väterspruch und Mönchsregel 1939

Rezensent:

Dörries, Hermann

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J75

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 5

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auctor et consecrator der Kirche nennt (vgl. 21,11). K.
wendet allerdings ein, daß auch von der „üblichen"
Deutung der o. e. P. pr. bei Tertullian kein Wort stehe
und sie nur auf Umwegen, die stellenweise über Cyprian
laufen, und durch Kombination gewonnen werden könne.
Das trifft aber in dieser schroffen Verneinung nicht zu.
Denn der numerus episcoporum spricht doch viel eher
für meine Erklärung als für die Ks., und ebenso vorher
numerus omnis mit Anspielung auf Mt. 18, 20. Und was
den „Umweg" über Cyprian betrifft, so sind seine von
den vielen Trägern des Bischofsamtes gebrauchten Wendungen
wie numerositas (de un. 5, ep. 55, 24), copiosum
corpus sacerdotum (ep. 68, 3), doch wohl ein Nachhall
des vom Montanisten Tertullian dem Bischof Kallist
gegenüber abgelehnten, in seiner kirchlichen Zeit aber
(de praescr. 21f. 36 f.) begünstigten numerus episcoporum
, und so wird wohl auch seine Ableitung des Bischofsamts
von Mt. 16,18 f. (ep. 33,1 de un. 4) irgendwie
auf Kallists Anschauung zurückgehen, von der er
sich nur durch die Forderung sittlicher Unbescholtenheit
seiner Träger entfernt. Daß tatsächlich bei Cyprian Erinnerungen
gerade an pud. 21 mitspielen, zeigt der Eingang
von de laps. 17, wo der Schlußsatz von de pud. 21
clomini enim, non famuli est ius et arbitrhun; dei
ipsius non sacerdotis mit geringer Abwandlung wiederkehrt

Wenn also Tertullian auf den Gedankenkreis Kallists nicht eingeht,
so müßte man folgern, daß er ihn nicht verstanden habe oder nicht
habe verstehen wollen, sondern aus bestimmtem Grunde davon abgebogen
sei. Aber lag ein solcher Grund vor? Tertullian besaß eine so
scharfe und feine Witterung für oder richtiger gegen alles, was nach
Heidentum roch, daß er einen Zusammenhang mit antikem Heroen- und
Ahnenkult sofort herausgegriffen und gegen den Ediktsbischof ausgeschlachtet
hätte. Schreibt er doch de spect. 13, daß die Christen die
Grabdenkmäler ebenso verabscheuen wie die Tempel und auch keine
Totenfeiern halten (non parentamus). Er kennt also noch keine paren-
talia, keine cara cognatio bei den Christen, ein Beweis, daß auch der
bekannte Satz in de praescr. 36 ecclesias apostolicas, apud quas ipsae
adhuc cathedrae apostolorum suis locis praesident noch nichts mit der
cathedra im antiken heidnischen und christlichen Totcnkult zu tun hat,
wie ja die christliche Anlehnung an diesen heidnischen Brauch auch in
Rom erst später hervortritt. (Es wundert mich übrigens, daß K. die ansprechende
Vermutung Th. Klausers in seinem Buch über die Cathedra
im Totenkult 1927, S. 176 ff., daß die Feier der Cathedra Petri, am
22. Februar ursprünglich ein der cara cognatio entsprechendes Totenmahl
gewesen sei, nicht für seine Gedanken ausgenützt hat).

Im Gegensatz zu Stoeckius, der eine von Kallist zum
vatikanischen Konzil führende gerade Linie findet, glaubt
K., daß das Edikt keinen Primatsanspruch enthalte und
der „Fall Kallist" in der Geschichte des Papsttums nur
eine Episode bedeute, die keine Nachwirkung gehabt
habe. Die Begründung der Absolutionsgewalt mit dem
Petrusgrab hätte aber doch wohl eine mit einem einzigartigen
Vorzug verbundene Beschränkung auf die römische
Kirche in sich geschlossen, die nicht ohne Ge-
gegenwirkung geblieben wäre, und wie diese sich geäussert
hätte, ist aus Tertullian de praescr. 36 und aus dem
Hinweis der Kleinasiaten auf die Gräber ihrer [iryä'/M
cToiy.sta im Osterfeierstreit zu entnehmen.

Meines Erachtens spitzt sich also der Streit um
das Edikt auf die methodologische Frage zu, ob es angeht
, den Sinn des umstrittenen Satzes ohne Rücksicht
auf Tertullians Entgegnung, allein aus ihm selbst und
etwaigen Umweltsgedanken zu bestimmen und sich dann
eben mit dieser Entgegnung abzufinden, oder ob man
nicht von vornherein aus der Antwort einen Fingerzeig
für die Deutung des Satzes gewinnen muß. Ich
halte das letztere für richtig. Aber es ist gut und lehrreich
, die Frage einmal von einer anderen Seite beleuchtet
zu sehen, wie sie K. so eindrucksvoll und verführerisch
gezeigt hat.
München Hugo Koch

Herwegen, Ildefons: Väterspruch und Mönchsregel. Münster
i. W.: Aschendorff 1937. (46 S.) 8°. RM 1 —.

Der pneumatische Charakter des ältesten Mönchtums ist durch Holl
und Reitzenstein, die ihn repräsentierende Bedeutung des Väterspruchs
besonders durch Bousset ins Licht gestellt worden. Ist dabei gerade
die Unterschiedenheit dieses Logion, das zunächst einem einzelnen Frager
in seiner besonderen Lage gesagt war, von dem unpersönlichen Statut

] betont, das das Leben einer Mehrheit regeln will, so versucht jetzt der
| um die Geschichte seines Ordens verdiente Benediktinerabt Herwegen,
i den pneumatischen Grundzug des Logien auch in der Regel Benedikts
nachzuweisen, ja zu zeigen, daß es „keine höhere Wertung des pneumatischen
Mönchscharakters" geben könne-, als in ihr (S. 37).

Nun kann im Rahmen eines Vortrags ein Problem wie dieses wohl
umrissen und erläutert, aber nicht eigentlich beantwortet werden. Um
kräftige Konturen zu erzielen, muß man Unsicheres bestimmt fassen
(dahin gehört das durch Cassian geleitete Urteil über das Anachoreten-
tum als wesentlich auf theoria und gnosis hingeordnet (S. 19), und das
Verständnis des Logion als Frucht der contemplatio); oder man muß
Unterschiede zu Gegensätzen verstärken (so bereitet sich die Schätzung
des Gehorsams schon in der Wüste vor, ist auch die Regel des Basilius
verpflichtendes Gesetz, nicht nur ein „Handbuch aus pneumatischer
Schau" S. 25); man muß Thesen aufstellen, ohne sie begründen zu
können („Auch der Mönchsvater weiß sich als apostolos", S. 12), oder
Urteile aussprechen, die nur aus einer Gesamtauffassung heraus sich
verstehen (wie das über die Liturgie als „Hauptträgerin und sicherste
Hüterin der pneumatischen Kräfte in der Kirche", S. 38). Das schließt
doch nicht aus, daß es auch im Einzelnen gute Gedanken und feine Urteile
gibt und die kleine Schrift das Verdienst in Anspruch nehmen kann,
eine wichtige Frage zwar nicht gelöst, aber geistvoll formuliert zu haben.
Göttingen H. Dörries

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Huck, Dr. Johannes Chrysostomus: Joachim von Floris und die
joachitische Literatur. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des
hohenstaufischen Zeitalters mit Benützung und teilweiser Veröffentlichung
ungedruckter Joachimsschriften. Freiburg i. B.: Herder & Co.
1938. (XI, 309 S.) gr. 8°. RM12-.
Der Verf. hat sich bereits 1903 in einer Arbeit über
den Franziskaner-Spiritualen Ubertin von Casale mit
ungedruckten Schriften Joachims von Fiore 1 befaßt, die
er in einer Handschrift der S. Antonio-Bibliothek zu
Padua benutzte, und kurze Auszüge daraus mitgeteilt.
Seitdem plante er deren vollständige Veröffentlichung.
Da sich der Plan zerschlug, legt er in diesem Buch wenigstens
den Ertrag seiner Vorarbeiten vor. Im Anhang
(S. 278—306) druckt er erstmals zwei kurze Schriften
Joachims ab, die Dialogi de praescientia dei et praedcsti-
natione electorum und das Enchiridion in Apocalypsim,
(dessen Verhältnis zur 1527 gedruckten Expositio in
Apocalypsim und ihrem Liber introductorius er allerdings
nicht zutreffend bestimmen konnte, da er nicht
alle Handschriften kennt), außerdem im Text (S. 186/9)
das bemerkenswerte Visionsgedicht, das sich handschriftlich
und in alten Drucken unter Joachims Namen findet
und vermutlich aus seinem Kreis stammt (dazu ist der
dem Verf. unbekannte Abdruck aus einer Frankfurter Hs.
durch Fr. Böhmer, Z. f. deutsches Altertum 5, 1845,
S. 463 ff. zu vergleichen). Diese Textbeilagen sind der
brauchbarste Teil des Buches, obgleich sie fehlerhaft und
unkritisch abgedruckt sind, ohne die Lesarten aller Handschriften
, oft durch falsche Satzzeichen entstellt, ohne
Nachweis der zahlreichen Bibelstellen, gelegentlich mit
willkürlichem Sperrdruck, der anscheinend Joachims römisch
-katholische Rechtgläubigkeit unterstreichen soll.
| Darauf läuft auch die Betrachtung des 9. und 10. Kap.
über „Joachims Welt- und Geschichtsauffassung'' und
„Joachims Orthodoxie" hinaus. Sie begreift nichts von
( Joachims religiöser und denkerischer Eigenart und von
der geistigen Sprengkraft seiner Drei-Zeiten-Lehre, versteigt
sich sogar zu der Behauptung: „Er ist rechtgläubiger
Zelator selbst über das zulässige Maß hinaus"
(234), mit „lauterem kirchlichen Eifer in der unerschrok-
kenen Verteidigung des christlichen Glaubensgutes"
(266); „die Kirche ist für J. die heilsnotwendige göttliche
Institution aller Zeiten" (243). Wer allerdings

1) R. Holtzmann (Mitteil, aus d. bist. Lit. 1928) hat mit Recht
gegen den Titel meiner „Studien über Joachim von Floris" (1927) ein-

j gewandt, daß der Joachim abbas Floris — genannt nach dem von ihm
gegründeten Kloster 5. Giovanni in Fiore — auf Deutsch nicht „von

| Floris" heißen kann, da das ein lat. Genitiv ist, sondern am besten „von

I Fiore" zu nennen ist. — Zugleich sei bemerkt, daß sich die franziskanischen
Nachahmer Joachims selbst Joachiten nannten, ihre Schriften

! also als joachitisch, allenfalls als pseudo-joachimisch, nicht aber als
pseudo-joachitisch zu bezeichnen sind.