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Ausgabe:

1939 Nr. 5

Spalte:

169-170

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hamp, Vinzenz

Titel/Untertitel:

Der Begriff "Wort" in den aramäischen Bibelübersetzungen 1939

Rezensent:

Rost, Leonhard

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169

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 5

170

Dekaloes); die Bedeutung des Gebetes bei den Opfern ; die Änderung»
welche die Zentralisation des Kultes ins tägliche Leben bringt. 1 Sehr
wichtig ist in dieser Verbindung die Konstatierung der Tatsache, dal! das
„Wort", das heilige Formular und die Tradition den Kultus in der
Richtung des „Wortgottesdienstes" ändert. Schlielilich behandelt der Verf.
in einer „Schiulibetrachtung" die Frage nach dem Ursprungskreis des
Gesetzes. Seine Betrachtung kann in dem Zitat aus EilSfeldts Einleitung,
S. 256, mit dem er sein Buch beschließt, zusammengefalit werden : Dt.
ist „Niederschlag einer . . . kultisch-religiösen und sozial-karitativen Bewegung
. . ., als deren Träger wir uns Propheten und Priester, und unter
diesen wohl vornehmlich die immer wieder besonderer Rücksicht empfohlenen
Landpriester ... zu denken haben." Als die Propheten, welche
hier in Frage kommen, denkt Hülst sich mit v. Rad u. a. nicht die
»großen Propheten", sondern eher die sogenannten „nationalen" Propheten.

Das Buch enthält viele interessante Einzelheiten, von
welchen ich die Bestimmung des Sitzes im Leben des
Dekalogs im Verhältnis zu den „Torliturgien" (Ps. 15
usw.) besonders nenne: Hülst hat dort eine Korrektur
zum Buche Mowinckels gebracht, welche von Wert ist.
Auch die Analysen der Formulare in Dt. 26, wo er
einen älteren Kern aus der dtnomischen Redaktion herauszuschälen
versucht, sind sehr scharfsinnig, und —
es scheint mir — im Ganzen überzeugend. Meine Zustimmung
zu dem letzten Kapitel (über den Ursprungskreis
des üesetzes) würde der Verf. noch besser verstehen
, wenn er meine — leider nur in meiner eigenen
lieben Sprache geschriebene — Behandlung der Frage
von 1931 (Studier over det zadokidiske pr&'steskabs
historie) kannte, wo ich meine Hypothese von 1920 (Die
josianische Reform) eben in der Richtung modifiziert
habe, welche Hülst gegangen ist. Das kann man ihm
aber nicht übel nehmen. Die Theologie schreibt ja leider
nicht mehr Latein! — Ich würde doch noch immer
in der Beantwortung der Frage nach dem Ursprungskreis
des Gesetzes das landpriesterliche Element eine etwas
größere Rolle spielen lassen. Denn die Tendenz, den
Opferdienst zum „Wortgottesdienst" zu machen, und
den Stil, welcher propagandistische und belehrende Tätigkeit
und Einfluli einer bestimmten Technik der Seelenführung
(Hempel, Althebr. Lit. S. 1-10) zeigt, führt
Uns nicht notwendig in die Prophetenkreise. Die Tendenz
, Wortgottesdienst zu schaffen, zeigt das Dtn. ja
darin, daß die heiligen Traditionen, besonders der Heilsgeschichte
, und Formulare, Gebete usw. den Kultus beherrschen
(„Historisierung" oder „Rationalisierung").
Und Hülst sagt selbst S. 90: ,,De priesters waren de
dragers der traditie en uit hun kennis moesten zij het
volk onderwijzen aangaaende Jahwes groote daden en
heilige verordeningen": Damit sind wir also mit dem
wichtigen Element des „Wortgottesdienstes" nicht über
die Priesterkreisc hinausgekommen.

Diese letzten Bemerkungen sollen aber nicht meinen
Ausdruck der Freude an dem Lesen des schönen, auch
typographisch sehr fein ausgestatteten Buches einschränken
.

Kopenhagen Aagc B e n t z e n

Harnp, Vinzenz. Der Begriff „Wort" in den aramäischen Bibelübersetzungen
. Ein exegetischer Beitrag zur Flypostasen-Frage zur
Geschichte der Logos-Spekulationen. München: Neuer Filscr-Verlag
">38. (XX, 218 S.) gr. 8°. RM 15-.

Das Buch ist eine wertvolle, mit Gründlichkeit und
Vorsicht durchgeführte Untersuchung über den Memrä in
den Targumen, ein Wort, das außerhalb der targumi-
schen Literatur nur einmal im Seder Rab Amram I 52 b
(9- Jhrh. p. Chr.) belegt ist. Der erste mit reichem Be-
"jgmaterial ausgestattete Hauptteil geht sorgfältig den
Verbindungen nach, in denen Memrä auftritt, so zuerst
den Ausdrücken des Redens, dann den Umschreibungen,
m denen es regelmäßig wiederkehrt, und dann den seltenen
Fällen, in denen es unregelmäßig auftritt. Schon die
Ausbreitung und Ordnung dieses Materiales ist verdienstvoll
. Der zweite Hauptteil untersucht das System und
den Zweck der Umschreibung des Jahwenamens mit
Memrä, der dritte Hauptteil den Memrä-Begriff. Als Ergebnis
seiner Bemühungen stellt der Verfasser fest, daß
Memrä in den älteren Targumen nur in ganz bestimmten
Wendungen auftritt, und zwar in der Absicht den

j Text zu verdeutlichen. Als Grundbedeutung sei „Wort"
anzunehmen. Da es sich aber nicht immer um wirkliche
Aussprüche Jahwes oder auch der Menschen handele,
sondern oft nur um Denkvorgänge, so trete daneben die
Bedeutung „Entschluß", „Wille", und das führe schließlich
dazu, daß Memrä „Person" bedeuten könne, ohne
daß aber damit die andern Bedeutungen aus den Targumen
verschwinden. Daß es in der letzterwähnten Be-

| deutung besonders in den späteren Targumen oft pleona-
stisch als bloßes Füllwort auftrete, könne nicht geleug-

1 net werden. Aber eine Hypostase sei Memrä nie gewe-

! sen, so wenig wie der Heilige Geist, die Weisheit, die
Thora, die Schekhina, die Herrlichkeit Gottes. Diese
These wird gegen alle Einwände, wie sie sich in der zahlreich
herangezogenen Literatur darbieten, mit Geschick
und Sorgfalt verteidigt. Ein Zusammenhang des Memrä
mit außerjüdischen Wort- und Logos-Spekulationen wird
abgelehnt und höchstens eine gelegentliciie Anregung von
außerhalb für möglich angesehen. Abschließend wird
festgestellt, daß der Verfasser von Joh. 1 wohl vom

1 Memrä Jahwes gewußt, aber seine Logos-Idee nicht von

, ihm abgeleitet hätte.

Die Ausführungen des Verfassers beruhen auf sorgfältiger
Auswertung des Quellenmaterials und wirken
durch die Darbietung gediegenen Wissens überzeugend.

I Vielleicht hätte man zum Verständnis des gehäuften Auftretens
von Memrä in den späteren Targumen darauf

| hinweisen können, daß für das Spätjudentum der Wille
Jahwes nur noch aus dem „Wort" Jahwes erkennbar

| war, das zwar nicht als Hypostase, aber als ewig gültige
Offenbarung in der heiligen Schrift oder den heiligen
Schriften vorlag. Die Rolle des Gesetzes tritt so zwischen
Jahwe und seine Verehrer. Diese Entwicklung
bahnt sich schon im Alten Testament an, vgl. z. B. Jos.
1,8. So scheint mir mit ein Grund für den Einbau des
Memrä die Absicht gewesen zu sein, dem Volk zu zeigen,
daß auch die Väter Jahwe nur im Worte hatten.

Greifswakl Leonhard Rost

NEUES TESTAMENT

Busch, Friedrich: Zum Verständnis der synoptischen Eschato-
logie; Markus 13 neu untersucht. Gütersloh: C. Bertelsmann
1938. (XIV, 157 S.) 8° = Neutestamentl. Forschgn. hrsg. von Prof.
D. O. Schmitz, Vierte Reihe, 2. Heft. RM 5 — .

Der Verfasser macht den dankenswerten Versuch, die
methodischen und kritischen Prinzipien J. Scbniewinds
auf das Kapitel der „synoptischen Apokalypse" an/.u-
' wenden und hier zu bewähren — eine ebenso kühne wie
i fruchtbare Arbeit an einem Punkt, der der historischen
Kritik nach allgemeiner Meinung bereits sicher zum
Opfer gefallen zu sein schien.

Das erste Kapitel führt durch einen gedrängten,
aber das Wesentliche glücklich herausarbeitenden Rückblick
in die Problematik der Frage ein. Das Problem
der Bedeutung des eschatologischen Elementes
innerhalb der Verkündigung Jesu wurde mit der Erkenntnis
wach, daß der synoptische Befund — die Meinung
Jesu selbst — mit dem dogmatischen Lehrstück
nicht in Einklang zu bringen war. Die historische Kritik
beging zwei Irrwege: entweder spiritualisierte sie die
eschatologischen Aussagen Jesu oder sie isolierte sich
aus der Verkündigung, beide Male aber entzog sie den
Worten die echte Verständnismöglichkeit, indem sie naiv
entweder Jesu Eschatologie modernisierte oder seine
Verkündigung, bei der sie dann alles Eschatologische
strich, weil sie es nicht mehr verstand. Man könnte den
Verf. fragen, ob seine Scheidung der beiden methodischen
Wege ganz angemessen ist, ob nicht beides Hand
in Hanu geht, jedoch entwickelt der Verf. überzeugend
als Endergebnis seiner Betrachtung die methodische Forderung
als Möglichkeitsgrund für ein historisches Verständnis
der synoptischen Tradition: vor aller Kritik
muß das Verständnis der „synoptischen Apokalypse"
im Gesamtzusammenhaug des synoptischen Kerygnias stehen.