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Ausgabe:

1939 Nr. 4

Spalte:

146-147

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Gersch, Walter

Titel/Untertitel:

Der Transzendentale Existenzbeweis in Kants kritischer Metaphysik der ausserbewussten Wirklichkeit 1939

Rezensent:

Karowski, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 4

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Begnadung mit einem letzten höchsten Wissen, durch das
sie die Schäden der Zeit heilen und Licht in die Finster- j
nis bringen wollten. Parazelsus und Comenius gehören
hierher, auch Ratke zählt Schleift dazu, Leibniz nennt
er den größten Pansophen. „Es geht dabei nicht um
theologische Wissenschaft in heutigem Sinne, sondern
um das Bemühen, in allem hindurchzudringen zur Erkenntnis
Gottes, alles zusammenzusehen in der großen !
Einheitsschau der Pansophie". Das Geschichtsbild des
einen Teils dieser Kreise unterscheidet nach Joachim von [
Floris die drei Zeitalter des Vaters, des Sohnes und des j
Geistes, im dritten Reich wird die wahre Kirche sichtbar
sein. Der andere Teil sieht die Geschichte lutherisch |
■als Abfall nach dem paradisischen Zeitalter. Trotz die- j
ser Verschiedenheit ist man sich darin einig, daß die j
Endzeit bevorsteht, daß das dritte Reich kommen und
daß man die Fülle der Zeiten erleben wird. Es wird die j
Zeit der einen einheitlichen Religion sein. Leibniz träumte
„von einer ecclesia universalis, die sichtbar erstehen sollte.
Es war der Traum der Pansophie: das Endreich des vollkommenen
Wissens, des Schauens".

Schleiff trennt von den Pansophen die S p i r i t u a-
listen, vor allem denkt er an Männer wie Weigel und
Böhme. Wenn die Pansophen in die Weltweite schauten
, dann schauten die Spiritualisten nach innen. Ihnen
geht es um das „innere Fundament der Religion" und
den „Gottesdienst der Herzen". „Alle diese Männer
wissen sich in ihrem Selbstbewußtsein unmittelbar vor
Gott gestellt". In ihrer Geschichtsbetrachtung spielt der
Antichrist eine große Rolle in dem doppelten Sinn, daß
„der Abfall immer Abfall in das antichristliche Reich
ist", und daß zweitens „der Erreger des Abfalls der
Antichrist ist." Besonders bitter ist es, daß der Antichrist
unter der Maske Christi in Kirchenordnung und
Amtshierarchie auftritt. Im Papsttum erscheint er, Apap
(Umkehrung von Papa) wird über die geschichtliche Erscheinung
des Papsttums hinaus zum bösen Prinzip.
Wortgemäße Bindung an das Dogma und wissenschaftliches
Bibelverständnis sind Hauptgegenstand der Kritik.
Der Christus pro nobis nützt uns nichts, wenn wir nicht den
Christus in nobis haben. Und diese Gewißheit des innerlichen
Christus schlägt dann bei den Spiritualisten und ihren
Nachfolgern um in Pantheismus und Rationalismus.
Lanz (Westprignitz) Kurt Kessel er

GESCHICHTE DER THEOLOGIE

Hauck, Dr. theol. Wilhelm-Albert: „Sünde" und „Erbsünde«
nach Calvin. Eine wissenschaftliche Darstellung. Heidelberg: Evangelischer
Verlag Jakob Comtcsse 1938. (88 S.) 8°. RM !.80.
Es ist eine viel bedauerte, aber keinem Kundigen unbegreifliche
Tatsache, daß wir eine brauchbare Gesamtdarstellung
der Theologie Calvins noch kaum besitzen.
Unter diesen Umständen sind Einzeluntersuchungen, vor
allem solche, die mit den geschärften Interpretationsmitteln
deutscher Wissenschaft arbeiten, von vornherein zu
begrüßen. Aufgabe ist aber dann nicht die Darstellung
als solche, die sich ja verhältnismäßig leicht z. B. an
'bind der „Institutio" entwickeln läßt, sondern eine möglichst
gründlich eindringende Analyse. Die vorliegende
Arbeit beschränkt sich leider im wesentlichen, wie auch j
u»r Untertitel sagt, auf die Darstellung. Das mag j
zum Teil seinen Grund darin haben, daß sie nur ein ver- |
hältnismäßig kleines Stück aus einem größeren Ganzen j
darstellt — sie ist einer umfassenderen Arbeit entnom- |
nien, die der Verfasser vor einiger Zeit als Dissertation j
vorgelegt hat. Daneben ist jedoch anzunehmen, daß dem
Verfasser eine historische Analyse vor allem durch seinen j
systematischen Ansatz verbaut worden ist. Das braucht,
w'e z. B. die Arbeit von W. Niesei über „Calvins Lehre j
vom Abendmahl" (München 1930) gezeigt hat, durch- j
aus nicht notwendig so zu sein. Aber der Verfasser ist (
auf Schritt und Tritt durch moderne systematische An- ;
schauungen, vor allem durch E. Brunners Anthropologie,
so stark bestimmt, daß er zwar ein „Gesprach" zwischen
diesen Anschauungen und Calvin recht lebendig
entwickelt, aber zur Förderung des historischen
Calvinverständnisses unterdessen nicht in dem Maße beiträgt
, wie das wohl möglich gewesen wäre. Seine Darstellung
stützt sich vornehmlich auf die Institutio, gelegentlich
, vor allem in dem Abschnitt über das Wesen
der Sünde, auch auf Predigten Calvins. Sie kann in allen
wesentlichen Punkten als zutreffend bezeichnet werden
und ist deshalb verdienstlich. Hauck hebt vor allem hervor
, daß Calvin nicht zuerst von systematischen, sondern
von „religiösen" Motiven ausgeht. Von diesem Gesichtspunkt
aus versucht er in recht einsichtigen Ausführungen
die „systematischen" Schwierigkeiten namentlich der Erbsündenlehre
Calvins begreiflich zu machen — in berechtigter
Abwehr gewisser Äußerungen H. Engellands. Man
möchte nur fragen, warum der Verfasser gerade bei dieser
Schau der Dinge nicht viel stärker jenen Teil der
Quellen herangezogen hat, in dem Calvin verhältnismäßig
„unsystematisch" redet, nämlich eben die Predigten. Es
hätte sich da vieles erheblich besser zeigen lassen. Ferner
macht Hauck mit berechtigtem Nachdruck darauf aufmerksam
, daß „Sünde" für Calvin nicht etwas „Moralisches
" bedeutet, sondern vielmehr die Zerstörung des
menschlichen Verhältnisses zu Gott. Dieser Gesichtspunkt
hätte durch einen Hinweis auf Calvins Lehre von
der Imago Dei und erst recht durch die Ausziehung der
viel zu kurz geratenen Ausführungen über Sünde und Gesetz
eine Vertiefung erfahren können. Es hätte sich dann
auf der anderen Seite auch zeigen lassen, wie konkret
Calvin die Sünde doch faßt, vor allem wieder in den
Predigten. So wäre auch an vielen weiteren Punkten
durch eine stärker eindringende Analyse der gewonnene,
fraglos richtige Ansatz auszuführen, bezw. in Einzelheiten
zu korrigieren gewesen. Daß der Verfasser dabei
Gutes hätte zu Tage fördern können, beweisen die Punkte
, wo eine solche Analyse tatsächlich einsetzt, so z. B.
die guten Ausführungen über die (von Calvin bestrittene)
Mitverschuldung des Menschen an Adams Sünde. Man
darf wohl hoffen, daß bei einem vollständigen Abdruck
der Arbeit in dieser Hinsicht noch manches sehr Förderliche
herauskommen wird. Bedauerlich ist es, daß Hauck
zwar auf die Beziehungen Calvins zu Luther eingeht —
wobei er vielleicht allzuschnell, wenn auch im Effekt
richtig, die Gleichsetzung vollzieht —, aber sonst die
Frage nach der geschichtlichen Bedingtheit der Anschauungen
Calvins beiseite läßt; vor allem fehlt der bei der
Lehre von der Sünde doch kaum zu vermeidende Hinweis
auf Calvins Beziehungen zu Augustin. Doch sollen alle
diese Ausstellungen und Wünsche den Dank nicht schmälern
, der dem Verfasser für seine umsichtige und vor
allem vorbildlich klar geschriebene Arbeit zukommt.

Noch eins als Nachwort. Die Zitierweise des Verfassers
ist recht unglücklich. Er zitiert ein und dasselbe
Werk, nämlich die Institutio von 1559, teils nach CR,
teils nach Barth-Niescl, das CR wird teils nach der durchlaufenden
Zählung zitiert (Calvin = CR Band 29 ff.),
teils nach der Sonderzählung für Calvin (Calvin = CR
Calv. opp. 1—59), so vor allem in den von anderer Seite
, namentlich von Gloede übernommenen Zitaten. Das
ist ein Schönheitsfehler, der überwunden weiden sollte,
freilich leider durch die umständliche Zählung des CR
veranlaßt ist.

Göttingen Otto Weber

G e r s c h, Walter: Der transzendentale Existenzbeweis in Kants
kritischer Metaphysik der außerbewußten Wirklichkeit, würz-
burg: K. Triltsch 1938. (VIII, 81 S.) 8°. RM 3—.

Die Arbeit von Gerschwill das viel verhandelte Problem
: Hat Kant eine vom Bewußtsein unabhängige Wirklichkeit
anerkannt oder nicht? aus den Quellen der Lösung
entgegenführen. Er hat gut daran getan, uns in
Kant selber hineinzuführen, als sich mit den historischen
Interpretationen auseinanderzusetzen (nur Schopenhauers
Einwand wird S. 59 ff. geprüft). Ausgehend
von den vorkritischen Systemen des Idealismus und Realismus
und der Stellung Kants zu ihnen kommt der