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Ausgabe:

1939 Nr. 4

Spalte:

142-144

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Concilium Basiliense ; 8.Die Handakten des Konzilspräsidenten Cesarini, Enea Silvio

Titel/Untertitel:

Descriptio altera urbis Basileae (1438), Stallrechnungen des Cardinals Ludwig Aleman aus dem Jahre 1445, Procès-verbal des

Rezensent:

Brandi, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 4

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Jäntere, Kaarlo: Die römische Weltreichsidee und die Entstehung
der weltlichen Macht des Papstes. Turku (Finnland): !
Tunin Yliopiston Kustama 1936. (XXII, 360 S.) 4° = Annales Uni-
versitatis Turkuensis. Ser. B. Tom. XXI. )
Die vorliegende Arbeit versucht eine geistesgeschichtliche Entwicklungslinie
durch acht Jahrhunderte zu ziehen. Sie möchte zeigen, wie
sich die römische Weltreichsideologie, die zunächst einen heidnisch-
politischen Sinn besitzt, mit der Zeit verchristlicht, dem Papsttum näher
rückt und damit zu dessen Verselbständigung gegenüber dem byzantinischen
Kaisertum und zur Bildung des Kirchenstaats mitgewirkt hat.
Tatsächlich ist es aber dem Verf. m. E. nicht gelungen, das wiederholt
betonte Ineinandergreifen der realpolitischen und ideologischen Entwicklungsfaktoren
wirklich anschaulich zu machen. Die Arbeit zerfällt
in zwei Teile. Die ersten fünf Kapitel behandeln die Entwicklung der :
Weltreichsidee und des Kaisertums, besonders unter Diokletian und Kon- .
«tantin, die Rolle Konstantinopels und den Einheitsgedanken im 4. und I
5. Jhd. Sie sind fast ganz der Entwicklung der Vorstellungen, des
„Bewußtseins", der „Traditionen" gewidmet, und auch das 6. Kapitel ,
über Justinian und Gregor den Großen gehört im Wesentlichen noch in ,
■diesen Zusammenhang. Dagegen behandeln die letzten drei Kapitel die I
Geschichte der päpstlichen Macht im 7. und 8. Jhd., die Annäherung
an die Franken usw. viel eher darstellend und erzählend und unterstreichen
die Bedeutung der rein materiellen oder taktisch-politischen
Momente. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, daß man auch im 7. Jhd.
rtfflachst noch nicht von einem Kirchenstaat reden darf, und daß die ,
Päpste selbst garnicht die Absicht hatten, sich vom Kaisertum und dem j
römischen Reich zu lösen. Die Kaiserkrönung Karls d. Gr., deren besondere
Probleme nicht behandelt werden, bildet den Schlußpunkt, weil j
sie das Nebeneinander des östlichen und westlichen Imperiums für das
Mittelalter begründet, und weil sie das Papsttum tatsächlich vom
östlichen Imperium ablöst und insofern verselbständigt.

Trotz des erheblichen Umfangs der Arbeit und der vielen Fragen, j
die sie berührt, kann man kaum sagen, daß sie wesentliche neue Er- |
Kenntnisse vermittelt. Das liegt weniger an der reichen Literatur, die I
in der letzten Zeit über die „Romidee" und über die Kaiseridee schon I
erschienen ist — es bleibt immer noch genug zu tun übrig — als an
der ängstlichen Art und Weise, in der ihr der Verf. folgt, während er
kaum jemals auf die Quellen selber zurückgreift. Seine Darlegungen j
sind seitenweise nahezu nichts als ein höchst gewissenhaftes und vielfach i
umständliches Zusammenstellen verschiedener Meinungen, denen er in |
der einen oder anderen Richtung Recht gibt, ohne daß eine selbständige, i
Klare Linie zum Vorschein käme (man vgl. etwa die Seiten über Konstantin
und das Christentum!). So bleiben die Ergebnisse seltsam blaß ,
und allgemein. So heißt es z. B. S. 329 über die Bedeutung der Kaiser-
Krönung Karls d. Gr. für die weltliche Macht des Papstes: „bestimmte
Taten oder Ereignisse, die klar und entscheidend den Kirchenstaat geschaffen
hätten", ließen sich schwer feststellen: „Darum sind wir zu
dem Schluß gekommen, daß die konkrete Schöpfung der weltlichen
Machtbestrebungen der Päpste das Resultat einer langen Entwicklung ist,
m der ideologische Faktoren viel beigetragen haben. Wenn wir — in
Ermangelung eines einheitlichen, absolut zuverlässigen Quellenmaterials
— auch das karolingische Kaisertum in die Kette der Ideologien einreihen
, so dürfte es eine richtige geschichtliche Bedeutung erhalten .
Das Zurückweichen vor den Einzelfragen, insbesondere vor jeder ge-
»auen Interpretation der Quellen, läßt die Auseinandersetzungen nirgends
'echt fruchtbar werden, auch wenn manche kritische Stellungnahme,
mancher sachliche Hinweis des gelehrten Verf.s gewiß treffend sind.
Aljei im Allgemeinen wird sein Buch wohl am meisten als eine Art
Repertonum Verwendung finden für die wissenschaftliche Stellungnahme
anderer Leute, deren Namen das lückenlose Register gewissenhaft verzeichnet
.

Greifswald H. v. Campenhausen

M ü 11 e r, Dr. theol. et phil. Ewald, O. F. M.: Das Konzil von Vienne j
1311—12. Seine Quellen u. s. Geschichte. Münster i. W.: Aschendorff
1034, (xvi 756 S) gr. 8° = Vorreformationsgeschichtl. Forschungen
Bd. XII.' RM 28.80; geb. 31.25.
Der Verf. hat es sich nicht verdrießen lassen, für
sein Thema nach unbekannten Quellen zu suchen, was bei
dem zersprengten Charakter der Überlieferung — die i
deutlichen Akten fehlen, scheinen zum Teil sogar verliebtet
zu sein — keine geringe Mühe war. Viel war j
"ach den Veröffentlichungen von Ehrle und Finke nicht
zu hoffen, doch ist es dem Verf. gelungen, immerhin
«'"ige Stücke aufzufinden, die das lückenhafte Bild vervollständigen
. Die Darstellung, die zwar weniger Darstellung
als Untersuchung und Erörterung ist, mit großer
Sorgfalt gearbeitet, darf als abschließend gelten.
Neu ist "das Bild zwar nicht, aber so vollständig, daß
darüber kaum mehr etwas zu sagen sein wird. Das
Konzil von Vienne, das ergibt sich mit unzweifelhafter
Deutlichkeit, ist französische Mache gewesen. Seine Berufung
verdankt es Philipp dem Schönen, der darauf
drang in der Absicht, den Papst vollends gefügig zu machen
. Clemens V. verstand es zwar, als er sich endlich
dazu bequemte, die Versammlung als Rückendeckung
gegen Frankreich zu benutzen. Was er indes damit erreicht
hat, kann ich nicht so hoch bewerten, wie Müller:
In der schwierigsten Frage, dem Prozeß gegen den Temp-
lerorden, ist der Papst schließlich doch den Wünschen
des Königs entgegengekommen, indem er den Orden
ohne Verhör und Verurteilung aufhob. Die Prälaten
waren in großer Mehrheit dafür gewesen, dein Orden Gelegenheit
zur Verteidigung zu geben, sie neigten sogar
deutlich zum Freispruch. Darüber ist der Papst hinweggegangen
, wie er denn überhaupt auf die Meinung
der Prälaten nicht viel Rücksicht nahm. Daß ihr Widerspruch
den Orden vor förmlicher Verurteilung gerettet
habe, kann ich nicht zugeben. Clemens hatte von Anfang
an nur die Auflösung als Maßregel der Zweckmäßigkeit
im Auge. Wie es kam, daß die Prälaten ihm darin
nicht nachhaltiger Widerstand leisteten und schließlich
seinen Willen geschehen ließen, hat auch Müller nicht
aufzuklären vermocht, so lehrreich seine Ausführungen
sonst sind. Breiteren Raum nehmen bei ihm die andern
Angelegenheiten ein, der Armutsstreit, die Entscheidung
über die Lehren Olivis und die als Reform zu bezeichnenden
Verfügungen. Sie sind mit einer Ausführlichkeit
behandelt, die dem tüchtigen Buch wohl wenig Leser gewinnen
wird. M. tut in dieser Beziehung überhaupt des
Outen zu viel, durch die Breite seiner Auseinandersetzungen
stellt er die Geduld des Benutzers auf die
Probe. Angenehm berührt das ruhige Urteil. Daß der
Verf. Clemens V mehrfach zu entschuldigen sucht, ist gegenüber
den Verdammungen, denen dieser Papst sonst
ausgesetzt ist, verständlich. Er gibt zu, daß Clemens
den schwierigen Aufgaben seiner Regierung nicht gewachsen
war, meint aber, in ruhigen Zeiten wäre er ein
ganz annehmbarer Papst gewesen. Vielleicht würde er
strenger urteilen, wenn er die gesamte Geschichte dieses
Pontifikates vor Augen hätte und nicht nur den Ausschnitt
während des Konzils, wo Clemens unter Aufsicht
handelte, auch stärkere Unterstützung fand. Weniger
verzeihlich dünkt mich das unsichere Urteil über Schuld
oder Unschuld der Templer. Da ist doch m. E. die Unschuld
des Ordens im Ganzen ebenso erwiesen wie die
verleumderische Natur der Anklage und die Verlogenheit
der angeblichen Ergebnisse der Untersuchung. —
Ein merkwürdiges Versehen ist S. 388 die falsche Übersetzung
der Stelle aus dem Fortsetzer Wilhelms von
Nangis: „sperans quod (decreta concilii) ad limam iterum
venirent" heißt doch: „in der Hoffnung auf nochmalige
Ausfeilung". M. übersetzt: weil er gehofft habe, „sie
würden wieder zu Staub werden". Der Einwand gegen
meine Kennzeichnung des Konzils als Reformkonzil (S.
11) geht fehl. Mit den Versammlungen von Konstanz und
Basel habe ich die von Vienne nicht gleichgesetzt, und
bei M. selbst heißt ein Kapitel von 250 Seiten „Die
Reformarbeiten". Übrigens ist es nicht richtig, Reform
sei „seit alter Zeit" die Aufgabe aller Konzilien gewesen.
Das erste, von dem man das sagen kann, war das
römische 1179, dann ist noch zweimal, 1215 wie 1274
die Reform auf die Tagesordnung gesetzt worden.
Stuttgart j. Ha 11 er

Concilium Basiiiense. Studien und Quellen zur Geschichte des Con-
cils von Basel. Band VIII. Acten, Rechnungen und Protokolle: Die
Handakten d. Konzilspräsid. Cesarini, Enea Silvio Descriptio altera
urbis Basileae (1438), Stallrechn. d. Kard. Aleman (1445), Proces-
verbal des Conferences tenues en 1447 ä Lyon et ä Geneve pour
mettre fin au schisme de Bäle, herausgegeben von Heinrich Dan-
nenbauer, Alfred Hartmann, Hans-Georg Wacke rnagel und
Gabriel Perouse. Basel: Helbing u. Lichtenhahn 1936. (VIII,
448 S.) 4°. RM 44.40.

Das Concilium Basiiiense, dessen erster Band 1896
von Johannes Haller vorgelegt wurde, sollte eine kritische
Geschichte des Konzils vorbereiten, die der Herausgeber
plante. Als Kernstück der Edition war schon da-